7. Februar 2020
Z7 – Pratteln
Bands: Thy Art Is Murder / Carnifex / Fit For An Autopsy / Rivers Of Nihil / I Am
Nicht allzu oft wird die Metal-Gemeinde mit einer Tour beglückt, die es so in sich hat. Gleich fünf der brutalsten und härtesten Bands unserer Zeit spielten am Freitag im ausverkauften Z7. Allen voran natürlich die Death-Metal-Giganten von Thy Art Is Murder aus Australien.
Da ein Abend mit so vielen Bands zwangsläufig etwas früh zu beginnen hat, verpasste ich leider die ersten Songs des Openers I Am aus Dallas, Texas. Schade, denn was ich von den fünf Herren hören konnte, machte Bock auf mehr. Die Songs überzeugten mit erdrückend schweren Riffs, durchgedrehten Vocals und überraschenden Melodien, die stellenweise, wenn nicht gleich an NWOBHM, dann doch an die Big Four des Thrash Metals erinnerten. Interessante Mischung, von I Am liebevoll „Texas Death“ genannt. Das Z7 war gut gefüllt und es gab ordentlich Jubel und Applaus. Ein würdiger Einstieg in den heutigen Abend, die Stimmung war dank den brutalen und zum Teil Sludge-mässig langsamen, erdrückenden Riffs schon ordentlich aufgeheizt.
Bald darauf ging es mit einer der Bands, auf die ich mich heute besonderes gefreut hatte, weiter: Rivers Of Nihil. Schon viel von den fünf Jungs aus Reading, Pennsylvania gehört, bin ich bisher noch nie in den Genuss ihres Technical Death Metals gekommen. Umso grösser dann gleich die Freude, als ich merkte, dass es sich hier um eine äusserst talentierte und interessante Band handelt. Der Sound war unglaublich fett und heavy, und zeigte ein hohes Mass an Finesse, progressiv angehauchten Passagen, sphärischen Melodien und grossartigen Gitarrensolos. Sänger Jake Dieffenbach überzeugte mit einer beeindruckenden Palette an extremen Gesangstyles, von Pig Squeals bis hin zu abgrundtiefen Growls war alles dabei. Es gab sogar einen kleinen, aber intensiven Circle Pit, denn Rivers Of Nihil vermochten nicht nur mich, sondern die meisten Leute im Z7 schon ordentlich zu begeistern. Viel zu schnell war der Spass dann vorbei, schade, diese Band hätte von mir aus gerne länger spielen dürfen.
Nach einer kurzen Verstärkung am Food-Stand ging es ohne Verschnaufpause mit Fit For An Autopsy weiter. Die sechs Herren aus New Jersey legten mit brutalem, groovenden Deathcore los und hatten das Publikum im Z7 sofort im Griff. Das ging live sehr gut ab, die erdrückend schweren Riffs und aggressiven Growls machten Spass und luden zum munteren Headbangen ein. Zwar fehlte mir im Vergleich zu den Vorgängern die Abwechslung, klang doch alles sehr ähnlich, aber live kam man nicht umhin, die Fäuste in die Luft zu recken und ordentlich abzugehen. Bisher fand ich Fit For An Autopsy auch musikalisch dem heutigen Headliner am nächsten, die Breakdowns und Riffs erinnerten immer mal wieder an die Australier. Mir gefiel das auf jeden Fall immer besser und die Band um Sänger Joe Badolato war sehr gut darin, die Leute zu animieren und zum Mitmachen zu bewegen. Und spätestens bei den letzten beiden Songs, „Heads Will Hang“ und „Black Mammoth“ gab es dank dem unbändigen Groove der Band viel Bewegung im Publikum.
Ich war begeistert zu sehen, wie viele Leute an diesem Abend von Anfang an voll dabei waren, wie alle geschlossen hinter den fünf Bands standen, die uns allen eine geballte Ladung Metal schenkten. Das Z7 zeigte sich einmal mehr als das unangefochtene Mekka für diese Art von Musik. Der Sound war glasklar, selbst bei sehr tiefgestimmten Gitarren, die Umbauten erfolgten in Windeseile und dank den zwei Bars musste man auch nie lange auf ein Bier warten.
Weiter ging es mit den Kaliforniern von Carnifex. Nicht weniger brutal als die Bands bisher, brachten sie die Leute sofort in Bewegung. Sänger Scott Ian Lewis überraschte mich mit seiner abwechslungsreichen Stimmgewalt und verstand es wundervoll, die Leute aufzuheizen. Immer wieder forderte er uns auf, zu springen oder Leib und Leben in immer grösser werdende Circle Pits einzubringen. Mit gewaltigen Brettern wie „Slow Death“ oder dem rasanten „Hatred And Slaughter“ fiel dies nicht schwer, da waren für wilde Mosh Pits keinerlei Aufforderungen nötig. Womit mich Carnifex am meisten überzeugten, waren die fantastischen Gitarrensolos, die sie mehr als gekonnt einzusetzen wussten. Zwischen den Blastbeats und der brutalen Wand von tiefschwarz gefärbtem Death Metal brachten diese Solos genau das nötige Mass an Melodie und Abwechslung, um mich zu begeistern. Cory Arford und Neal Tiemann, welcher kurzerhand für Jordan Lockrey, der die Band erst letzten Monat verliess, eingesprungen war, gaben an ihren Gitarren wirklich alles. Carnifex begeisterten mich auf ganzer Länge, unglaublich brutal und aggressiv, dabei äusserst motiviert und sympathisch. Spielerisch auf höchstem Niveau mit Liedern, zu welchen man unmöglich stillstehen konnte. Mit dem abschliessenden „Hell Chose Me“ gaben alle, vor und auf der Bühne, nochmals Vollgas. An Aggression und Brutalität kaum zu überbieten, liessen die Kalifornier hier kein Stein auf dem anderen.
