21. Januar 2020
Kofmehl – Solothurn
Bands: While She Sleeps / Every Time I Die / Vein
Wenn die Metalcore-Überflieger von While She Sleeps zum Tanz rufen und dann noch hochkarätige Kumpanen wie Vein und Every Time I Die mit im Schlepptau haben, sollte man sich dies nicht entgehen lassen. Dies dachte ich mir und so machte mich einmal mehr auf den angenehm kurzen Weg ins gemütliche Kofmehl.
In der bereits gut zur Hälfte gefüllten Halle angekommen, betraten alsbald die fünf Jungs von Vein aus Boston die Bühne. Nach einem kurzen, sphärischen Intro ging es mit absoluter Härte los, wahnsinnig laut und heavy, was hier aus den Boxen dröhnte. Die Jungs gaben sofort alles und bombardierten uns mit Hardcore- und Screamo-Krachern ohne Pause. So zumindest hätte es sein sollen, denn leider war der Sound so schlecht, dass sich bei mir nach ein oder zwei Liedern bereits Ermüdungserscheinungen zeigten. Die Bassdrum und der Bass überwogen alles, von den Gitarren oder dem Gesang war kaum etwas zu hören. Zum Teil lag dies an den heruntergestimmten Gitarren, mehrheitlich aber war es der Sound-Typ, der hier versagte. Vein hatten ein sechstes Mitglied auf der Bühne, der die Synthesizer bediente, wovon, ausser zwischen den Songs, absolut gar nichts zu hören war. Wenn Sänger Anthony DiDio etwas sagen wollte, dann verstand man das nicht einmal, wenn der Rest der Band ruhig war.
Wirklich ganz schwach, und dass das nicht an der Soundanlage des Kofmehls liegt, wurde im Folgenden schnell klar. Das war wirklich sehr schade, denn musikalisch fand ich das, was ich von Vein hören konnte, überaus vielversprechend. Sehr brutale Riffs, fette und aggressive Vocals und ein wirklich interessanter neuer Touch, definitiv nicht Hardcore, wie man ihn jeden Tag hört. Auch die Synthie-Parts haben viel Potential und bereichern die Musik, soweit ich das beurteilen kann. Ich will nicht allzu negativ sein, Vein sind im Ansatz sehr interessant und es wäre es wert, sie in guter Qualität anzuhören. Nur schade, dass man nichts von all den vielversprechenden Parts hören, geschweige denn geniessen konnte.
Bald schon war der Spuk durch, die drei bekloppten Violent-Tänzer im Publikum hatten sich wieder verzogen und es war Zeit für Every Time I Die aus Buffalo, New York. Halbe Sachen waren hier fehl am Platz, die Jungs legten sofort brutal los. Der Sound war zum Glück von Anfang an viel besser, es macht echt einen riesigen Unterschied, ob die Gitarren normal und nicht bis zur Unkenntlichkeit tiefergestimmt sind. Vom perfekten Sound waren wir allerdings immer noch weit entfernt, denn die cleanen Gesangsparts gingen immer wieder unter. Schade, zumal die Band ja selten saubere Vocals aufweist. Um die Energie hoch zu halten, rief uns Sänger Keith Buckley zu einem Circle Pit auf, und natürlich wurde brav Folge geleistet. Umso lustiger, dass die Band dann total den Einsatz verhaute und das Lied nochmals unter grossem Gelächter von allen Seiten starten musste. Sehr amüsant, man sieht, Hardcore und Spass gehen sehr wohl Hand in Hand.
Überhaupt überzeugten mich Every Time I Die von Anfang an sehr. Ihre Mischung aus Hardcore- und Rock’n’Roll-Einflüssen, gesprenkelt mit ein paar komplett durchgeknallten Parts machte tierisch Spass. Die Songs sind unglaublich abwechslungsreich, mal kommt ein absolutes Slam-Brett, dass alles und jede*n weghaut, dann folgt ein verspieltes Rock’n’Roll-Riff, etwas Stoner, etwas Mathcore und irgendwie schafft die Band es, dass alles unverkennbar nach Every Time I Die klingt. Die Beschreibung meines Kumpels, „als ob The Dillinger Escape Plan versuchen, ein Turbonegro-Lied zu spielen“, trifft den Nagel auf den Kopf. Die Leute im Kofmehl schienen auf jeden Fall Spass zu haben und es war sehr gut Bewegung im Haus. Mich begeisterten Every Time I Die erneut voll und ganz, man kann dazu kaum stillstehen und man sieht den Jungs zu jeder Minute an, wie viel Spass sie da auf der Bühne haben. So soll das sein.
