9. November 2019
Stall 6 – Zürich
Bands: Dawns Mystery / Annie Taylor / Alas The Sun
Talentierte Bands aus der DIY-Szene fördern und zu einer musikalischen Familie zusammenbringen – das ist die Vision von Piet Alder mit seinem Label Taxi Gauche Records. Drei der mittlerweile elf Bands spielten an der Label Night. Mit welcher dieser Perlen beginnen, ohne in Schnappatmung zu verfallen? Am besten einfach der Reihe nach.
Als erste sattelten Alas The Sun die Gäule und ersetzten das Dach des ehrwürdigen Stall 6 mit dem Nachthimmel über unendlicher Prärie. Ihr seidenfeiner Indie-Folk liess Sterne funkeln und Lagerfeuer knistern, ohne jemals in Klischees zu verfallen. Die wunderschön geschriebenen Songs projizierten zwar romantische Standardbilder, tauchten sie aber in das seltsame Licht ferner Galaxien und erzählten noch nie gehörte Geschichten. Eine Geschichte enthielten sie dem Publikum aber vor, weil die Gitarre dann doch schneller gestimmt war, als gedacht – nämlich den Witz mit dem Bär, der eigentlich gar nicht lustig sei. Ist es vielleicht jener, in welcher der Bär mit dem Jäger…? Dabei braucht es keinen Cliffhanger, um Alas The Sun bei nächster Gelegenheit wieder live sehen zu wollen. Dass die Band im vergangenen Sommer unermüdlich getourt ist, zeigt sich an der Harmonie und Leichtigkeit ihrer Show. Dem Herbst sei dank, hatten sie Zeit, ihr Debutalbum aufzunehmen.
Nach einer kurzen Verschnaufpause machten Annie Taylor jeglicher verträumter Tiefenentspannung ein jähes Ende und liessen die Gitarren in ihrer unverwechselbaren Art aufheulen. Die wilde Bande brachte den fast vollen Stall 6 zum tanzen und entzückte einmal mehr mit ihrem wunderbaren rockig-grungigen Sound. Annie Taylor reihten Lieblingslied an Lieblingslied, darunter “Not Yours”, “Wasted Youth” oder “17 Days” – der neueste Hit, den die Band in einem Clip verewigt hat. Schwierig war, den Kopf nicht zu sehr zu schwingen, um gleichzeitig dem Gitarristen Tobi Arn bei seinen Kunststücken zuzuschauen. In der Hitze der Show zog sich Schlagzeuger Jan Winkler unter ermunterndem Gebrüll des Publikums aus und Frontfrau Gini Jungi verletzte sich am Finger – um so besser, sagte sie, durch das Blut bleibe das Gitarren-Plättchen gleich am Finger kleben. Und meine Setliste wird in ein paar Jahren ein Vermögen wert sein – sie wurde durch einen Blutfleck der Teufelsbraut geadelt!
Und dann kamen die fabelhaften Dawns Mystery. Ihr Album “Before Life At The Sea Ground” läuft seit dem Release im Frühling bei mir in Endlosschlaufe und einige Melodien bekamen gar eine eigene Bedeutung: Wenn ich den Gitarrenlauf zu Beginn von “Dog Bowl” singe, sage ich damit “Lass uns ein Bier trinken”. Als erstes spielten die Jungs aber die Hymne “Charles Manson”, einen Song von ihrer ersten EP aus 2017. Unvergleichlich, wie Frontmann Flo mit seiner grossartigen Stimme “Pull The Trigger” in die Nacht hinaus schmettert! Das Publikum erklärte seine Liebe schon zu Beginn der Show mit Tanzen und tosendem Applaus und schien mit jedem der perfekt komponierten Lieder noch mehr zu kochen – bis die Crowd so erhitzt war, dass das Konzertende fast schon physische Schmerzen verursachte.
Was für eine Freude, wie die Schmuckstücke im Taxi-Gauche’schen Gravitationsfeld erblühen und gedeihen!
Text: Nicole Müller