10. November 2019
Volkshaus – Zürich
Bands: Opeth / The Vintage Caravan
Der Saal sowie die Tribüne waren schon gut gefüllt, als die sympathischen Isländer The Vintage Caravan (was für ein geiler Bandname) die Bühne betraten, um als Vorband für Opeth das Zürcher Volkshaus zu bespielen. Das Trio wurde noch vor ihrer ersten Note lauthals von den Anwesenden begrüsst. Die nächste Dreiviertelstunde sollte zeigen, dass die noch relativ unbekannten The Vintage Caravan von den Zuschauern geliebt werden. Denn die Band erntete an diesem Abend was sie säten. Ihre Stilmischung aus angesäuseltem Stoner-Rock mit einem Schuss Funk, sowie ihr retrogerichteter Grundklang setzten dem Publikum positiv zu, das mit einem Lächeln auf den Lippen zum Takt nickte oder das Tanzbein dazu schwang. Auch die Vorband selbst hatte sichtlich Freude auf der Bühne und sprühten nur so vor energetischer Spielfreude. Wie man es eben in den Wald schreit, so schallt es nun einmal zurück.
Als die Lichter für den Hauptact Opeth erloschen, wurde die Magie nahezu greifbar. Während die Düsternis zu den Eingangsklängen ihres neusten Werkes „In Cauda Venenum“ Einzug hielt, flimmerten zur monotonen Keyboard-Litanei Filmbrocken über die Videoleinwand, deren tieferer Sinn sich mir zwar nicht erschloss, aber stimmig zum Intro waren – was auch sonst, denn Opeth überlassen schliesslich nichts dem Zufall. Als auf eben diese Leinwand das Logo hingekritzelt wurde und es kurz darauf in tausend Stücke zerbarst, konnte die musikalische Traumwandlung dieses Abends beginnen. Die Symbiose, die Video und Musik danach zu „Dignity“ eingingen, war Perfektion in Reinform. Nach „Heart In Hand“ gabs mit „The Leper Affinity“ zum ersten Mal an diesem Abend so etwas wie einen Klassiker um die Ohren. Der „Blackwater Park“-Opener brachte die Lunte endgültig zum Rauchen. Mir schien, dass das Publikum das neuste Machwerk „In Cauda Venenum“ noch nicht so richtig verinnerlicht hatte und mehr nach den früheren Sachen dürstete.
Diesem insgeheimen Wunsch folgten Opeth auf dem Fuss und steckten mit dem harmonischen „Reverie / Harlequin Forest“, dem verrückten „Nepenthe“ das Klassiker-Feld weiter ab. „All Things Will Pass“, der letzte Track des neuen Albums, wurde danach zum finalen Track der Album-Live-Vorstellung auserkoren. „Moon Above, Sun Below“ verwandelte das Zürcher Volkshaus daraufhin in einen harmonisch-träumerischen Stimmungskessel, welche mit dem umstrittenen „Damnation“-Albumtrack „Hope Leaves“ noch etwas beibehalten, bevor es zu „The Lotus Eater“ jäh daraus herausgerissen wurde. Damit war der Hauptteil des Konzerts leider schon wieder besiegelt. Mit „Sorceress“ und der Rhythmus-Granate „Deliverence“ entliessen Opeth die Zuschauer schliesslich frisch gestärkt in den kommenden Wochenbeginn.
Durch das ganze Konzert hindurch wurde das Publikum nicht nur musikalisch auf höchstem Niveau unterhalten. Beim jeweiligen Gitarrenstimmen (und das war reichlich der Fall), unterhielt Mikael Åkerfeldt, der bekanntermassen kein Kind der Traurigkeit ist, die Zuschauermenge mit Smalltalk und bezog die Zuschauer immer wieder mit ein. Eine Konzertanekdote des Masterminds rief bei mir persönliche Erinnerungen wach, als er von einem seiner ersten Konzerte in der Schweiz zu erzählen anfing. Die Rede war von einem Auftritt im Bad Bonn in Düdingen, dem Kanton Freiburg. Wer die Location nicht kennt: Mikael Åkerfeldt beschrieb es treffend als „Cottage“. Damals waren Opeth noch weit entfernt von ihrem heutigen Bekanntheitsgrad und galten lediglich als Geheimtipp. Das Bad Bonn fasste bestenfalls 100 Personen, wobei der rechte Teil der Zuschauer von der Band gar nichts sah, weil die Sicht durch eine Wand bedeckt war, da das Gebäude mit einer Biegung zur Bar abschloss. So etwas wie eine Bühne gab es im Bad Bonn erst gar nicht. Zuschauer und Band verschmolzen daher zu einer Einheit.
Auch wenn das Bad Bonn unter den Musikern wie den Besuchern für staunen sorgte, habe ich dort einige meiner besten Konzerte erlebt. Nebst dem Opeth-Konzert ist in meiner Erinnerungsskala der wohl erste Psychotic-Waltz-Auftritt in der Schweiz immer noch hoch präsent. Dass solche Anekdoten einem Mikael Åkerfeldt über die Lippen kommen zeigt, wie bodenständig er und seine Band bis heute geblieben sind. Dies und die Videoeinspielungen, die allerdings niemals die musikalische Opulenz untergruben, unterstrichen dabei nur noch den Genius ihrer künstlerischen Schaffenskraft.
Setlist [Quelle: Setlist.fm]
1. Garden Of Earthly Delights
2. Dignity
3. Heart In Hand
4. The Leper Affinity
5. Reverie / Harlequin Forest
6. Nepenthe
7. The Moor
8. All Things Will Pass
9. Moon Above, Sun Below
10. Hope Leaves
11. The Lotus Eater
Zugaben
12. Sorceress
13. Deliverence
Text: Pink
Bilder: Berend Stettler