5. März 2016
Z7 – Pratteln
Bands: Symphony X / Myrath / Melted Space
Es ist diese perfekt harmonisierende Mischung aus komplexen Songstrukturen und Aggressivität, die Symphony X zu Recht zur führenden Kombo macht, wenn man über Progressive Metal spricht. Nannte man vor 15 Jahren Dream Theater und Symphony X im gleichen Atemzug, muss man heute schon deutlich differenzieren. Die beiden Bands sind schlichtweg nur noch in wenigen Punkten vergleichbar. Während Dream Theater orchestraler und sanfter wurden, zeigten Symphony X mit ihrem letzten Album „Underworld“ ganz klar, dass man unbeirrt das Genre des Prog Metals anführen will.
Nun, was soll man sagen? Sie tun es auf eindrückliche Art und Weise. So gesehen am 5. März 2016 im Metal Mekka Z7. Hat man den letzten Gig von Symphony X noch in Erinnerung, als ein sichtlich betrunkener Russell Allen mit der respektvollen Zurückhaltung der Schweizer (Zitat Mike Portnoy mit Flying Colors) gar nicht zurechtkam und den Gig fast versaut hätte, zeigte sich diesmal eine wahrhaft gestärkte und nimmermüde Band mit einem gut gelaunten und nüchternen Front-Shouter.
Doch bevor das Spektakel losging, durften die Franzosen Melted Space den Abend eröffnen. Es ist mir selten passiert, dass ich fieberhaft nach einem Gehörschutz suchen musste, aber die Lautstärke der Opener war einfach grenzwertig. Musikalisch hatten Melted Space trotzdem Einiges zu bieten und man musste neidlos anerkennen, dass „la grande nation“ doch einiges mehr zu bieten hat als Bordeaux Weine und Baguettes. Naja, vielleicht hätte man sich fragen sollen, ob eine Symphonic Metal Band die richtigen Bühnenpartner von Symphony X sind, aber es passte trotzdem irgendwie.
Abwechslung brachten vor allem die vier Sänger und Sängerinnen, Ja, ihr habt richtig gelesen! Melted Space warteten gleich mal mit vier Vocalisten auf und spontan kam mir der Begriff „Dekadenz“ in den Sinn, denn andere, ebenso talentierte Musiker suchen krampfhaft nach nur EINEM singenden Frontmann (oder Frontfrau, natürlich) und da standen bescheidene vier auf der Bühne. Zwei Mädels und zwei Jungs teilten sich die Gesangsaufgabe und versuchten das Publikum auf ihre Seite zu ziehen. Dies gelang mal besser mal weniger gut. Aber eben, vielleicht lag es am Musikstil. Was ist hängen geblieben? Double Bass bis der Arzt kommt aber keine musikalischen Ereignisse, die mich richtig haben aufhorchen lassen.
Das altgediente Konzept „Vorband und Headliner“ erscheint mir immer noch als das Effektivste. Man wird von einer Reizüberflutung verschont und kommt unverblümt und ohne Verzögerung zur Sache. Drei oder auch vier Bands an einem Abend sind inzwischen keine Seltenheit mehr und auch an diesem Abend zeigte man dem Publikum drei Repräsentanten aktueller Metal-Kultur aus drei Kontinenten. Nebst Symphony X aus dem Land der unbegrenzten Eitelkeit und Melted Space vom heimischen Kontinent, mischten Myrath aus Tunesien mit und vertraten nicht nur den Afrikanische Kontinent, sondern wohl auch einen Kulturkreis, der im Moment viel Stoff zur Unterhaltung liefert.
In Zeiten wie diesen, wo Kriege im Nahen Osten, Flüchtlingskrisen oder islamischer Extremismus fast täglich die Nachrichten füllen, findet eine Tunesische Band vermutlich nicht die idealsten Voraussetzungen, um in einer christlich geprägten Gesellschaft Anerkennung finden zu können. Hiermit ist der kleine politische Ausflug auch schon wieder zu Ende und weiter geht es mit dem edelsten Kulturgut.
Myrath sind für mich Helden! Sie stehen zu ihren Wurzeln und verbinden traditionelle musikalische Elemente mit moderner und komplexer Musik. Und wisst ihr was? Sie tun es wirklich gut. Ja, besser noch als auf ihren Alben. Die Band konnte live absolut überzeugen und lieferte eine ausgesprochen gute Show ab. Wieso lustigerweise plötzlich die Bezeichnung „Helene Fischer Metal“ im Raum schwebte, kann ich nicht mehr nachvollziehen, aber zwischendurch waren Myrath eben schon ein wenig lieblich. Es ist wie eine orientalische Süssigkeit – einmal angeknabbert, kann man kaum damit aufhören und ich bin absolut überzeugt, dass Myrath mehr als nur einen bleibenden Eindruck hinterlassen konnte und dass der eine oder andere die Band hoffentlich weiter verfolgen wird. Verdient haben es die Tunesier auf jeden Fall. Nicht weil sie exotisch sind, nein, weil sie einfach gut sind!
