Datum: 16.-18. August 2013
Ort: Hockenheimring – Hockenheim (D)
Webseite: Rock’n’Heim
FREITAG
Bands: Die Ärzte / Volbeat / Franz Ferdinand
Die Marek Lieberberg Konzertagentur, unter anderem Veranstalter von Rock am Ring und Rock im Park, hat ein neues Baby am Start: Rock’n’Heim – drei Tage Musik mit Bands aus verschiedenen Sparten auf dem Gelände eines Formel 1 Rundkurses. Das Motto: Zum Abschluss der Festival Saison nochmals den Sommer geniessen und eine gute Zeit unter Fans verbringen.
Ein paar Zahlen zum Anlass: 2 Bühnen, auf jeder wurden 140 Tonnen Stahl aufgebaut, 21 Bühnenbau-Trucks karrten das Material heran und 60 Bühnenbauer verrichteten ihre Arbeit. Alleine für den Ton brauchte es 38 km Kabel und über 7700 Mahlzeiten wurden für die Bands, Personal und Dienstleister via Catering serviert.
Gegen 20:00 Uhr trabten Farin Urlaub, Bela B. und Rodrigo González, besser bekannt als Die Ärzte auf die Evolution Stage (die grössere der beiden Bühnen). Die Arena war gut gefüllt und die zahlreichen Fans der Band verbreiten eine gute Stimmung. Die nächsten zwei Stunden unterhielten die drei Musiker das Publikum mit ihren Hits, Albereien und Nonsens. Die eindrückliche, orange und überhängende Boxenwand von Rodrigo war ein Blickfang und auch das elegante Schlagzeug Design von Bela. B war ein Hingucker. Die Band verstand es ihre Fans immer wieder in die Songs einzubauen. In einem Song durften sie zu einem bestimmten Ton in die Höhe springen, bei einem anderen ein Kleidungsstück in der Luft schwingen. Natürlich kannte ein grosser Teil des Publikums die Texte und sang mit. Der erste Headliner des Festivals überzeugte und rockte den Hockenheimring in die Nacht hinein.
Die nächste Band auf der Evolution Stage kamen aus Dänemark und heissen Volbeat. Sie begeisterten mit ihrem soliden Rock und der perfekt abgestimmten Lichtshow. Mir gefiel das Schlagzeugspiel, die zwei Kick Drums verliehen den Songs die Schnelligkeit und den Druck. Die kernigen Gitarrenriffs, das gekonnte Bassspiel und der markte Gesang schlossen sich immer wieder zu einer krachenden Symbiose. Dazwischen bewiesen die 4 Männer ihren Sinn für Humor und spielten zum Gaudi des Publikums kurze Songpassagen von Judas Priest, Rammstein und Slayer. Hin und wieder hörte man sogar Anleihen an den Rock’n’Roll, deshalb wurde ihre Musik auch schon mal als Elvis-Metal taxiert. Nach 90 Minuten und unter tosendem Applaus verliessen die verschwitzen Musiker die Bühne.
Um Mitternacht erfreuten Franz Ferdinand auf der kleineren Revolution Stage ihre Fans und das jüngere Publikum. Die 4 smarten Jungs aus Glasgow starteten mit einem ihrer ersten Hits „Do You Want To“. Klar hatten sie so die Fans gleich mal auf ihrer Seite. Ihr Sound ist eine Kombination aus Britpop und New Wave der 80er Jahre. Nick, der Gitarrist übersetzte gekonnt die Ansagen von Alex (Sänger) ins Deutsche. Im Zwischenteil von „Can’t Stop Feeling“ intonierte die Band den Diskohit „I Feel Love“ von Donna Sommer und bei „Take Me Out“ sprang fast das ganze Publikum im Takt. Speziell war der Abschluss des Konzertes, die drei Frontmusiker schnappten sich Schlagzeugstöcke und unterstützen ihren Drummer bei seinem Solo.
SAMSTAG
Bands: Deftones / Tenacious D / System Of A Down
Am späteren Nachmittag spielten die Deftones aus Sacramento (Amerika) auf der grossen Bühne. Offenbar gab es gleich zu Beginn Probleme mit dem Mikrophon von Sänger Chino Moreno, sein mexikanisches Blut geriet in Wallung. In seinem Adrenalinrausch sprang er zur Überraschung von allen mit einem wilden Salto ins Publikum! Das Problem mit dem Mikro konnte schliesslich behoben werden. Interessant fand ich, dass die Klampfe vom Gitarristen 8 Saiten hatte, was aber im Nu Metal Bereich keine Seltenheit ist. Der brachiale Sound wurde immer mal wieder durch Breaks unterbrochen. Weil die Musiker mit viel Leidenschaft ihre Show zelebrierten, war auf der Bühne immer etwas los. Die Headbanger im Publikum kamen voll auf ihre Rechnung und machten euphorisch mit. Nach 60 Minuten verabschiedeten sich die ausgepumpten Bandmitglieder von ihren treuen Fans.
Zu leisen Klängen betraten Tenacious D in Mönchskutten gehüllt und theatralisch die Bühne. Die Kutten waren schnell weg, die beiden Schauspieler/Musiker Kyle Gass und Jack Black begannen auf ihren akustischen Gitarren zu spielen. Mit dem Track „Rize Of The Fenix“ begann eine kurzweilige 75 Minuten Comedy Rockshow. Zu „The Metal“ stampfte zum Beispiel ein grosses imposantes Gebilde aus Stahl und Stacheln auf die Bühne. Bei „Beelzeboss“ spielte und sang der Gitarrist, von einem roten Spot diabolisch angestrahlt, den Part des Teufels. „Tribute“ wurde von den Fans frenetisch begrüsst und anschliessend mit lautstarkem Gesang unterstützt. Mit einem akustischen Song verabschiedete sich die Band vom Hockenheimring.