Das abschliessende „Map Change“ gab uns allen nochmals den Rest und schon war leider Schluss. Damit hiess es „Bühne frei“ für den heutigen Headliner, die mächtigen While She Sleeps. Mit einem düsteren Intro betraten die Jungs aus Sheffield unter tosendem Jubel die Bühne und legten ohne Rücksicht auf Verluste mit „Anti-Social“ los. Was für eine Macht, die Meute im Kofmehl war augenblicklich im Bann der Band. Nun stimmte der Sound, mit stellenweiser Ausnahme vom Gesang konnte man alles perfekt hören. While She Sleeps schienen gut aufgelegt zu sein und mit Songs wie „I’ve Seen It All“ und „Civil Isolation“ hatten sie das Publikum in ihrer Hand. Der Moshpit reichte vom Bühnenrand bis zum Mischpult und die Leute drehten kollektiv durch. Es gab Circle Pits und Walls of Death, dass es eine Freude war.
Die Energie seitens der Band war ansteckend. Doch niemand reichte an das Level von Sänger Lawrence Taylor heran, der wie ein Wilder über die Bühne tigerte, nur um sich dann ab und zu ohne Vorwarnung in die Hände des Publikums zu werfen. Zur Spitze wurde dies beim etwas geradlinigeren und melodiösen „Empire Of Silence“ getrieben. Da liess sich Taylor kurzerhand bis zum Mischpult tragen, von wo aus er auf die Balustrade kletterte, da freudig zwischen den ungläubigen Fans durchlief und sich schlussendlich auf das Geländer stellte. Dies löste natürlich bei den Leuten unterhalb im Raum begeisterte und ungläubige Blicke aus, und nur wenige Momente später stürzte sich der durchgedrehte Frontman aus etwa zwei Metern Höhe in die Menge. Wahnsinn. Wirklich geil, wie diese Band die Leute zu unterhalten vermochte und wirklich jede*n zum Tanzen, Moshen und Abgehen animierte.
Die Setlist war ein bunter Mix aus der Karriere der Jungs, der Fokus lag auf den aktuelleren Alben „So What?“ und „You Are We“. Mit „Death Toll“ gab es einen älteren Knaller vom 2012er Debütalbum. Bei „Four Walls“ wurden wir aufgefordert, unsere Handylichter und Feuerzeuge anzumachen, wobei die romantische Atmosphäre natürlich nicht all zu lange anhielt. Vor dem finalen Song begrüsste die Band dann noch eine junge Dame, die nicht nur ihren 25. Geburtstag feierte, sondern die auch zum nunmehr 25. Mal an einem While She Sleeps Konzert war. Sie wurde auf die Bühne geholt und wirkte, als wären gerade alle ihre Träume wahr geworden. Sehr schön zu sehen, und Bands, die so mit ihren Fans interagieren, sind einfach unfassbar sympathisch. Mit „Hurricane“ wurde nochmals alles abgeräumt, das ging unendlich gut ab, alle drehten durch.
Danach natürlich Zugaben. While She Sleeps bedankten sich erst ordentlich bei uns für das schöne Konzert, was die lieben Leute im Kofmehl natürlich zu schätzen wussten. Und mit dem kolossalen „Silence Speaks“ gefolgt vom genialen „You Are We“ war dann wirklich Schluss. Was für ein fantastisches Konzert. While She Sleeps überzeugten mich auf ganzer Bandbreite. Ich, der ich nicht immer der grösste Metalcore-Fan bin, hatte hier wirklich tierischen Spass. Musikalisch wird mein Herz zwar immer mehr für Every Time I Die schlagen, deren Show heute der Hammer war, aber die Jungs aus Sheffield boten uns wirklich eine Darbietung der Extraklasse, das war Next Level. Im Endeffekt tat nicht einmal der stellenweise grauenhafte Sound diesem grandiosen Konzertabend einen Abbruch, denn durchgerockt wurden wir allemal.
Setlist [Quelle: setlist.fm]
1. Anti-Social
2. I’ve Seen It All
3. Inspire
4. Civil Isolation
5. Trophies of Violence
6. Brainwashed
7. Set You Free
8. Fakers Plague
9. Empire of Silence
10. Death Toll
11. Four Walls
12. The Guilty Party
13. Hurricane
Zugaben
14. Haunt Me
15. Silence Speaks
16. You Are We
Text: David Spring