Datum: 6. Juni 2013
Ort: Mercedes-Benz Arena – Berlin (D)
Bands: Rush
Wer sich intensiver mit Musik auseinandersetzt und gerne über den Tellerrand hinaus schaut, also den Mainstream verlässt, trifft unweigerlich auf die kanadische Band Rush. Gegründet 1968 und seit dem zweiten Release von 1974 in derselben Besetzung bestehend, kann das Trio auf 45 Jahre Bandgeschichte zurückblicken. Das alleine ist schon bewundernswert, doch Rush ist nicht nur eine Band, die schon lange im Musik-Business präsent ist. Rush ist vielleicht DIE Band, die nicht nur Rockgeschichte schrieb und immer noch schreibt, sondern viele erfolgreiche Rock-Musiker massgeblich beeinflusste. Liest man Interviews von Musiker-Grössen wie zum Beispiel Mike Portnoy (Ex-Dream Theater, Flying Colors, Transatlantic), fallen immer wieder die Namen Geddy Lee, Alex Lifeson oder Neil Peart. Letztgenannter gehört wohl zu den eindrücklichsten Schlagzeugern unserer Zeit und gilt als Vorbild vieler moderner und erfolgreicher Drummer.
Rush live zu sehen ist nicht nur ein Vergnügen – Rush zu erleben ist ein Privileg! Dieses Privileg hatten rund 17000 Besucher in der O2 Arena in Berlin, wo Rush, nach 26 Jahren Abstinenz, anlässlich ihres neuesten Albums „Clockwork Angels“, wieder einmal die deutsche Hauptstadt besuchten. Es sei an dieser Stelle bemerkt, dass Rush zwar eine ausgesprochen beeindruckende Live-Band ist, aber dennoch nicht jedes Jahr auf der Bühne zu sehen ist. Dass Qualität den Kanadiern wichtiger ist als Quantität, weiss man schon seit Dekaden und umso mehr schätzt man es, wenn die Bewohner des Rock-Olymps auf Tour sind.
Ein Blick auf die Bühne liess angesichts des bereitgestellten Equipments vermuten, dass wohl eher geklotzt als gekleckert wird. Als das Licht der O2 Arena erlosch und das mehrheitlich ältere, wie auch überwiegend männliche Publikum frenetisch zu jubeln begann, startete das Konzert mit einer Videosequenz auf der riesigen Leinwand, in einer beeindruckenden Qualität, die man bei Konzerten dieser Grössenordnung selten zu sehen bekommt. Fast unbemerkt positionierte sich das Trio auf der Bühne und begann einen spektakulären Abend mit dem ebenso spektakulären Song „Subdivisions“.
Mit jedem weiteren Song wuchs der Einsatz von Leuchtmitteln und die Bühne war alsbald in einem Meer von Farben getaucht, stets abgestimmt mit dem jeweilig gespielten Song. Licht-Choreografie nennt man dies wohl und selbst Laien konnten erkennen, dass die Macher der Show wohl zu den Besten gehören müssen. Natürlich fehlten auch die Rush typische Bühnen-Deko nicht. So reihten sich Grammophontrichter ähnliche Gebilde an Popkornmaschinen und beleuchteten Wasserboilern, die während des Konzertes von Zwergen und Menschen-Affen als Show-Element gereinigt wurden.
Nach neun fulminanten Songs gab Neil Peart sein erstes, heiss erwartetes Drum-Solo zum Besten und bewies einmal mehr, dass es nicht von Ungefähr kommt, dass er als einer der besten Schlagzeuger der Welt gilt. Nach den Song „Far Cry „vom Album „Snakes & Arrows“, verabschiedete sich die Band mit den Worten „Wir sind alte Männer, wir brauchen eine Pause“ und verliess die Bühne für 15 Minuten. Gerne bemerke ich an dieser Stelle, dass viele Bands die reguläre Konzertdauer bereits hinter sich haben und sich auf die Zugabe einstellen. Nicht so Rush, denn die waren noch weit von einer möglichen Zugabe entfernt.
Mit der Clockwork Angels Tour wollte Rush natürlich das gleichnamige Album vorstellen und betrat nach der Pause mit dem Clockwork Angels String Ensemble, einer achtköpfigen Begleit-Formation, bestehend aus Cellisten und Geigern, die Bühne und präsentierte den aktuellen Silberling. War schon der erste Teil des Konzertes beeindruckend, so vermochte es die Bühnenshow den ersten Part zu toppen. Zu der verwendeten Grossleinwand gesellten sich zehn weitere bewegliche Leinwände zum Bühnenbild und eine überwältigende Kombination von Projektionen und Licht-Design entführte das Publikum in eine Show, die aufregender nicht sein konnte.
Trotz der berechtigten Lorbeeren muss man anmerken, dass Rush vor allem mit den älteren Songs den Nerv des Publikums trafen, was die Qualität des zweiten Teils des Konzertes zwar nicht schmälerte, aber dennoch ganz klar aufzeigte, dass Fans vor allem den klassischen Rush-Kompositionen Tribut zollten. Neil Pearts zweites Drum-Solo vermochte die 17000 Besucher ein weiteres Mal zu begeistern und selbst das dritte Schlagzeug-Solo, kurz darauffolgend, liess keine Sekunde an Langweile aufkommen. Nachdem Rush das String-Ensemble verabschiedete, beendete die Band den offiziellen Teil des Konzertes mit dem Song „The Spirit Of Radio“ des 1980 erschienenen Albums „Permanent Waves“. Doch was ist ein Rush-Konzert ohne „Tom Sawyer“ oder „2112“? Die Krönung des Konzertes waren diese zwei Songs, die Rush als Zugabe zum Besten gaben, bevor sich das Trio nach drei Stunden endgültig verabschiedete und das Konzert mit einer abschliessenden humoristischen Video-Sequenz ausklingen liessen.
Ein Journalist des Rolling Stones Magazins bemerkte vor Jahren einmal, dass die Zeit der Super-Bands wohl allmählich vorbei ginge, denn die Kurzlebigkeit vieler Bands würde es kaum zulassen, dass Bands über viele Dekaden ihre Erfolge behaupten könnten. Rush gehört zweifelsohne zu den Vertretern dieser „aussterbenden“ Spezies, denn was die alten Herren in Berlin ihrem Publikum boten, kann durchaus als grossartig gewertet werden. Ein Privileg für jeden, der diese Band sehen durfte und ein Erlebnis das Seinesgleichen sucht.
Setlist:
1. Subdivisions
2. The Big Money
3. Force Ten
4. Grand Designs
5. The Body Electric
6. Territories
7. The Analog Kid
8. Bravado
9. Where‘s My Thing? (mit Drum Solo)
10. Far Cry
Set 2: (mit Clockwork Angels String Ensemble)
11. Caravan
12. Clockwork Angels
13. The Anarchist
14. Carnies
15. The Wreckers
16. Headlong Flight (mit Drum Solo)
17. Halo Effect
18. Seven Cities of Gold
19. The Garden
20. Manhattan Project
21. Drum Solo
22. Red Sector A
23. YYZ
24. The Spirit of Radio (ohne String Ensemble)
Zugabe:
25. Tom Sawyer
26. 2112 Part I: Overture
27. 2112 Part II: The Temples of Syrinx
28. 2112 Part VII: Grand Finale
[Quelle: setlist.fm]
Text + Bilder: Daniel Baratte