The Hall – Dübendorf
Freitag, 8. November 2024
Text: Nathalie Lobsiger / Bilder: Melissa Mangold
An diesem kühlen und nebligen Herbstabend gab es fast nichts Passenderes als in The Hall in Dübendorf zu pilgern, um den mystischen Klängen von Wardruna zu lauschen.
Für diejenigen, die die Band noch nicht kennen: Wardruna ist ein norwegisches Musikprojekt, das 2003 von Einar «Kvitrafn» Selvik, Gaahl und Lindy-Fay Hella gestartet wurde. Es konzentriert sich auf nordische Folkmusik mit traditionellen nordischen Instrumenten, Mission ist die Erkundung und Erweckung der Erinnerung an die «nordische Spiritualität und Weisheit». Für Ihre Musik verwenden Wardruna sehr alte und historische Instrumente, wie z. B. einfache Rahmentrommeln, Saiteninstrumente, wie Tagelharpa oder Kraviklyra, Maultrommel und Blasinstrumente wie die Lure oder Ziegenhörner.
Die Fans standen durch das ganze Foyer vor dem Merchstand an, um sich eines der schönen Hoodies oder T-Shirts zu gönnen und als Konzerterinnerung mit nach Hause zu nehmen. Vertreten waren alle Altersklassen und auch Outfit-technisch war von Jeans und Turnschuhen bis zu Mittelalter- oder Wikingergewandung alles vertreten.
Beim Betreten der Konzerthalle prangte einzig das Wardruna-Logo auf der Bühne. Man mag sich fragen, was dieses bedeutet – es lässt sich als «Wissenshüter der Runen» oder «Runenhüter» übersetzen. Die Spannung stieg und pünktlich um 20.30 Uhr betraten Einar und seine Band die Bühne.
Das Intro atmosphärisch mit lebhaften Visuals und den ersten Klängen des Songs «Kvitraven» mit dem charakteristischen Rabenruf vom gleichnamigen, im Jahr 2021 erschienenen Album. Der Name bedeutet übersetzt «weisser Rabe» und ist gleichzeitig der Künstlername von Einar Selvik. Das Publikum lauschte gebannt den Klängen, die Stimme von Lindy-Fay Hella glockenhell und eindringlich, das Licht auf der Bühne spärlich mit punktuellen Schatteneffekten. Der Vogelgesang kündigte nach ein paar Stücken dazwischen den grossartigen Song «Solringen», nach dem gleichnamigen skandinavischen Brauchtum, an. Das Lied betont die Bedeutung des «Sonnenrings» beim Erwecken der Natur aus ihrem Schlaf und dem Einläuten neuer Lebensphasen. Der mehrstimmige Gesang und der mantramässig wiederkehrende Refrain verliehen diesem Stück etwas Magisches. Es erklangen bald darauf immer lauter werdende mehrstimmige Gesänge, die Stimme von Einar sehr tief und drängend – «Lyfjaberg», der Songtitel steht für die heilende Kraft der Natur, dazu wird als Visual der Umriss eines Berges skizziert. Während der gesamten Darbietung hatte man das Gefühl, einer Kunstperformance beizuwohnen, perfekt inszeniert und bebildert und sehr passend zur gebotenen Musik. Der Song «Himinndottir» (Himmelstochter) von der letzten Singleauskoppelung «Hibjornen», die Ende Oktober veröffentlicht wurde, erklang und wurde mit viel Freude vom Publikum gewürdigt. Das perkussionslastige Stück mit den chorartigen Gesängen vermochte Gänsehaut zu erzeugen.
Nach Ende des regulären Sets richtete Einar das Wort ans Publikum und bedankte sich für den Applaus, der fast nicht enden wollte. Dass es da was Altes geben würde, dass in uns allen nachhallen würde, dass wir darum diese Art von Musik auch in der heutigen Zeit noch mögen würden und dass es bei der Vergangenheit darum gehe, daraus zu lernen und diese nicht zu kopieren. Die Tradition des Singens sei in Norwegen sehr verbreitet und in früheren Zeiten hätte man zu jeder Gelegenheit gesungen, es gab Lieder für Geburten, für die Ernte und Lieder, um die Toten zu ehren. Eines davon wolle er uns nun spielen. Es erklangen die ersten Noten von «Helvegen», einem sehr rührenden Stück, das nicht nur von kleinen Pyroeffekten untermalt, sondern richtiggehend zelebriert und in die Länge gezogen wurde. Als das Publikum Wardruna danach immer noch nicht gehen lassen wollte, erwähnte Einar, dass er ja für die Serie «Vikings» die Musik komponiert habe. In diesem Zusammenhang erzählte er ausführlich über skaldische Dichtung und vom legendären Wikingerhelden Ragnar Lodbrok. Die Überlieferung der Sage, wie dieser in England in eine Schlangengrube verbannt und so zum Tode verurteilt wurde, war die Grundlage für den Text zum folgenden Song «Snakepit Poetry», den Einar dann auf sehr rührende und beinahe persönliche Art und Weise vortrug. Nach einem weiteren tosenden Applaus ging das Licht im Konzertsaal an und der ganze Zauber war vorüber.