13. Juni 2018
KIFF – Aarau
Bands: Thrice / Brutus
Viele Jahre ist es her, seit Thrice zuletzt eine Schweizer Clubbühne betreten haben. Dementsprechend erwartungsvoll sind die Wartenden, die vor dem KIFF die letzten Abendsonnenstrahlen geniessen oder sich im heissen Saal von Brutus einstimmen lassen. Brutus sind zu dritt, kommen aus Belgien und spielen sich gerade quer durch Europa. Vor drei Wochen erst waren sie bereits im Vorprogramm von Russian Circles in Zürich anzutreffen, am 28. Juli 2018 eröffnen sie für Chelsea Wolf im Mascotte.
Die Stimme der Sängerin, welche gleichzeitig auch Drummerin der Band ist, ist durchaus beeindruckend, geht jedoch beim Dröhnen des Basses und dem stetigen Einsatz des Doublebass beinahe unter. „Ein Meteorschauer von Musik“ nennt sich Brutus auf ihrer Homepage, was eine treffende Metapher ist für das, was man im KIFF zu hören bekommt. Zwischen den lauten, nahezu anstrengenden Parts lässt es das Trio manchmal auch ruhiger, nahezu minimalistisch angehen, wechselt dann jedoch schnell wieder in monumentale Black-Metal-Schemen. Den Gästen scheint es zu gefallen, denn der Saal bleibt bis zum Schluss gut gefüllt.
Thrice eröffnen mit „Hurricane“, einem Song ihres letzten Albums „To Be Everywhere Is To Be Nowhere“. Passend, da es zumindest in manchen Teilen der Schweiz die letzten Tage mehr geregnet hat, als dass Sommergefühle aufkommen konnten. Doch die Befürchtung wohl mehrerer Konzertbesucher, die Setlist würde mehrheitlich aus Songs der neuen Alben bestehen, bewahrheitet sich nicht – das Quartett aus Irvine, Kalifornien spielt sich an diesem Abend quer durch die Bandgeschichte. Allein „Identity Crisis“, ihr allererstes Studioalbum aus dem Jahre 2000, wird ausgelassen. Doch die in den letzten 14 Jahren eingespielten Alben kommen alle relativ ausgeglichen zum Zuge und für alle, die Thrice für ihre Punk-, Hardcore- und Emo-Einflüsse lieben gelernt haben, ist an diesem Abend genug mit dabei. Und jeder angespielte Song, egal ob „Of Dust and Nations“ und „Hold Fast Hope“ von 2005, „Firebreather“ und „Deadalus“ aus dem 2007 und 2008 in zwei Hälften erschienenen und aus vier Teilen bestehenden Konzeptalbum „The Alchemy Index“ oder Songs der Alben „Beggars“ aus dem Jahre 2009 oder „Major/Minor“ von 2011, wird vom Publikum aufgegriffen und mitgesungen.
Allein „The Grey“, die neue Single, welche vergangene Woche erst erschienen ist, scheint auf wenig Begeisterung zu stossen. Songwritingtechnisch ist „The Grey“ etwas enttäuschend, da der Song nicht aufzugreifen scheint, was sich Thrice in den letzten Jahren musikalisch erarbeitet haben. Die Band, welche mit ungeraden Rhythmen, wechselnd zwischen Harmonien und sowohl ruhigen, reduzierten wie auch kraftgeballten Parts experimentiert und sich bereits von allen möglichen Seiten gezeigt haben, steckt sich mit „The Grey“ selbst in eine Schublade, in die sie eigentlich nicht gehört. Auch lyrisch wiederspiegelt die neue Single nicht, was Sänger Dustin Kensrue diesbezüglich auf dem Kasten hat.
„To Be Everywhere Is To Be Nowhere”, erschienen nach der vierjährigen – und, nebenbei bemerkt, bei einem Brand-New-Konzert beendeten – Bandpause, stösst auf gemischte Gefühle, denn auch wenn ein hoher Wiedererkennungswert besteht und Elemente früherer Alben aufgegriffen werden, so ist doch eine neue Richtung erkennbar. Die Setlist für den Abend im KIFF besteht jedoch mehrheitlich aus härteren Songs, was durchaus positiv aufgenommen wird. Musikalisch sind Topleistungen aller Bandmitglieder zu vermerken. Besonders das stimmliche Talent des Sängers beeindruckt, insbesondere, da dieser kaum Flüssigkeit zu sich nimmt zwischen den Songs. Und das, obwohl alle vier Musiker innert kürzester Zeit nassgeschwitzt sind. Gespräche und Ansagen ins Publikum sind auf ein Minimum begrenzt, es scheint, als würde jedes Fünkchen Energie in die musikalische Performance fliessen.
Nach einer kurzen Verabschiedung, dem obligatorischen Rufen und Klatschen in der Zwischenzeit und einigen Minuten Stille kehrt die Band auf die Bühne zurück und beginnt mit dem Song, auf den wohl alle gewartet haben: „The Artist In The Ambulance“, erschienen auf dem gleichnamigen Album aus dem Jahr 2003. Der eingängige Text wird mitgeschrien, einzelne Besucher lassen sich auf den Händen des Publikums durch den Saal treiben und in der Mitte öffnet sich ein kleiner Moshpit. Mich persönlich erinnert der Song an den Film „Lulu on the Bridge“ von 1998, mit Paul Auster als Drehbuchautor und Regisseur und Harvey Keitel in der Hauptrolle. Ob die Band selbst sich davon inspirieren liess – ich stelle es mir gerne vor.
Wer sich gegen die Foo Fighters und gegen Arcade Fire entschieden und an diesem Mittwoch Geld für ein Zugticket nach Aarau ausgegeben hatte, bereute dies definitiv nicht. Meine persönlichen Erwartungen an das Konzert wurden übertroffen, und der Stimmung im Saal nach zu urteilen stehe ich mit diesem Fazit nicht alleine da. Lässt sich nur hoffen, Thrice lassen sich diesmal weniger lange Zeit, bis sie ihren Weg zurück in unser Land finden!
Text: Sarah Rutschmann