Datum: 11. September 2013
Ort: Letzigrund – Zürich
Bands: Roger Waters
Eine – grob geschätzt – gut 100 Meter breite und über 10 Meter hohe Wand aus weissen Blöcken, die während des ersten Teils der Show von Pink Floyd Mitgründer, Roger Waters, und seiner Show „The Wall“ im Letzigrund Stadion aufgebaut wird, entlockt mir im ersten Moment nur ein Wort – Gigantismus!
Was Roger Waters da im Stadion vollführte, hatte für mich nichts mit einem üblichen Rockkonzert zu tun, sondern war eine überdimensionale Openair Kino-Vorstellung. Denn hauptsächlich wurden dem Publikum Bilder und Botschaften auf dieser riesigen Wand gezeigt, die via 41 Videoprojektoren auf deren Oberfläche gebeamt wurden.
Bereits im Vorfeld sprachen alle Pink Floyd Fans, alt-Siebziger und junge Weltbürger, von der Show überhaut und dass es das Beste sei, was je live zu sehen war. Grosse Worte, das musste ich mir, als Kind der Siebziger, aber ohne vernebelte Pink Floyd Vergangenheit, erst mal selber ansehen. Und man staune, es ist gross, verdammt gross sogar. Aber was kommt noch?
Zu Beginn der Show der Übergrössen und Superlativen sind bereits rechts und links vor der riesigen Bühne die Grundsteine der Mauer gelegt. Im Verlauf des ersten Showteils wird diese zur kompletten Wand zusammengefügt. Die Live-Band und die Bühne dahinter verschwinden zusehends. Roger Waters ist der Hauptakteur des Geschehens. Schon sein erster Auftritt mit geschwellter Brust und in die Höhe gestemmten Fäusten lässt erahnen, der Mann ist stolz auf sein Werk, auch jetzt noch, über 30 Jahre nach seiner Geburtsstunde. Und fürwahr, Stolz auf dieses Meisterwerk darf er sein. Das Doppelalbum war über Jahrzehnte die meistverkaufte Platte.
Und noch heute hat die Geschichte von „The Wall“ mit seiner Gesellschaftskritik nichts an Aktualität eingebüsst. Im Gegenteil, momentan ist das Thema wieder aktueller, denn je. Antifaschistisch, Antikommunistisch, Anti-Apartheid, Weltbürgerlich … um nur einige der Punkte aufzugreifen, die Waters übrigens selber sehr deutlich und verständlich in einem offenen Brief (siehe seine Webseite) beschreibt, als er von der Jüdischen Gemeinde her beschimpft wurde, mit der Verwendung des David-Sterns eine Anti-Semitische Haltung einzunehmen. Totaler Humbug.
Viel Anti, viel Politik und viele religiöse, sowie Wirtschafts-Symbole werden den Besuchern um die Ohren gehauen. Aber alles in genialster Dolby Surround Qualität – das war wirklich gigantisch, wenn die Helikopter und Kampf-Schwadronen direkt über das Stadion zu fliegen schienen. Und „Another Brick In The Wall“ einmal in dieser Qualität zu hören, hat sogar mir zeitweise Gänsehaut aufs Knie gezaubert (und das mit Yeti-mässigem Outfit und Kuscheldecke – es war kühl). Und nochmals ein „aber“ von mir, bin ich mir nicht sicher, ob diese unkommentierten Statements nicht einfach zu plakativ und verallgemeinert sind. Denn Herr Waters wird mit seiner Crew garantiert auch schon mal an einer Shell-Tankstelle gezapft haben und von irgendwoher kommt die ganze Technik und das Material, dass da Tonnenweise ins Stadion gekarrt wurde.
Zurück zur Show. Nebst dem Hammer-Sound und der Bildqualität in XXL-Dimensionen, war die Zeitverzögerung der Bildübertragung zum Ton etwas verwirrend. Einige Besucher neben mir waren leicht irritiert und unsicher, ob das denn nun auch live sei oder nicht. Schön fand ich, dass der Chor zu Beginn mit Kindern aus der Umgebung umgesetzt wurde. Die hatten den Auftritt ihres Lebens und bereits den ersten bemerkenswerten Eintrag in ihrem weiteren Musiker-Lebenslauf. Denn wer kann schon von sich behaupten, mit Pink Floyd eine Bühne geteilt zu haben.
Die Bilderflut war genauso überdimensioniert, wie eigentlich alles. Und so schön das Ganze anzusehen war, mir persönlich war es zu viel. Eine visuelle Reizüberflutung, welche die Musik in den Hintergrund rückte. Jeder Lichtfleck, jeder ausgeleuchtete Winkel war genau durchdacht, so dass die schönsten Lichteffekte sich im grauen Haar des Herrn Waters reflektierten. Und alle warteten natürlich auf die – schon wieder XXL – Hämmer, die dem Ende des Spektakels entgegen marschierten. Und zu guter Letzt wird die „fette Sau“ geschlachtet und die Wand niedergerissen. Grosses Kino mit viel Flash-Back Romantik für die meisten Besucher – seltsame Trips inklusive.
Text: Nicole Imhof
Bilder: Miriam Ritler