Volkshaus – Zürich
Freitag, 1. März 2024
Text: David Spring / Bilder: Berend Stettler
«Huch, wer bist denn du?» «UUAARRGH!» Ganze 30 Jahre ist es her, seit dieses legendäre Intro zum ersten Mal aus den Lautsprechern vieler Punker:innen schnellte und damit nicht nur das bekannteste WIZO-Album, sondern wohl auch eine der wichtigsten Deutschpunk-Platten aller Zeiten eröffnete. Danach ist viel passiert und trotz einer mehrjährigen Pause ist die Band mit dem Fert und der Ölablassschraube auch heute nicht aus der Szene wegzudenken. Dass sie immer noch zu den allerbesten gehören, bewies der WIZO vergangenen Freitag mit neuem Album im Gepäck im Zürcher Volkshaus mit einem denkwürdigen Abriss.
Den Auftakt machten die sympathischen Herren von Montreal. Auch dieses Trio treibt schon einige Jahre ihr Unwesen und liess nichts anbrennen. Nach einer frohgemuten Begrüssung durch WIZO höchstpersönlich legten sie mit «Das Falsche Pferd» gutgelaunt los und es zeigte sich schnell, dass da einige Fans im Publikum waren. Nicht nur wurde von der ersten Sekunde an lautstark mitgesungen, auch der Pogo-Pit war sofort in wilder Bewegung. Die Stimmung im Volkshaus war ausgelassen, der Sound war prächtig sowie druckvoll und ein feuchtfröhlicher Abend war garantiert.
Die Setlist führte uns querbeet durch das Schaffen der Band. Grossartige Songs wie «Kino?!» oder «Idioten der Saison» liessen wenig Zeit fürs Verschnaufen, doch auch ein toller brandneuer Track wie «Am Achteck nichts Neues» brachte die Leute zum Tanzen. Natürlich durfte bei einem Montreal-Gig die glorreiche Coverversion des ekelhaften «Katharine, Katharine» von Steinwolke nicht fehlen. Die Drei meinten, dass sie dies nur spielen, um den Urheber dieser Perle, Clemens Maria Haas, so sehr wie nur irgendwie möglich zu nerven. Sehr schön. So überzeugten Montreal in ca. 30 Minuten auf voller Länge und hinterliessen nichts als verbrannte Erde und glückliche Fans.
Doch dann war es endlich soweit: Alex, Ralf und Axel betraten die Bühne und legten mit dem wundervoll passenden «Der lustige Tagedieb» gemütlich los. Der WIZO war gelandet, was für eine Freude. Das Publikum, in welchem sich von 10 bis 70 Jahren wohl jede Altersklasse wiederfand, war augenblicklich ausser Rand und Band. Mit dem glorreichen «Königin» und dem neuen Smasher «Schöner wär’s» ging es ordentlich weiter. Die Band zeigte sich bestens gelaunt, spielte unverschämt tight und energiegeladen, was natürlich frenetisch gefeiert wurde. Doch wie krass die Fans heute drauf waren, zeigte sich alsbald, als mit dem legendären «Raum der Zeit» der erste richtige Hit kam. Das ausverkaufte Volkshaus sang jedes Wort in einer Lautstärke mit, die locker gegen den Sound aus den Boxen ankam. Unglaublich, was für eine Stimmung hier heute herrschte.
WIZO schickten danach Highlight nach Highlight raus: «Das goldene Stück», «Ganz klar gegen Nazis» und natürlich das bekloppteste aller Lieder, «Seegurke», machten einfach unglaublich Spass. Dazwischen liess sich Axel immer wieder zu ausschweifenden Geschichten und Anekdoten hinreissen, die mal lautes Gelächter, mal nostalgische Anteilnahme und mal geballte politische Wut auslösten. Der einzige Song, der einen etwas komischen Beigeschmack mit sich brachte, war das arg gewaltverherrlichende «Gute Freunde», in welchem das Thema Femizid für die heutige Zeit vielleicht etwas zu grobschlächtig angegangen wird. Das tat der Stimmung natürlich keinen Abbruch und zum Glück überwogen unsterbliche Hits wie «Kopfschuss» und «Hey Thomas» bei weitem.
Ein so besonderes wie sonderbares Schmankerl gab es mit dem grenzdebilen «Käfer», bei welchem sich im Publikum augenblicklich ein köstlich anzusehender Krabbel-Circlepit bildete, was sogar die Band ungläubig lachen liess. Dazu passte dann gleich noch das glorreiche «Hey, Pippi Langstrumpf» – der WIZO feuerte aus sämtlichen Rohren. Mit dem herrlich punkig-misanthropischen «Nana» und dem bis heute eigentlich verbotenen und darum natürlich unabdingbaren «Kein Gerede» wurde dann langsam aber sicher das Ende eingeläutet. Als letztes gab es eine unfassbar intensive und emotionale Darbietung des vielleicht besten WIZO-Songs überhaupt: «Quadrat im Kreis». Speziell Axels Worte davor sorgten für Gänsehaut: «Holt euch Hilfe, sprecht über eure Gefühle und bleibt nicht alleine. Wir haben schon viel zu viele an Suizid verloren.» Unglaublich, was für ein Song, was für eine Band!
Natürlich folgten noch Zugaben, deren gleich vier: die zweite grosse Hymne für die Anarchie «Adagio», das nostalgisch wehmütige «Jimmy» und das vorzüglich wütende «Schweinewelt» forderten uns noch ein letztes Mal alles ab. Doch darf keine WIZO-Show ohne das Meisterwerk «Die letzte Sau» zu Ende gehen. Ein letztes Mal wurde wirklich alles gegeben und bis zur hintersten Reihe sang das ganze Volkshaus nochmals mit. Eine solche Atmosphäre, ein solch motiviertes, wildes und gleichzeitig friedliches Publikum und eine solch grossartige Band hat es lange nicht mehr gegeben. Was für ein glorreicher, schöner Abend es war, der sicherlich vielen noch lange in schöner Erinnerung bleiben wird. Lang lebe der WIZO – danke, dass es euch gibt!
Setlist [Quelle: Setlist.fm]
- Der lustige Tagedieb
- Königin
- Schöner wär’s
- Raum der Zeit
- Das goldene Stück
- Ich war, ich bin und ich werde sein
- Seegurke
- Gute Freunde
- Ganz klar gegen Nazis
- Grauer Brei
- Hey Thomas
- Kopfschuss
- W8ing 4 U
- Der Käfer
- Hey, Pippi Langstrumpf
- Kopf ab, Schwanz ab, Has!
- Kriminell & Asozial
- Nana
- Kein Gerede
- Quadrat im Kreis
Zugaben
- Adagio
- Jimmy
- Schweinewelt
- Die letzte Sau