rockthelakes.ch
Alestorm + Deep Sun + Eluveitie + Ensiferum + Fiddler’s Green + Fit For An Autopsy + Hämatom + Silver Dust + Soilwork + Visions Of Atlantis
Champs Devant – Vallamand
Samstag, 19. August 2023
Text / Bilder: David Spring
Es gibt nichts schöneres, als zu unchristlicher Zeit von der Sonne brutal aus dem Schlaf gerissen zu werden. Wenn es morgens um 7:00 Uhr schon Saunatemperaturen in den eigenen vier Zeltwänden hat, dann ist an Ausschlafen eh nicht mehr zu denken – hach, wie schön sind Festivals. In Vallamand wachte der Rock The Lakes Zeltplatz, der im Vergleich zum Vorjahr um einiges vergrössert wurde, am Samstag, den 19. August 2023, nach und nach auf, nachdem wir am Vorabend so richtig durchgerockt worden waren. Der Tag versprach, laut und vor allem heiss zu werden, doch zuerst hiess es, sich die sonnigen Morgenstunden um die Ohren zu hauen.
Warten gehört bekanntlich zu jedem Festival dazu. Es war genügend Zeit da, um sich etwas zu erholen und sich frisch zu machen, ein kleines Frühstück zu sich zu nehmen oder gar für einen erfrischenden Abtaucher in den nahegelegenen Murtensee zu hüpfen. Als dann die Sonne so richtig heiss vom Himmel brannte, ging es um 13:00 Uhr wieder los mit Musik. Als erstes betrat die heimische Symphonic Metalband Deep Sun die Bühne. Und auch wenn es bei harten Riffs mit Operngesang immer etwas schwierig fällt, nicht sofort Vergleiche mit Nightwish oder Within Temptation zu ziehen, so vermochten es die fünf Aargauer:innen durchaus, dem Genre ihren eigenen Twist abzuverlangen. Das ging ordentlich ab, bot viel Abwechslung und sorgte bereits früh am Nachmittag für Stimmung und viel Jubel in Valhallamand.
Mit der einzigen Band, die letztes Jahr bereits hier spielte, ging es weiter. Silver Dust aus der Romandie überzeugten mit ihrem theatralischen, von Tim Burton inspirierten Metal auf ganzer Länge. Es ist schön zu sehen, wie eine lokale Band wie sie mit ihrem ganz eigenen Ding immer grössere Erfolge verbuchen darf. Die Jungs machen ihre Sache verdammt gut und wurden zurecht ordentlich gefeiert. Der heutige Tag stand ganz im Zeichen des Folk- und Symphonic Metals, denn mit Visions Of Atlantis trat danach eine weitere Band mit beeindruckender Opernstimme auf. Ob es an der unerbittlich heissen Sonne lag oder einem kleinen Überschuss an weingläserzerberstenden Gesängen, die Band aus Österreich vermochte das Level nicht ganz so hochzuhalten. Doch auch so gaben die Fans in Vallamand alles und feierten die Band ordentlich und verdientermassen ab.
Weiter gings mit Fit For An Autopsy. Die sechs Amerikaner machten keine Gefangenen, mit ihrem brutalen, vernichtenden Deathcore waren sie eine der härtesten Bands des Festivals. Das ging unverschämt gut ab und machte Spass. Trotz der Hitze gab es wildeste Circle Pits und es wurde gemoshed, als gäbe es kein Morgen mehr. Mit ihrer gutgelaunten Art und einem äusserst abwechslungsreichen Set überzeugten die Jungs. Doch dann wurde die Stimmung etwas getrübt, denn als nächstes hätten Hämatom auf der Bühne stehen sollen. Leider aber verstarb deren Bassist Peter «West» Haag vor wenigen Tagen völlig unerwartet. Es wurde kurzerhand respektvoll entschieden, die Band im LineUp nicht einfach zu ersetzen, sondern dem begnadeten und geliebten Musiker an Stelle davon ein würdiges Tribut zu zollen. So erklangen drei Hämatom-Songs in voller Lautstärke auf einer völlig leeren Bühne, untermalt von Pyros und tausenden von Händen in der Luft. Ein trauriger, aber schöner Anblick. RIP West, wir denken an dich!