Zum Abschluss des Tages durften System Of A Down auf der Evolution Stage ihre Show präsentieren. Sehr edel, zu den Füssen der drei Frontmänner lagen grosse Teppiche. Der Auftritt der Gruppe hinterliess bei mir einen nachhaltigen Eindruck: Noch nie hatte ich eine Band gesehen, die so schnell zwischen Stilen hin und her wechselt, ob Metal, Grunge, Rock, Punk, Reggae oder armenische Folklore, sie schienen überall Zuhause zu sein.
Die aussergewöhnliche Bandbreite der Stimme von Serj Tankian war ein weiteres imposantes Attribut. Mal hoch, tief, rau, sanft oder säuselnd, nichts schien sein Organ in Verlegenheit zu bringen. Für mich war die ganze Show eine Abbildung des herrschenden Zeitgeistes. Ich vergleiche sie mit der Schnelllebigkeit und der Bilderüberflutung, die auf den Mensch der heutigen Zeit einstürzt. Es gibt kaum Zeit um Luft zu holen, System Of A Down hielten mir mit ihrer Musik genau diesen Spiegel vors Gesicht. Die Band wurde vom Publikum gefeiert, ich sah das ganze Wochenende nie so viele Leute vor der Bühne, das schwingende Armenmeer war ein einmaliger Anblick. Ja, es ist lange her, dass ich so sprachlos und nachdenklich ein Konzert verliess… vielleicht sogar noch nie.
SONNTAG
Bands: Kvelertak / Nine Inch Nails
Der 3. Tag am Hockenheimring war vom Wetter her nicht mehr so heiss und sonnig, wie Freitag und Samstag. Beim Auftritt der 6 Norweger von Kvelertak (zu Deutsch: Würgegriff) regnete es sogar. Der erste Song performte der Sänger heroisch mit einer ausgestopften Eule auf seinem Haupt. Gleich 3 Gitarristen sorgten für eine Metal Soundwand und der langhaarige, oben ohne Frontmann röhrte und rotzte sich wie ein läufiger Elch im Wald durch den Text. Die Fans vor der Bühne machten begeistert mit. Es war nett anzusehen, aber mein Ding war es vom musikalischen Aspekt gar nicht.
Ich freute mich das ganze Weekend auf die Show von Nine Inch Nails. Die Band um Mastermind Trent Reznor durfte als letzte Band auf der Evolution Stage das Festival beenden. Der Anfang des Konzertes war speziell: Trent betrat alleine und startet sein elektronisches Gerät, ein Bandmitglied nach dem anderen kam dazu. Ihr Equipment wurde jeweils kurz vorher auf der Bühne platziert. Plötzlich wechselte das Licht und die Schatten der Musiker wurden auf 3 Meter hohe LED Wände projiziert. Der Anfang von „Came Back Haunted“ war minimal elektronisch, die Anordnung der Musiker und die visuelle Umsetzung erinnerte mich an ein Kraftwerk Konzert.
Etwas später änderte sich die visuelle Art. Aus den mächtigen zwei Lichttürmen auf der Seite blitzten wilde Stroboskoplichter. Die Bühne wurde immer wieder in dichten Nebel gehüllt. Dazu passte der apokalyptische Industrial Rock hervorragend. Bei „Reptile“ dominierte grünes Licht die Stage und heftig, schwerfällig dröhnten die verzehrten Gitarrensounds aus den Boxen. Immer wurden die 5 LED Elemente neu auf der Bühne positioniert, während „Terrible Lie“ flimmerten zudem verzerrte Bilder über die Wände. Die Soundqualität war ausgezeichnet und das Quintett präsentierte sich als eine eingespielte Band. Fanatisch begrüssten die Fans die ersten Klänge von „Closer“, bei den ersten Textzeilen war nur der computeranimierte Kopf von Trent auf zwei LED Elementen zu sehen, dann wurden sie auseinander gezogen und er tauchte zwischen ihnen auf.
Mit „Find My Way“ wurde ein neuer Song angekündigt, er war langsam, düster und minimalistisch aufgebaut. Dazu die säuselnde Stimme von Trent und die ganze Bühne in blaues Licht getaucht, ein Anblick der bei mir Hühnerhaut verursachte. Einfach nur grossartig! Bei „The Hand That Feeds“ und „Head Like A Hole „wurde es nochmals richtig intensiv, Licht und Sound vereinten sich nochmals zu einer kompakten Einheit. Mit dem wunderbaren und emotionalen „Hurt“ verabschiedete sich Nine Inch Nails eindrücklich von den Fans. Dieses Konzert wird ganz sicher zu meinen Top Five 2013 zählen.
40’000 Zuschauer strömten am diesem Wochenende auf den Hockenheimring. Die Veranstalter zogen ein positives Fazit und kündigten mit The Return To Rock’n’Heim schon das nächstjährige Festival an. Es findet vom 15. bis 17. August 2014 statt.
Für mich, als ein Open Air Newbie, war es eine schöne Erfahrung. Ich war beeindruckt von der erstklassigen Organisation und ein grosses Kompliment an die Tontechniker und Mischer: Jedes Konzert das ich sah, war nahezu perfekt abgemischt.
Text: JHG Shark
Bilder: Nicole Imhof