23. Mai 2018
Rote Fabrik – Zürich
Bands: Russian Circles / Brutus
Vorwort:
Mittwochabend, 19.00 Uhr. Tatort: «Tsüri, Wollishofe, Rote Fabrik».
Hier sitze ich nun, lausche den Wellen und nippe genüsslich an meinem Appenzeller. Die Sonne drückt bereits nicht mehr so stark und in der Ferne erklingt ein dumpfes Donnergrollen. Beinahe pünktlich ein Jahr danach, ein beinahe identisches Szenario. Russian Circles spielen wieder in der Roten Fabrik. Dieses Mal haben sie jedoch die Belgier von Brutus mit dabei.
Mann kann über die «Rote Fabrik» sagen was man will, die Hütte ist eigentlich immer früh am Abend schon «rappelvoll». Diese Aussicht dürfte natürlich vor allem Brutus erfreut haben. Das Trio um Sängerin und Schlagzeugerin (jawohl, richtig gehört!) Stefanie, Gitarrist Stijn und Bassist Peter flitzen pünktlich auf die Bühne und hinterlassen mit «March» so gleich eine erste Duftnote. Man merkt dem Publikum an, dass sie auf diese Art der Musik nicht wirklich vorbereitet sind. Die Stilrichtung ist schwer zu beschreiben. Mal geht es sehr punkig zu und her, dann und wann gibt es eine Faust voll Hardcore. Anschliessend rührt man das Gemisch mit viel Melancholie und der kratzenden (trotzdem sehr einschmeichelnden) Stimme von Stefanie. Das Ganze wird mit einer Prise Shoegaze und Post-Rock versehen und fertig hat man den Brutus-Cocktail. Der scheint vielen zu schmecken. Dennoch hat man das Gefühl, das manch einer den Drink stehen lässt. Die Performance ist gut, man merkt den Dreien die Spielfreude an. Es wird gelacht und posiert. Herrliches Schauspiel. Ab und zu registriert man einen schiefen Ton oder einen Übergang, welcher nicht sauber zu Ende gebracht wird. Kann ich jetzt verschmerzen, die Truppe ist jung und hungrig, was sie auch zeigen. Erwähnenswert ist auch die Arbeit von Jennifer von Känel hinter dem Lichtpult, welche einen grossartigen Job leistet und dabei für Massenhypnose sorgt. Leider fehlt mir der persönliche Übertrack «Not caring» in der Setlist, aber okay… ist wahrlich nicht der einfachste Live-Song. Das Gezeigte wird vom Publikum trotzdem ausreichend mit Beifall honoriert. Gut gemacht!
Gut gemacht? Das muss man den Amis von Russian Circles eigentlich gar nicht sagen. Sie wissen es, das Publikum weiss es. Und das bereits vor dem Konzert.
Die Effekt-Armanda liegt auf allen Seiten gut beleuchtet am Boden, der Rest liegt im Dunkeln. Dann erklingt mit «Station» ein eher unerwartetes Intro. Was für ein Start der Post-Rock-Inquisition. Energien machen sich breit, welche nur von dieser Band in diesen Ausmassen ausgestrahlt werden. Mike Sullivan (Gitarre) flitzt von einem Effektgerät zum nächsten, Brian Cook (Bass) prügelt mit Präzision in die Saiten und Dave Turncrantz (Schlagzeug) zeigt einmal mehr seinen typischen «Tornado» hinter dem Drum-Kit. Es ist genau das, was man erwartet hat… und mehr. Selbst nach all den Jahren haben die Jungs nichts von ihrem Schneid eingebüsst. Das Ganze wirkt durch die hervorragende Arbeit des Mischers sogar noch einen Tick gewaltiger als letztes Jahr und davor.
Die Köpfe nicken beinahe wie in einem Sog rhythmisch zum Gehörten. Die Augen sind bereits geschlossen als «Afrika» angestimmt wird. Allgemein packen die Chicago-Post-Rock-Könige eine Unmenge an Hits in ihre Setlist. Beinahe jedes Album ist mit einem starken Track vertreten. Zum Abschluss wird es mit «Deficit» noch einmal richtig würzig. Der Ausklang ist mit «Mlàdek» deshalb umso süsser. Danach beenden die Jungs das ganze Treiben und verschwinden relativ schnell hinter der Bühne. Nun ja, ist keine Verpflichtung noch Stundenlang rum zu gurken, wenn bereits alles gesagt wurde.
Die Traube der Anwesenden lichtet sich danach ebenso relativ schnell. Der Grund liegt dabei wohl aber eher am Regen, welcher die verschwitzen Besucher mit einer kühlen Umarmung begrüsst. Mit einem Grinsen im Gesicht nehme ich die Abkühlung an und sehe, wie die letzten Schatten in den langen Gängen der Roten Fabrik verschwinden.
Text + Bilder: Gianluca Teofani