8. Juli 2021
Plaza – Zürich
Band: Sam Himself
Screenings: Johnny Cash / Van Morrison / Talk Talk
Website: Timeless Festival
Montreux Jazz Festival 1994: Johnny Cash versucht seiner geliebten June Carter nach dem gemeinsamen Song ein Küsschen zu geben, verfehlt aber ihre Backe. Ich war hautnah dabei – gestern in Zürich. Die tiefe Verbundenheit der beiden Menschen zueinander und zur Musik überwältigt mich. Und Cashs wunderbare Stimme! Sein turbulentes Leben hat das Gesicht des erst 62-Jährigen tief geprägt, lässt ihn deutlich älter erscheinen. Doch seiner Stimme und dem Feuer in seinen Augen konnte es nichts anhaben.
Bevor allzu melancholische Gedanken aufkommen können, wird die grosse Leinwand eingerollt und gibt die Bühne frei für Sam Himself und seine Band. Mit ihrem vollmundigen „Fondue-Western-Sound“ holen die gut gelaunten Jungs das musikhungrige Publikum nahtlos in die Gegenwart. Die tiefe Stimme des New Yorkers aus Basel nimmt es locker auf mit dem grossen „Man in Black“.
Im zweiten Teil des Screenings betritt Van Morrison die Bühne in Montreux. Hält er die Augen fast immer geschlossen, weil ihn das grelle Licht blendet, oder gibt er sich einfach ganz seiner Musik hin? Und dann Talk Talk – die Könige der 80er Jahre, deren Einflüsse bis heute hörbar sind. Mark Hollis beugt sich mit verschwitzten Haaren über das Mikrophon und trägt eine dunkle Sonnenbrille – vielleicht um geweitete Pupillen zu verbergen?
Und wieder Sam Himself: Endlich überwindet auch das Zürcher Publikum seine Hemmungen, steht auf und tanzt. Es fühlt sich an wie eine Befreiung. Wie schön, wieder einmal von einer wilden Tänzerin angerempelt zu werden, zu lange ist es her! Zum Schluss ein besonderer Leckerbissen: „What It‘s Worth“, die Single, die heute erscheint!
Wie glücklich Live-Musik macht, ist bekannt. Aber dass mich auch Aufnahmen des Montreux Jazz Festivals direkt im Herzen treffen, hätte ich nicht für möglich gehalten. Grossleinwand und perfekter, lauter Sound ziehen das Publikum direkt rein, die Leidenschaft der Musiker und ihre Kunst verursachen tiefe Gefühle und das eine oder andere Tränchen. Schon der zusammengeschnittene Vorspann mit Künster:innen wie Nina Simone, Prince, Aretha Franklin oder Marvin Gaye haut mich vom Hocker. Die Archivaufnahmen mit Livemusik zu verbinden, ist eine geniale Idee. Ich kann nicht genug davon kriegen, die Show hätte von mir aus noch Stunden dauern dürfen. Wahnsinn gern möchte ich Prince auf der Bühne sehen.
Text: Nicole Müller