Pelagic Records / VÖ: 2. Februar 2024 / Post-Metal
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Text: David Spring
Mal wieder ein Bandname mit unglaublich grossem Interpretationsspielraum. Bipolare Architektur, was bitte sehr ist das denn? Nun, im Falle der deutsch/türkischen Band ist die Sache schnell klar, denn hier werden vor allem Grenzen ausgelotet. Das Grundgerüst des Sounds von Bipolar Architecture ist der Extreme Metal, die sich gegenüber liegenden Pole Black und Tech Death auf der einen, Shoegaze und Post Rock auf der anderen Seite. Nimmt man alles zusammen, entsteht ein ambitioniertes, vernichtend gutes Werk wie «Metaphysicize».
Los geht es mit dem Titeltrack. Ein sphärisches Gitarrenintro baut sich auf, bevor ein tonnenschweres Riff über uns hereinbricht, dass alsbald von unmenschlichen, heiseren Growls abgelöst wird. Die Mischung aus melodiösem Post Rock und brutalem Death Metal funktioniert auf Anhieb verdammt gut. Spielerisch bewegen sich Bipolar Architecture auf allerhöchstem Niveau, die unglaublich fette und volle Produktion überzeugt und begeistert. Viele progressive Metalbands versteifen sich oft auf instrumentales Kräftemessen, doch das internationale Viergespann hält die Balance perfekt. Immer, wenn eine Passage droht, zu verkopft zu werden, folgen glorreiche Disharmonien, sanfte Melodien, oder das Gegenteil in Form von groovenden, ultraheftigen Riffs oder rabiaten Blastbeats.
Während «Disillusioned» heftig abrockt und die Halswirbel ordentlich strapaziert, setzt «Death Of The Architect» mit Black Metal Gebolze, stellenweise eher im Metalcore oder gar Djent auffindbaren Breakdowns sowie tieftraurigen Melodien faszinierende Akzente. «Kaygi» ist eines der Highlights und das Herzstück der Platte. Nicht nur wartet der Song mit einem auf türkisch vorgetragenen Text auf, sondern bietet wirklich alles, was die Band ausmacht. Fantastisch! Das ruhigste und vielleicht intensivste Stück ist «Immor(t)al», das nur stellenweise in harte Passagen ausbricht und eine melancholisch epische Atmosphäre verbreitet. Bipolar Architecture bieten wahrlich faszinierende Musikalität sowie hervorragendes Fingerspitzengefühl beim Songwriting dar.
Inhaltlich gehen die Songs ähnlich heftig zur Sache. Themen wie Selbstreflektion, Mental Health, Depressionen und der Mensch als Ganzes werden behandelt und passen wie die Faust aufs Auge zu der zerebralen Musik. Das ist keine leichte Kost, aber wie bei aller guten, intensiven Musik fühlt man sich irgendwie aufgehoben und verstanden. Mit «Dysphoria» hat sich die Band schlussendlich das Beste als letztes aufgehoben, denn der Closer übertrifft noch einmal alles. Alleine das kurze, staubtrockene Riff am Schluss ist eines der geilsten seit langem.
So geht ein wahrlich herausragendes, eindrückliches Album zu Ende, dass eindrucksvoll beweist, dass die Innovation in den harten Gefilden der Musik noch lange nicht ausgestorben ist. Bipolar Architecture sind so talentiert wie faszinierend, sie erfinden, überraschen und überzeugen, wie schon lange keine Band mehr. «Metaphysicize» ist zweifellos jetzt schon ein Anwärter für den Titel als eines der innovativsten Alben des Jahres.