22. Juni 2019
Rock the Ring – Hinwil
Bands: Lynyrd Skynyrd / Dobermann / Midnight Oil / Jared James Nichols / King Zebra
Riesig ist die Hauptbühne des Rock The Ring Festivals in Hinwil, aber keinen Jota zu gross für King Zebra aus Zürich. Sie machten ihrem Namen alle Ehre und eröffneten königlich und mit perfekter Rock-Attitüde den letzten Festivaltag. Sogar die Sonne lockten sie raus – Metallnieten glänzten, Leder dampfte. Nicht nur der Sound passte, auch die Show war energiegeladen: Zwischen zwei Solos rannten die beiden Gitarristen vom einen Ende der Bühne zum anderen, slideten beim Song „Bad Idea“ wunderbar über die Saiten oder gaben bei „King Zebra“ am vorderen Bühnenrand perfekte Hochgeschwindigkeits-Fingergymnastik zum Besten. Natürlich fehlte auch fachgerechtes Mähnenschwingen nicht – auf der Bühne wie unter den Zuschauern. Die fünf Männer waren ganz in ihrem Element, als ob sie nie etwas anderes gemacht hätten. „Es war einfach grossartig da oben“, sagte Gitarrist Roman Lauer beim anschliessenden Bier. „Nach einem anfänglichen Schöcklein habe ich es nur noch genossen.“ Die Crowd war noch nicht riesig, wurde aber immer grösser und liess sich nicht lange bitten. Der tosende Applaus zum Schluss sagte alles.
Der nächste Act, Jared James Nichols aus den USA, nahm den Faden auf, und verwöhnte die wachsende Crowd mit bestem bluesigem Rock. Unermüdlich performten auch Midnight Oil. Der Sänger und ehemalige australische Umweltminister Peter Garrett erzählte zwischen den Hits vieles von Ying und Yang, Yang und Ying oder war es nur Yang? Obwohl er dies im schönsten Britisch-Englisch tat, eröffnete sich mir der Inhalt seiner Worte nicht vollständig. Doch klar schien mir: Die Botschaft war positiv. Liebe! Akzeptanz! Wenigstens konnte ich die Aufschrift auf seinem Shirt lesen: “I’m making noise to end violence against women”. Garrett und seine Jungs sind immer noch die Gleichen wie damals – sowohl was die Worte zum Zustand der Gesellschaft betrifft als auch wie sie ihre zeitlose Musik mit ungebremster Kraft von der Bühne schleudern.
Ganz im Midnight-Oil-Groove glaubte ich danach, bei Dobermann auf der B-Stage sitze eine Frau am Schlagzeug. Und ich war begeistert: Girlpower! Darum meinte ich auch, dass die NZZ falsch liegt, und sich ein Frauenstreik nicht nur an der Bierschenke bemerkbar machen würde. Meine Fehlannahme klärte sich am Tag danach mit einem nüchternen Blick ins Internet. Lockenpracht und tiefer Ausschnitt machen eben noch keine richtige Frau. Jedenfalls hat sich meine Theorie ein weiteres Mal bestätigt: Dass etwas gut wird, hängt nicht davon ab, ob es Männlein oder Weiblein tut.
Dank diesen erfreulichen Darbietungen war es einfacher, das zumindest fragwürdige Südstaaten-Gehabe von Lynyrd Skynyrd wegzustecken und den tollen Sound zu geniessen. Unglaublich, dass diese Herren “Sweet Home Alabama” immer noch mit angemessenem Enthusiasmus spielen können, nachdem sie es mindestens schon drölf quinquillionen Mal getan haben. Es gilt eben nicht nur “make love, not war” sondern auch “make music und verschont mich mit Politik und Esoterik (ausser ihr seid meiner Meinung, ich verstehe euren Dialekt und ihr vergeudet nicht allzu viel Zeit eures ohnehin schon viel zu kurzen Auftritts mit eurem Gelaber)”.
Text: Nicole Müller