27. Juni 2016
Kofmehl – Solothurn
Band: Steve Vai
25 Jahre „Passion And Warfare“ – was für ein Album-Jubiläum! Grund genug, um auf Tour zu gehen und der Welt zu zeigen, dass man, also Mr. Steve Vai, immer noch zu den ganz grossen Saitenkünstler gehört. Mir ist keiner bekannt, der diese Behauptung nur ansatzweise versuchen würde zu dementieren und wer am 27. Juni im Kofmehl war, wird bestätigen, dass Vai eine Klasse für sich ist und dies wohl auch lange bleiben wird.
Die Heerscharen an Gitarristen, die nach Solothurn gepilgert sind, durften sich berechtigterweise auf den Auftritt eines der ganz grossen Gitarren-Götter des Planeten freuen. Steve Vai – Klampfenkönig und Saitenquäler, Klangkünstler und Sound-Fetischist – ein Konzertbesuch ist Pflichtübung für Gitarristen. Es ist immer wieder erstaunlich, was Vai aus seiner Ibanez (er spielt die Marke jetzt seit über 25 Jahren) herausholt und so wundert es nicht, dass er Vorbild und Wegbereiter vieler Musiker ist.
Steve Vai kam auf die Bühne, mit roten Laserstrahlen die aus seinen Augen zu kommen schienen und mit einer lichtreflektierenden Gitarre mit blau leuchtenden Inlays. Die Show ist schon mal gelungen und die charakteristische Klangwelt eines Steve Vai füllte alsbald das sehr gut besuchte, wenn auch nicht ausverkaufte Kofmehl. Schon alleine die Höhe des platzierten Mikrophones liess erahnen, wie gross gewachsen der Mann ist. Entsprechend lang sind auch seine Finger, die mit einer Leichtigkeit über das Griffbrett hinwegfegen, so dass man sich bald fragen könnte: was war zuerst? Die Gitarre oder Vai`s Finger? Auch immer wieder herrlich ist es, die Mimik des US-Amerikaners zu beobachten, die nur eines zeigt – Leidenschaft und Emotion für sein Spiel – ein Spiel mit Noten und Klängen.
Unterhaltsam waren auch die Videoeinblendungen und die vermeintliche Kommunikation mit den darin vorkommenden Darstellern, die gemeinsam Songs aus Vais Schaffen spielten. Einerseits spielte der Meister live auf der Bühne und anderseits spielten beispielsweise Joe Satriani, John Petrucci oder Brian May auf der Leinwand synchron dazu. Das Konzept mit den Videoeinspielungen ist nicht neu, denn Vai himself war bei Devin Townsends „The Retinal Circus“ in London ebenfalls Gast auf der Leinwand. Zur Erinnerung: Auf dem Album „Sex And Religion“ hatte eben dieser Devin Townsend im Alter von zarten 21 Jahren sein Stelldichein als Sänger im professionellen Musikbusiness und gehört heute selber zu den besonderen Musikern des Genres. Anyway, Gutes darf kopiert werden und in diesem Fall machte es besonders Spass. Die Videoeinspielung von Joe Satriani überzeugte nicht nur durch sein virtuoses Gitarrenspiel, sondern ebenfalls durch eine gehörige Portion Humor, denn er kleidete sich mit seiner Vielzahl an Masken und Perücken und gab dem Video eine entsprechend lustige Note.
Auch reguläre Videos kamen zum Tragen und so zierte das Bühnenbild bei „The Love Of God“ das, vor 25 Jahren entstandene Video mit einem langmähnigen, auf einen Dreckhügel vor sich hinfidelnden Steve Vai im zarten Alter von 31 Jahren. Ja, ihr habt richtig gerechnet. Mister Vai ist inzwischen 56 Jahre alt. Doch dies hat beileibe nichts zu heissen. Agil und spielfreudig agierte er mit dem Publikum, unterhielt es und liess es auch aktiv an der Show teilhaben. Ob er nun die Kamera eines Fotografen stahl und Fotos von der Bühne machte, oder Konzertbesucher in das Bühnengeschehen integrierte – die Show war toll und gleichwohl unterhaltsam. Naja, wegen Mangels eines Sängers muss mach sich schliesslich auch was einfallen lassen, um die Darbietung so unterhaltsam wie möglich zu machen. Let me entertain you, ist man versucht zu sagen und trotz überlastiger Instrumental-Musik, schaffte es Steve Vai immer wieder mit seiner Art das Publikum zu begeistern.
Bei aller Begeisterung darf man jedoch die mitwirkenden Musiker nicht vergessen, die durch Vais Präsenz fast ein wenig in den Hintergrund geraten. Gut, Longtime-Schlagzeuger Jeremy Colson ist zwar nicht mit einem Portnoy zu vergleichen, aber wer in der Steve Vai Band spielt, hat es schon mal per se geschafft. Als Zweit-Gitarrist, neben Vai, scheint man dann schon ein wenig die A-Karte gezogen zu haben, aber wer aufmerksam zuhörte und hinsah, merkte schnell, dass Dave Weiner alles andere als Beigemüse war. So unscheinbar Bassist Philip Bynoe auch war, so perfekt sorgte er für den richtigen Boden, um dem Gitarrenspiel von Vai das richtige Fundament zu geben.
Doch bei aller Bewunderung und Respekt – ja sogar heimlicher Liebe an die Fähigkeiten eines der Gitarren-Koryphäen der Gegenwart. Irgendwann ist auch genug des Gefidels und weit über zwei Stunden hochfrequentes „Gitarrengekreische“ hinterlässt Spuren und ein Gefühl der Übersättigung machte sich beim einen oder anderen breit. Klar, man sollte tunlichst wissen, was einem erwartet und entsprechend vorbereitet an einen Vai-Auftritt kommen. Doch vor allem der gemeine Zuhörer, also nicht der Gitarren spielende Konzertbesucher, kam irgendwann an seine Grenzen.
Fazit: Toller Abend mit einem sympathischen Musiker, der trotz weltumspannendem Erfolg, publikumsnah, ja fast bescheiden geblieben ist. Sehens- und hörenswert und ganz klar ein Muss – und das definitiv nicht nur für Gitarristen.
Text: Daniel Baratte
Bilder: Liane Paasila