Ich fühlte mich wie am Ende eines Konzertabends, vier ultra-harten Deathcore Bands verlangen einem doch einiges ab. Doch Schluss war noch lange nicht, das Line-Up an diesem Abend hatte es echt in sich. Zum Glück waren sich dies die Jungs von Thy Art Is Murder bewusst, denn in der Umbau-Pause gab es nicht noch mehr Metal ab Band, sondern Pop- und Rockmusik von früher. Von Queen über Justin Timberlake, bis zu Little Richard war da alles dabei. Ich fand das unglaublich amüsant und sympathisch, erst recht, als dann als Intro-Tape nichts anderes als „We Like To Party“ von den Vengaboys gespielt wurde. Besser kann man auf ein Thy Art Is Murder Konzert eigentlich gar nicht eingestimmt werden.
Dann war aber Schluss mit Lustig, und mit „Death Squad Anthem“ waren sie endlich hier. Was für eine Macht diese Band live ist. Sänger CJ McMahon wie ein Fels in der Brandung, hinter seinem, mit Knochen behangenen Mikrofonständer. Schlagzeuger Lee Stanton hoch oben umgeben von grossen Screens und vor der Bühne das absolute Chaos. Spätestens nach dem zweiten Song, dem fantastischen „Make America Hate Again“, waren wirklich alle Leute im Z7 bis weit hinter das Mischpult am Durchdrehen. CJ bewies seinen berühmten Australischen Humor, als er uns mit den Worten: „You are some rich motherf***kers, throwing money at us here, but please don’t hit our faces, we’re ugly enough“, begrüsste. Genau das gewisse Mass an Leichtigkeit neben all dem unglaublich harten Deathcore-Sound der Band macht es aus, dass ich Thy Art Is Murder so klasse finde. Die Band ist mit Abstand eine der brutalsten, die ich auch regelmässig höre.
Mit Brettern wie „Human Target“ und “Eternal Suffering“ war wieder fertig mit Lachen, der Sound so intensiv und heftig, dass niemand im Z7 still stehen konnte. Auch die Lichtshow der Band hatte es in sich, auf den drei Bildschirmen wurden stets verstörende Bilder und Farben gezeigt, manchmal in starkem Kontrast zu der düsteren Musik. „Dear Desolation“ zum Beispiel, tauchte die Bühne in grelles Pink und Hellgrün, was mit dem bedrohlichen Bandlogo auf dem Backdrop speziell angsteinflössend wirkte. Hier bot man echt keine halben Sachen, auch wenn man sich vielleicht fragen mag, ob so eine Materialschlacht überhaupt nötig wäre.
CJ bedankte sich ausufernd bei uns, zum einen dafür, dass wir überhaupt alle hier waren, obwohl seiner Meinung nach der Hype um seine Band doch schon lange abgeflacht sei, zum anderen dafür, dass wir ihnen hier ihre bisher grösste Headline-Tour ermöglicht haben. Wie gesagt, Thy Art Is Murder sind sympathisch. Mit dem brutalen „Puppet Master“ und dem abschliessenden „Reign Of Darkness“ waren wir am Ende angelangt. Das Publikum drehte noch einmal komplett durch und alle sangen lauthals mit. „Chemical Christ“ als Zugabe, doch nach über fünf Stunden Deathcore und brutalster Musik war danach wirklich Ende Feier. Thy Art Is Murder bewiesen eindrucksvoll, dass sie unangefochten zu den Meistern ihres Fachs gehören. Aber auch die vier anderen Bands heute vermochten mich durch und durch zu überzeugen, im Speziellen Rivers Of Nihil und Carnifex. Es war eine Tour de Force an diesem Abend, aber so gehörig durchgerockt und auf härteste und aggressivste Art unterhalten, wurde ich schon lange nicht mehr.
Setlist [Quelle: setlist.fm]
1. Death Squad Anthem
2. Make America Hate Again
3. The Purest Strain Of Hate
4. Human Target
5. Eternal Suffering
6. Dear Desolation
7. Fur And Claw
8. Holy War
9. New Gods
10. The Son Of Misery
11. Puppet Master
12. Reign Of Darkness
Zugabe
13. Chemical Christ
Text: David Spring
Bilder: Philipp Reinhard