Wolves In The Throne Room + Gaerea + Mortiferum
Schüür – Luzern
Freitag, 24. Mai 2024
Text: David Spring / Bilder: Melissa Mangold
Merkst du es auch? Langsam, aber sicher wird es wärmer und der Sommer krallt sich immer mehr durch die Wolken! Genau die richtige Zeit eigentlich, um dieser ganzen Frohmut mal ordentlich den Deckel aufzusetzen und düsterstem Black Metal von allererster Güte zu lauschen. Passend also, fanden sich vergangenen Samstag die atmosphärischen Grossmeister von Wolves In The Throne Room in der Schüür in Luzern ein, um diesem ganzen Sommergehabe wieder den Garaus zu machen.
Den Auftakt machten Mortiferum. Deren ultra-tiefer Doom/Black-Metal setzte die Atmosphäre gleich in den tiefsten Eingeweiden der modrigsten Untergründe an, unfassbar, wie brutal heavy und vernichtend schleppend ihr Sound auf uns einschlug. Die Schüür war schon ordentlich gut gefüllt und die schwarz gekleidete Meute liess sich bald zu gehorsamem Headbangen verleiten. Die Band überzeugte mit jedem Song mehr, vor allem fiel trotz der überwältigenden Schwere des Sounds erstaunlich viel Abwechslung auf. Immer mal wieder erklangen furchteinflössende Gitarrensolos, die mit wundervollen Old-School-Effekten beladen waren – und in bester Kerry King-Manier so chaotisch wie nur irgendwie möglich gespielt wurden. Auch der Drummer lockerte die Sache gerne mit wohlplatzierten Blastbeats auf, was den Songs überraschend viel Dynamik verlieh. Gegen Ende gab es ein paar technische Probleme, was auf der Bühne kurz zu einiger amüsanter Verwirrung sorgte. Doch Mortiferum liessen sich nicht beirren und lieferten ein vorzügliches, vernichtend brutales Set ab, dass uns mehr als passend auf alles, was noch kommen sollte, einstimmte.
Als nächstes stand niemand geringeres als Gaerea auf dem Programm. Die maskierten Portugies:innen beehrten uns bereits das zweite Mal dieses Jahr mit ihrer unvergleichlich Show und auch in Luzern boten sie nichts als absolute Perfektion. Mit «Mantle» ging es auf allerhöchstem Intensitäts-Level los, was vom folgenden «Salve» gleich nochmals überboten wurde. Es grenzt ans Unmögliche, diese Band und die schiere Macht ihrer Präsenz und Musik adäquat in Worte zu fassen. Der hünenhafte Sänger tänzelte in beinahe zerbrechlicher und somit umso verstörenderer Art und Weise über die Bühne, bezirzte seine Mitmusiker:innen und forderte dabei vom Publikum stets die absolute Hörigkeit. Für ein verkopftes Genre wie Black Metal wirkt der Frontmann immer unglaublich extrovertiert, immer wieder sucht er den Kontakt mit der ersten Reihe und verpasst keine Chance, uns zum Mitgehen zu animieren. Und gleichzeitig brüllt er sich unentwegt die Seele aus dem Leib, mit einer Kraft und Intensität, die ihresgleichen suchen. Einfach faszinierend.
Auch Gaerea waren kurz von ein paar technischen Problemen seitens der eigenwilligen PA geplagt, was zum Glück aber nicht weiter negativ auffiel. Viel wichtiger war die Musik, zum Beispiel die starke, beinahe punkige neue Single «World Ablaze» oder «Urge», ein etwas älterer und umso furioserer Hut. Die Schüür war komplett in der Hand der Band, denn es gibt bei einem solch gewaltigen, kathartischen Anschlag schlicht kein Entkommen. Als dann zum alles vernichtenden «Laude», einem der besten und gewaltigsten modernen Black Metal Songs überhaupt, angesetzt wurde, gab es kein Halten mehr. Es ist jedes Mal wieder ein unvergleichlicher Gänsehautmoment, wenn die ganze Meute im finalen, ruhigen Moment aus voller Kehle «we are Gaerea» brüllt und sich ein letztes Mal komplett verliert. Unglaublich, was für eine Band.
Dass es ein kräftezerrender, intensiver Konzertabend würde, war von vornherein klar. Denn nach dieser gewaltigen Show war ja noch lange nicht Feierabend, war doch nun die Zeit für den formidablen Headliner gekommen: Wolves In The Throne Room! Auf der Bühne wurden haufenweise Kerzen aufgestellt und allerlei Äste und Sträucher um die Mikrofonständer gewickelt. Um der schaurig-schön heidnischen Atmosphäre die Krone aufzusetzen, wurden zudem unheilige Mengen an Weihrauch in den Saal gepumpt. Mit «Beholden To Clan» ihrer aktuellen EP «Crypt Of Ancestral Knowledge» ging die Reise los und die Band liess nichts anbrennen. Schon nach wenigen Tönen stellte sich heraus, wie vortrefflich die Bands auf dieser Tour zusammenpassen, wirkte der mächtige Headliner doch wie die perfekte Mischung aus dem Sound von Mortiferum und Gaerea. Absolut gewaltig, erhaben und episch mähten die Vier alles nieder und beschworen dabei rabenschwarzeste Szenarien hervor.
Spätestens mit dem dritten Song, dem zwölfminütigen «Vastness And Sorrow», stellten Wolves In The Throne Room ihre ganze vernichtende Macht unter Beweis. Rastlose Blastbeats, unmenschliche Schreie, tonnenschwere Gitarren und furchteinflössende Atmosphäre zogen uns komplett in den ihren Bann. Die dämonischen Stimmen der beiden Gitarristen sowie des Bassisten, die sich alle den Lead-Gesang teilten, genauso wie der betörende Salbei- und Weihrauch-Geruch in der Luft liessen einen in vollkommen unbekannte und gefährliche Sphären abdriften. Ansagen oder dergleichen waren unnötig, viel mehr führte ein Song fliessend in den nächsten. Dadurch fühlt sich die Show viel mehr wie ein episches Gesamtkunstwerk als ein Live-Konzert an, wahrlich faszinierend. Mit dem wunderschönen und alles erschlagenden «Queen Of Borrowed Light» war nach 75 Minuten das Ende erreicht. Ein letztes Mal durften wir uns komplett den unvergleichlich traurigen und brutalen Klängen dieser einzigartigen Band hingeben und uns in diesem Spektakel für die Sinne verlieren. Was für ein Erlebnis.
Wieder angekommen in der kalten Realität, war es danach nicht einfach, das soeben Erlebte zu verarbeiten. Fast zu viel des Guten war diese Show, so dass sich die ganze Wucht und Intensität erst einige Zeit später vollends offenbarten. Wolves In The Throne Room sind ein selten gefundenes Wunder und live eine unheilige Macht. Zusammen mit den brutalen, tonnenschweren Klängen von Mortiferum und der furiosen, furchteinflössenden Genialität von Gaerea war es ein legendärer Konzertabend, der unter die Haut ging und so schnell nicht vergessen gehen wird. Wie schön, dass es solch hingebungsvolle, leidenschaftliche Menschen gibt, die uns immer wieder mit ihrer Musik und Kunst überwältigen, herausfordern und bereichern.