Datum: 1. November 2014
Ort: Komplex 457 – Zürich
Bands: Opeth / Alcest
Nebel, Dunkelheit und Kälte. Das sind die Hauptattribute der spätherbstlichen Abende und auch wenn man alles schön reden kann – es ist und bleibt ungemütlich. Nun, gemütlich hingegen erschien mir am Samstagabend das frisch eingeschenkte Glas Rotwein, der flackernde Schwedenofen und die angenehm warme Temperatur des heimeligen Wohnzimmers. Gab es einen Grund darauf zu verzichten? Ja, den gab es!
Anlässlich des neuen Releases „Pale Communion“ luden Opeth zur aktuellen Tour ein. Ja Leute, das war definitiv ein Grund, um nach Zürich zu pilgern, wäre da nicht dieser Wermutstropfen, auch Komplex 457 genannt. Schon seit Wochen lag die Tatsache schwer im Magen und ich neigte es meinen Prog-Freunden gleich zu tun, die lieber auf Opeth verzichteten und dafür nach Pratteln fuhren um Bigelf zu sehen. Ihr fragt Euch jetzt ob ich in den sauren Apfel gebissen habe?
Die Franzosen Alcest hatten das Vergnügen den Abend zu eröffnen. Dies taten sie vor allem mit hoher Lautstärke, die definitiv zu viel für eine Vorband war und unweigerlich fragt man sich, wie laut denn die Hauptband sein würde. Doch zurück zu Alcest, die machten grundsätzlich einen guten Job und klangen auch ganz passabel. Bis dato widmeten sie sich dem Musikstil Blackgaze, doch seit 2014 sind sie offensichtlich rein Postrock ausgerichtet. Nennenswerte Höhenpunkte konnte ich dennoch keine erkennen, denn die Songs klangen halt schon sehr ähnlich. Dennoch war Alcest der Applaus des Zürcher Publikums sicher und der war nicht unverdient.
Mit „Eternal Rains Will Come“ aus dem aktuellen Album „Pale Communion“ läuteten Opeth endlich den samstäglichen Abend ein, der es noch in sich haben sollte. Vielleicht noch ein Wort zum Release, oder vielmehr zum Sinneswandel der Schweden. Mit der neuesten Veröffentlichung scheint man endgültig den Beweis erbracht zu haben, dass man sich nach 24 Jahren musikalischen Schaffens, definitiv langfristig verändern wird. Die einen werden zwar erneut rumheulen, weil sie immer noch den Death-Metal-Zeiten nachtrauern, aber das Album ist in der Tat ein Masterpiece und auch wenn es ruhiger ist als die meisten anderen Alben, darf man es vorbehaltlos empfehlen.
Auch Song Nummer zwei „Cusp Of Eternity“ kam vom neuen Silberling und Opeth bewiesen, dass sie auch mit neuem, weitaus sanfterem Material überzeugen können. Schon jetzt war klar, dass das Komplex seinem Ruf „Tempel der Schande“ zu sein nicht gerecht werden würde und sich tief verwurzelte Ängste (wie etwa Platzängste) nicht bewahrheiteten. Genau so sollte es sein. Genug Zuschauer, guter Sound und vor allem tolle Stimmung. Tja, was soll man sagen… Das Publikum ging ab wie Satan! Mit „Bleak“ vom Album „Blackwater Park“ wechselte Ackerfeldt in den Grunz-Modus und spätestens dann, war es aus mit der typischen Schweizer Konzert-Mentalität.
Mike Akerfeldt unterhielt das Publikum immer wieder mit lustigen Sprüchen und musste zeitweise damit technische Probleme überbrücken. Das störte niemanden und tat der Stimmung auch keinen Abbruch. Im Gegenteil, Akerfeldt hatte das Komplex im Griff. Mit „Let‘s play some old shit“ holte er die Opeth Fans innert Sekundenbruchteilen wieder auf das Headbanging Level. Aber auch ruhige Songs wie „Windowpane“ begeisterte das Publikum in einer Art und Weise, wie man es bei CH-Events nicht standardmässig zu sehen bekommt. Die Ordner hatte viel zu tun, denn im Minutentakt liessen sich viele Fans aus der Crowd auf Händen Richtung Bühne tragen.
Es ist dieser unglaubliche Mix zwischen brachialer Gewalt und sanfter Umarmung, die Opeth bieten. Davon beeinflusst, weiss man nicht, ob man dem rauchenden Typen vor sich in den Hintern treten oder ihn höflichst auf sein Vergehen aufmerksam machen soll. Es ist genau das, was Opeth auszeichnet – Emotionen zu schaffen, zu begeistern und die eine oder andere Sorge aus dem Alltag hinter sich zu lassen, um einfach abzugehen. Rundum lachende und glückliche Gesichter, headbangende Langhaarige, ein freudig klebriger Boden und, man konnte es kaum fassen, ein Pärchen im Klammergriff. Wie geil ist das denn!
Einer der nicht musikalischen Höhenpunkte des Abends war Akerfeldts Ansage, dass er jüngst erfahren hatte, dass Celtic Frosts Tom G. Warrior inkognito an einem Opeth Konzert war. Also wandte er sich direkt ans Publikum „Tom G. Warrior, if you are inkognito in the audience, come to us and say Hi“. Das Publikum reagierte mit grossem Jubel, schliesslich sind Celtic Frost eine immer währende Grösse im Metal Universum und irgendwie ist man als Schweizer auch ein wenig stolz auf den CH-Ur-Thrash-Exportartikel, auch wenn es Celtic Frost leider nicht mehr gibt.
Nach elf energiegeladenen Songs war dann auch Schluss und Opeth liessen sich unter frenetischem Jubel für die Zugabe erneut auf die Bühne holen, von der aus sie den Fans locker den 13-Minüter „Deliverance“ um die Ohren knallten. Was für ein Abschluss eines wahrhaft tollen Samstag Abends. Mit einem in mich gekehrten Lächeln erinnerte ich mich an meine Freunde die… Wo waren die gleich nochmal? In Pratteln? Ok…
Fazit: Um nochmals auf den sauren Apfel zurückzukommen. Dieser hat sich letztendlich als verführerische süsse Frucht entpuppt und meine Bedenken im Nu zerstäubt. Gäbe es eine Bewertungsskala für Konzerte würde ich hier locker eine 10 abdrücken. Oder, um es im neuzeitlichen Sprachjargon auszudrücken: „Der Gig war voll fett the shit, Mann“, oder so ähnlich.
Setlist:
01. Eternal Rains Will Come
02. Cusp of Eternity
03. Bleak
04. The Moor
05. Advent
06. Elysian Woes
07. Windowpane
08. The Devil‘s Orchard
09. April Ethereal
10. The Lotus Eater
11. The Grand Conjuration
Zugabe:
12. Deliverance
[Quelle: Bühnen-Setlist]
Text: Daniel Baratte
Bilder: Kathrin Hirzel