Das Beste kommt am Schluss! Wie wahr, wie wahr! Im Gegensatz zu anderen Bands wie Monster Magnet, die problemlos vier Mal im Jahr die Schweiz bereisen, glänzen Symphony X erstmal mit Tour Abstinenz und lassen schon Mal locker vier Jahre verstreichen bevor sie wieder Schweizer Boden betreten. Erfreulich viele Gäste haben für den Samstagabend dann auch die richtige Entscheidung getroffen und sind nach Pratteln gepilgert, um die seltenen Gäste sehen und vor allem hören zu können. Nach der schon fast obligaten Ouvertüre legten Symphony X mit „Nevermore“, dem 1. Track des aktuellen Albums „Underworld“, los und liessen es ordentlich krachen. Eigentlich war die Setlist sehr einfach zu merken, denn man spielte „Underworld“ komplett durch. Da blieb nur noch Platz für vier Songs aus den Vorgänger-Alben und die waren gut gewählt.
Es ist immer wieder erstaunlich wie leicht und flockig Michael LePond und Michael Romeo ihre Instrumente spielen. Man ist geneigt, spielen mit spielerisch zu vertauschen, denn selbst übelst komplizierte Passagen spielen sie offenbar problemlos und ohne jede Anstrengung. LePond spielte stur immer noch denselben 4-saitigen Bass und zeigte eindrücklich, was aus vier Saiten herauszuholen waren. Natürlich sind auch Keyboarder Michael Pinella (der 3. M im Bunde) und Drummer Jason Rullo unverzichtbare Elemente der Band, auch wenn sie visuell zumindest halt in der zweiten Reihe stehen.
Vielleicht verscherze ich es mir gerade mit der Gitarristen-Fraktion, aber auch wenn ich Michael Romeos Gitarrenspiel über alle Masse respektiere und seine Arbeit als Komponist niemals in Frage stellen würde, muss ich sagen, dass er an diesem Abend eher der Abteilung „ferner liefen“ angehörte. Den Solis fehlte es einfach an Wärme und Emotion. Schnelles Gefrickel erster Güte, aber ich suche immer noch das eine wahre Element, das ihn unsterblich machen könnte – Tempo alleine ist es nicht. Und dennoch gehört Mr. Romeo zu den ganz Grossen und inzwischen auch zu den ganz Breiten.
Der wirkliche Star war aber wieder einmal Russell Allen, der so tadellos sang, als wäre es vom Band oder Sample gekommen. Besser als perfekt geht einfach nicht! Das war schlichtweg grandios was Allen da leistete. Gesang, Show, Gestik, Mimik, die Interaktion mit dem Publikum – es stimmte einfach alles und einmal mehr war ich versucht zu wünschen, dass ein James LaBrie auch mal so singen könnte. Klar, Musik ist Geschmackssache aber unbestritten ist Russell Allen einer der besten Metal Sänger, wenn nicht sogar der Herausragendste.
Fazit: Es gibt wohl kaum bessere Arten einen Samstagabend zu verbringen als einen Konzertbesuch im Z7, wenn Symphony X auf der Bühne stehen. Wie schon so oft musste ich gestehen, dass mich diese Band auch dieses Mal beeindrucken konnte. Freude machten auch Myrath, die wohl neben The Lions Sheppard zu den besten Nordafrikanischen Bands gehören. Als Folge lauten Mitsingens und Schreiens, neigte zudem meine Stimme leicht ins heisere Krächzen zu fallen, was man als eindeutiges Indiz des Wohlgefallens deklarieren konnte. Ach ja, und sexy musste sie erst noch geklungen haben (so zumindest liess ich es mir von nahe stehender Quelle versichern), aber lassen wir das.
Setlist [Quelle: setlist.fm]
01. Nevermore
02. Underworld
03. Kiss Of Fire
04. Without You
05. Charon
06. To Hell And Back
07. In My Darkest Hour
08. Run With The Devil
09. Swan Song
10. The Death Of Balance / Lacrymosa
11. Out Of The Ashes
12. Sea Of Lies
Zugaben:
13. Set the World On Fire (The Lie Of Lies)
14. Legend
Text: Daniel Baratte
Bilder: Daniel Strub