Datum: 8. September 2015
Ort: Werk21 – Zürich
Bands: Shriduna / Muzak
Könnte die Erde Emotionen wahrnehmen wenn sie durch die unendlichen Weiten der Galaxis dahingleitet und würde dieses Gefühl vertonbar sein? Ja hätte es noch einen Namen, man würde es Shriduna nennen. So fühlte es sich an, dieser Abend. Das Universum komprimiert auf ein paar wenige Quadratmeter im Werk21 mitten in Zürich.
Die heimische Band trumpft nicht etwa mit einem exzentrischen Frontmann auf, oder einer extravaganten Bühnenshow. Nein, es sind vier bodenständige Vollblutmusiker, die ihre Bodenhaftung verlieren, sobald der erste Akkord durch die Lautsprecher fliesst. Shriduna ist ganz ohne Gesang und hat dennoch viel mehr zu sagen, als so manch andere Band. Shriduna, das ist ganz einfach das vertonte Universum. So muss es sich anfühlen im luftleeren Raum zu schweben.
Mal melancholisch verloren, alleine unterwegs im endlosen Nichts. Dazwischen turbulent im Zwiespalt zwischen Gravitation und Expansion. Hin und Her gerissen, bis ein schwarzes Loch alles verschlingt und in die unendlichen und unbekannten Gezeiten jenseits des sichtbaren Ereignishorizontes versinken lässt. Nur noch die pure Freude am eben Gehörten bleibt.
Shriduna überzeugt ausschliesslich instrumental. Nur E-Gitarre, die Akustik als beruhigendes Pendant, ein Bass und ein Schlagwerk, welches sich in dieser Saitenüberfüllten Klanglandschaft immer wieder phänomenal behaupten kann. So versinkt der Zuhörer in unglaublich langen und wunderschönen Intros, getragen vor allem von eben diesen Saiteninstrumenten, die mal schattenhaft düster, mal aufmunternd in die Songs starten. Unterstützt durch viel, aber nicht überspannende und schon gar nicht wegzudenkende Elektronik. Diese umrahmt die, sich nicht selten über 10, 15 Minuten dahinziehenden musikalischen Experimente, mit einem ganz eigenen Schliff.
Wenn man sich dann in Gedanken bereits in einem glänzenden Paralleluniversum wähnt, holt dich ein plötzliches, dumpf klingendes Bassspiel oder der sehr talentierte Drummer wieder zurück aus der Traumwelt. Und Shriduna überraschen sogleich noch mit einer andere Seite. Sie können auch rockig und vollführen immer wieder gekonnt einen Rhythmuswechsel. Geniessen gegen Ende hin auch mal einen kleinen Ausflug Richtung Funk, wenn auch nur gewagt angedeutet.
Für das Publikum ist das Ganze ein wahres musikalisches Schlemmen. Butterweiche, zartschmelzende Melodien wechseln sich ab mit bis in die Vollendung vollführten Gitarrenriffs, bei denen das Zuschauen genauso verzückt wie das Hinhören. Dies, obwohl die Musiker nur dasitzen, sich still und leise in den Hintergrund stellen und die Instrumente die Stars sein lassen. Ein wahres Erlebnis, zu sehen was doch alles mit zupfen, gleiten, streichen und schlagen, aus einer Gitarrensaite herausgeholt werden kann.
So droht den sowieso bereits betörten Sinnen des Hörers niemals eine Übersättigung bei den gekonnten Übergängen, die irgendwo zwischen kindlichem Spass und ernster Tragödie liegen. Für die Musiker aber ist es neben dem eigenen Genuss, denn sie sichtlich ausstrahlen, vor allem auch Konzentration und beinhartes Zusammenspiel bis ins Detail. Das haben sie jedoch so gut im Griff, dass sich die Vier bisweilen, so scheint es, zu einer musikalischen Einheit verbinden. Vereint in der gemeinsamen Leidenschaft für Ihre Instrumente und die Musik.
Einziger, klitzekleiner Kritikpunkt ist ein oft zu gleicher Aufbau der einzelnen Songs. Doch das ist nur Gejammer auf ganz hohem Niveau und unbedeutend wie ein einzelnes Atom in der Galaxie. Genau so muss es sich für die Erde anfühlen, auf Ihrer endlosen Umlaufbahn durch das dunkle, kalte Universum. Verzweifelt einsam – spektakulär turbulent – hoffnungsvoll und verspielt die Grenzen auskostend – wissend, immer wieder geborgen zum Ausgangspunkt zurück zu kehren. Das ist das Gefühl Shriduna.
So unglaublich verzaubert und in Wolken schwebend fällt mir aber trotzdem noch ein, da war doch noch was. Muzak hiess es, kam aus Luzern und freute sich unglaublich heute, zum ersten Mal musikalisch hier in Zürich zu sein. Die Zentralschweizer Post Rocker vollführten einen soliden Auftritt vor dem Hauptact. Ganz frisch wieder aus dem Probenkeller hinaufgestiegen in die weite Bühnenlandschaft, zeigten sie ihr Können an den Instrumenten und nicht zuletzt und komplett überraschend am Mikrofon.
Ganz zart, beinahe zerbrechlich im gepunkteten Kleidchen und ohne Schuhe stand Sie da. Die Liedsängerin von Muzak schien gar fehl am Platze, so zittrig und rehgleich scheu doch der erste Eindruck war. Dass diese Gruppe klassischen Post Rock spielen soll, vermochte ich fast nicht zu glauben. Doch einmal den Mund geöffnet waren alle baff. Eine unglaublich kraftvolle Stimme tönte durch Mark und Bein und liess gar kurze Zeit das Mikrofon seinen Dienst versagen. Es war so viel Ausdruck in dieser Stimme. Wer hätte gedacht, dass diese Frau solch einen Klang vollbringen kann.
Absolut überzeugend, wenn auch etwas sehr im Genre standardisiert, sind Muzak bestimmt noch auf vielen Bühnen anzutreffen. Hoffentlich auf ewig mit einer so charmanten und verblüffenden Frontfrau, welche der Band das gewisse Spezielle verleiht. „Oxymoron“ heisst ihr neuster Streich und ist ein Reinhören wert.
Ein vollendeter Abend nach meinem Geschmack. Organisiert wurde dieser durch das junge und frische Zürcher Label Hirsch Productions. Dieser Name sollte nicht in Vergessenheit geraten. Haben sich die Leute dieser Event Agentur doch ganz gross auf die Kappe geschrieben, junge, kleine und vielversprechende Bands zu fördern. Genau richtig für alle die abseits der Grossproduktionen immer wieder winzige, glitzernde Perlen finden möchten. So wie am heutigen Abend, zur Konzertreihe »RockResort« gehörend, welche Hirsch Productions jeweils dienstags im Werk21 in Zürich präsentiert. Aber nicht nur das ist Hirsch Productions, sondern noch vieles mehr. Den Besuch einer ihrer Veranstaltungen zertifiziere ich mit Genussgarantie. Es darf gegoogelt werden, ist nämlich im Internet zu finden.
Text: Sebastian Leiggener
Bilder: Kathrin Hirzel