Die danach folgende, etwas längere Pause, tat allen gut. Etwas Verstärkung war bitter nötig und alle, die konnten, suchten sich irgendwo einen der sehr raren Schattenplätze. Denn mit Soilwork stand bald schon ein nächstes Highlight auf der Bühne. Der Melodic Death Metal der sechs Schweden ging richtig geil ab und machte massig Laune. Es macht immer Spass, einer solch abwechslungsreichen Band zuzuschauen, wenn sich ultraharte Passagen auf epische, erhabene Refrains treffen, die durch Mark und Bein gehen. Zum Glück ging es dann auch gleich ähnlich mächtig weiter, als Ensiferum die Bühne enterten. Sie läuteten sozusagen die Folk-Passage des diesjährigen Rock The Lakes ein. Der brutale Mix aus nordländischen Klängen und wüstem Death Metal kam hervorragend an, vor allem aber überzeugte die finnische Band gesanglich. Von rauen, heftigen Growls über feinste Stadion-Rockchöre bis hin zu gewaltigen, dickinson’schen Schreien war alles dabei. Entsprechend wild und ausgelassen ging es vor der Bühne zu und her, eine wahre Freude.
Wem das alles bisher etwas zu ernst und bieder war, durfte nun aufschnaufen. Eine riesengrosse, quietschgelbe Ente wurde auf der Bühne aufgeblasen, denn es war Zeit für Alestorm. Die durchgedrehten schottischen Piratenmetaller begrüssten uns mit den Worten «welcome Switzerland, we are here to get drunk!» und dann ging’s los. Glorreich, selten-doof und ach so gut ging die Band vorzüglich ab. Die Frage, ob wir denn nun lieber Piraten oder Enten hätten, beantwortete das Rock The Lakes mit einem lautstarken Zuspruch für das quakende Federgetier, worauf Sänger und Keytar-Hero Christopher Bowes mit «well, sorry, the next song is about pirates» quittierte. Selten so gelacht, und als zum Schluss dann wirklich alle erst «We Are Here To Drink Your Beer» und dann noch die ultimative Hymne «Fucked With An Anchor» mitgrölten, gab es kein Halten mehr. Was für eine Band.
Viele Bands hätten nach einer solch starken und lustigen Performance schweres Spiel, doch stand mit Eluveitie wohl eine der besten Schweizer Bands aller Zeiten als der heutige Headliner auf dem Plan, also kein Grund zur Sorge. Wer, wie ich, Folk Metal immer etwas arrogant belächelt und dieser Ausnahmeband bisher wenig Beachtung geschenkt hat, stand alsbald mit offenem Mund da. Unfassbar, was die neun Musiker:innen hier an den Tag legten. Von der Drehleier und Geige über fantastischen Gesang bis hin zu unglaublich fetten Riffs und bombastischen Refrains, es wurde alles geboten. Eluveitie konzentrierten sich klar auf ihr härteres Material, und das ging runter wie guter Wein. Erneut ein Headliner, der den Top-Spot auf dem LineUp mehr als verdient hat.
Um noch etwas bei den folkig-keltischen Klängen zu bleiben, gab es zum Schluss – quasi als Rausschmeisser – noch die Herren von Fiddler’s Green. Etwas frohlockenden Irish Punk mit viel Humor und ordentlich Energie war alles, was es brauchte, um auch zu sehr später Stunde nochmals alle in Bewegung zu setzen. Als zum wunderschönen Irish Traditional «The Wild Rover», das in einer rasanten Punkversion dargeboten wurde, dann noch Violinist Tobias Heindl in ein Boot gesetzt und über die Meute geschickt wurde, war das Fest komplett. Einen besseren Abschluss hätte man sich kaum wünschen können. Und so ging der zweite Tag des zweiten Rock The Lakes Festivals zu Ende. Völlig durchgerockt, erschöpft und ausgebrannt ging es zurück ins Zelt, in der Hoffnung, dass wenigstens dieses etwas abkühlen konnte. Valhallamand, es war einmal mehr einfach vorzüglich bei dir! Wir sehen uns morgen wieder zum letzten Tag!