25. Juni 2019
Hallenstadion – Zürich
Band: Tool
Lange ist’s her. Ganze 13 Jahre mussten sich die Schweizer Fans der Prog-Metal-Giganten Tool gedulden. Am vergangenen Dienstag war es soweit: Tool brachten das Hallenstadion Zürich ordentlich zum Beben.
Das Licht geht aus. Ein Heptagon ziert das Bühnenbild und leuchtet zu einem hypnotischen Beat. Das lange Warten hat ein Ende! Tool eröffnen ihr lang ersehntes Konzert auf Schweizer Boden. Mit dem Song „Ænema“ sorgte das Quartett aus Los Angeles für ein lautes Aufschreien im Hallenstadion und zog seine langjährige treue Gefolgschaft gleich in seinen Bann. Erstaunlich, wie sich eine Band eine Auszeit von 13 Jahren nehmen und dann plötzlich wieder in einem prall gefüllten Hallenstadion ein Konzert spielen kann.
Tool ist definitiv keine 08-15-Band! Die Jongleure der unregelmässigen Takte sind ziemlich einzigartig. Mit neutralen Viervierteltakten gibt sich die Band selten ab, und trotzdem sind ihre Songs enorm catchy und lösen die unterschiedlichsten Emotionen und Stimmungen aus. Das sieht man auch an den Konzertbesuchern. Einige sind in Ekstase, bereits in eine völlig andere Welt abgedriftet, und lauschen mit geschlossenen Augen den Klängen der Prog-Götter. Wiederum andere versuchen mit Kopfnicken und Getrommel an ihrem Körper den komplexen Rhythmen auf die Schliche zu kommen und zu verstehen, was da eigentlich genau abgeht. Kein leichtes Unterfangen, besonders wenn immer wieder eine Gruppe Securitys mit schwenkender Taschenlampe und erhöhtem Schritttempo an einem vorbeizischt. Grund dafür: An dem Abend herrscht ein eisernes Regime im Namen des Urheberrechtsschutzes. Sämtliche Aufnahmen mit Smartphones oder ähnlichem wurden von der Band strengstens untersagt und es wird sogar angedroht, es könne zum Konzertabbruch führen.
Glücklicherweise ist dies nicht der Fall und die Amerikaner schmettern Songs wie „The Pot“, „Schism“ oder „Jambi“ durch das Hallenstadion. Tool verstehen es, in ihren Werken mit dynamischen Melodien und Rhythmen auf einen Höhepunkt abzuzielen und somit den Spannungsbogen aufrecht zu erhalten. Ebenfalls wirkt es so, als hätten sie sich ihre Setlist genau durchdacht. Eine permanente Steigerung ist nicht nur anhand der Songs spürbar, sondern auch in den visuellen Effekten. Immer heftiger wird die Lightshow und auf den riesen Screens kommt das atemberaubende Artwork und die abstrakten Figuren, welche der Kreativität des Gitarristen Adam Jones entspringen, immer mehr zur Geltung.
Dass Tool in den vergangenen Jahren an neuen Songs gearbeitet haben, beweisen sie, indem sie die beiden neuesten Stücke „Descending“ und „Invincible“ dem Publikum präsentieren. Zwei Songs, die bereits vor einigen Monaten in der Musikszene für Aufregung gesorgt haben.
Und plötzlich wird es ganz still auf der Bühne. Auf den Monitoren ist bloss noch die Zahl „12:00“ zu sehen, welche im Sekundentakt rückwärts gegen Null abläuft. Ein Timer, doch wofür? Ist es eine Pause? Oder dauert das Konzert noch genau 12 Minuten? Eine grosse Verwirrung ist in den Gesichtern der Konzertbesucher wahrzunehmen. Schnell wird klar, es handelt sich um einen kurzen Konzertunterbruch – eine kleine Verschnaufpause. Wer darf das, wenn nicht Tool? Viele Konzertbesucher nutzen die Gelegenheit, um schnell das Klo aufzusuchen, sich ein frisches Bier zu holen oder rasch eine Zigarette zu qualmen.
Laut werden die letzten zehn Sekunden erwartungsvoll vom Publikum mitgezählt, und unter tosendem Applaus erscheint auf der Bühne die Information „August 30th“. Die lang ersehnte Bestätigung für das neue Album der Prog-Metal-Virtuosen, dessen Erwartungen nach all den Jahren enorm hoch sein dürften. Die Frage, ob es seinem Vorgänger „10’000 Days“ das Wasser reichen kann, wird sich in knapp zwei Monaten zeigen.
„Thank you Zurich! This city has always been like a second home to us. You‘re now allowed to take out your cell phones and film this next song if you want.“
Wie war das? Maynard James Keenan gestattet tatsächlich das Filmen an einem Tool Konzert?! Gesagt, getan. Zu Dutzenden erheben sich die leuchtenden Bildschirme und richten ihre Linsen gegen die Bühne, von der nun zahlreiche grüne Laserstrahlen an die Decke des Hallenstadions projiziert werden. Der Song „Stinkfist“ machte den Abschluss einer Show der Superlative. Ob man die abstrakte Kunst der Amerikaner mag oder nicht, ist und war schon immer Geschmackssache. Wobei sich aber alle einig sind, dass Tool ihr Handwerk beherrschen und ein beinahe ausverkauftes Hallenstadion nach 13 Jahren absolut gerechtfertigt ist.
Setlist [Quelle: Setlist.fm]
1. Ænema
2. The Pot
3. Parabol
4. Parabola
5. Descending
6. Schism
7. Invincible
8. Intolerance
9. Jambi
10. Forty Six & 2
[12 Minutes Break]
11. CCTrip
12. Vicarious
13. (-) Ions
14. Stinkfist
Text: Patrick Bottarella
Bilder: Christian Wölbitsch