23. September 2017
Eulachhallen – Winterthur
Bands: Papa Roach / Callejon / Emil Bulls
Am frühen Abend dieses sonnigen ersten Herbsttages wimmelt es am Bahnhof Winterthur nur so von schwarz gekleideten Gestalten. Wer den Weg zu den Eulachhallen noch nicht kennt, braucht sich da also weiter keine Sorgen zu machen – die schwarze Traube vor der Bushaltestelle des 2er-Busses Richtung Wülflingen ist ein hervorragender Wegweiser.
Bei den Eulachhallen angekommen, geht es erstmal mit Warten weiter – und an dieser Stelle gibt’s schon mal einen klaren Minuspunkt für den Veranstalter. Nicht nur, dass offenbar nicht klar abgesprochen wurde, welche Gegenstände abgegeben werden müssen (Beispiel: Regenschirm), die Anweisungen scheinen sich offenbar auch alle paar Minuten zu ändern, was dazu führt, dass man in den zehn Minuten, die man in der Schlange vor dem Eingang verbringt, gut drei Mal von einem Ort zum nächsten geschickt wird und dabei, wenn man Pech hat, auch noch angeschnauzt wird, wieso man besagten Gegenstand abgeben will oder eben nicht abgeben will.
Die erste Band, Emil Bulls aus Deutschland, spielt bereits seit sieben Uhr in der einstigen Turnhalle und hat auch schon eine beträchtliche Zuschauergruppe vor der Bühne zusammengetrommelt. Ursprünglich wären Frank Carter & The Rattlesnakes als erste Vorband geplant gewesen – Leadsänger Frank Carter musste die Europatournee jedoch aus psychischen Gründen abbrechen, weshalb die fünf Münchner kurzfristig eingesprungen sind. Zweite Vorband ist Callejon, die mit ihrem Metalcore die Temperatur im Halleninneren schon so hochbringen, dass auch das Stosslüften in der folgenden Umbaupause nicht mehr viel Erleichterung für die Konzertbesucher verschaffen kann.
Papa Roach beginnen ihr Set mit „Crooked Teeth“, der ersten Singleauskopplung ihres aktuellen und gleichnamigen Albums – nachdem mit Pharoae Monchs „Simon Says“ und einer Ansage mit weiblicher Computerstimme, die das Publikum aufgefordert hat, „F*** Papa Roach“ laut zu wiederholen, dafür gesorgt worden ist, dass sich die Konzertbesucher in der entsprechenden Stimmung befinden. Weiter geht es mit älteren Songs: „Getting Away With Murder“, „Between Angels And Insects“ und „Kick In The Teeth“, gefolgt von einem neuen Song, von welchem erst Strophe und Refrain präsentiert werden können. Ob es wirklich nötig ist, halbfertige Songs zu spielen, ist fraglich, aber da es mit „Born For Greatnesss“, einem weiteren Song des aktuellen Albums, weitergeht, der offenbar im Publikum auf grossen Anklang stösst, ist der Anschluss schnell wieder gefunden – und für diejenigen mit besonders grossem Bewegungsdrang bietet sich nun auch wieder der eine oder andre Moshpit.
Jacoby Shaddix fordert das Publikum nun auf, Feuerzeug und Handy zu zücken, um eine schöne Stimmung zu schaffen. In den Eulachhallen ein vollkommen sinnbefreites Unterfangen, da die Lichtverhältnisse mindestens genauso miserabel sind wie die Soundqualität (was einige weniger freundliche Facebook-Posts auf der Veranstaltungsseite bestätigen). Seit einigen Jahren ist auch auf jedem Album der Band aus Vacaville, Sacramento, mindestens ein ruhiger Song zu finden. Bei den letzten beiden Alben handelt es sich dabei sogar um Duetts: „Gravity“ mit Maria Brink und „Periscope“ mit Skylar Grey. Mangels Anwesenheit der Sängerinnen werden diese live mit technischen Mitteln unterstützt, was meiner Meinung nach dem Live-Gefühl einen leichten Dämpfer verpasst. Blurs „Song 2“ sorgt an dieser Stelle jedoch wieder für einen Aufsteller, wobei es auch immer wieder erstaunlich ist, wie wenig man doch den Text solcher Songs, die am Ende eigentlich jeder kennt, mitsingen kann. Aber „Woohoo“ kann man sich ja dann doch noch gerade so merken.
Am Ende des Songs „Forever“ zollen Papa Roach Linkin Park und dem kürzlich verstorbenen Chester Bennington Tribut, indem sie deren Hit „In The End“ anstimmen. Sänger Jacoby Shaddix bittet um einen Moment der Stille für Chester Bennington und Chris Cornell, welche sich beide vor Kurzem das Leben genommen haben – bei rund 3’000 Zuhörern ein wohl erfolgloses Unterfangen.
Beim nächsten Song wird gleich noch einer weiteren Band Tribut entrichtet – „American Dreams“ enthält Ausschnitte des berühmten Titels „Another Brick In The Wall“ der grossartigen Pink Floyd. Im Anschluss folgt „She Loves Me Not“ des Albums Lovehatetragedy aus 2002, einem Album, welches in den letzten Jahren live nur wenig Aufmerksamkeit bekommen hat, gefolgt von einer sehr langsamen und ruhigen Version des Songs „Lifeline“ aus dem Jahr 2009. Wie man sieht, zeichnen sich die Konzerte der Band, die es nun schon seit 24 Jahren gibt, durch grosse musikalische Diversität aus. Das hängt sicherlich damit zusammen, dass Papa Roach bei jedem Album offenbar eine neue Seite von sich zu entdecken scheinen und schon ein ganzes Repertoire an Subgenres durchgespielt haben. Angefangen bei Nu-Metal über Hard Rock, Punk, Alternative Metal – die Musikkritiker sind sich uneinig, welchen Stempel man Papa Roach noch aufdrücken könnte. Die letzten Alben weisen auch vermehrt elektronische Parts auf und Sänger Jacoby Shaddix scheint auch wieder zum Rap zurückgefunden zu haben, wobei sich auch melodiöse Gesangsparts auf den Alben finden.
Nach einer geplanten Pause kehren die fünf Musiker – Papa Roach wird auf dieser Tour live von Anthony Esperance, dem Bruder des Bassisten Tobin Esperance, unterstützt – auf die Bühne zurück und ein schwitzender, fluchender und spuckender Jacoby Shaddix stellt mit Songs des neuen Albums und ihrer Durchbruchplatte „Infest“ sein Können als Rapper unter Beweis. Doch dieses Mal endet das Konzert nicht wie gewohnt mit ihrem Meisterwerk „Last Resort“, sondern mit „… To Be Loved“, bestückt mit ein bisschen „Blitzkrieg Bop“.
Während die Band noch Drumsticks und Setlists verteilt, geht in der Turnhalle das Licht an und endlich gelangt auch wieder frische Luft in das Halleninnere. Wer es gescheit macht, stellt sich sofort bei der improvisierten Garderobe (sprich: einem offenen Anhänger) an, um Tasche oder Regenschirm zurückzufordern und, bevor der Rückweg nach Winterthur angetreten wird, noch einige Minuten dem Strassenmusiker zu lauschen, der mit Verstärker, Generator und schlechtem Englisch auf dem Trottoir „Wish You Were Here“ zum Besten gibt.
Text: Sarah Rutschmann