Datum: 26. – 29. Juni 2014
Ort: Sittertobel – St. Gallen
Webseite: Openair St. Gallen
VORWORT
„Potz-Blitz“, dachte ich, als ich sah, dass das Festival auf dem Sittertobel in St. Gallen in Windeseile ausverkauft war. Ja, da staunte so mancher nicht schlecht. Bei einem flüchtigen Blick auf das Line-up war mir dann so einiges klar.
Das Open Air St. Gallen landete mit dem diesjährigen Programm einen Volltreffer und traf den Nerv der Zeit. Als Headliner des Festivals brachten Bands wie The Black Keys, Seeed, Ellie Goulding oder Imagine Dragons die Bühne zum Wanken. Doch das war natürlich noch lange nicht alles, was an musikalischen Highlights geboten wurde. Doch bevor ich genauer darauf eingehe, möchte ich am Anfang dieser nicht ganz alltäglichen Geschichte starten.
EINLEITUNG
Die Geschichte beginnt beim Wetter. Ja, ein düsteres Kapitel in der Geschichte des St. Gallen Open Airs. Das Festival ist bekannt für sein schlechtes Verhältnis zu Petrus. Auch dieses Jahr sollte Petrus wieder mit dem linken Fuss aufstehen und seine schlechte Laune am besagten Festival auslassen.
So ging ich mit warmen Kleidern ausgerüstet und Gummistiefeln bewaffnet in das langersehnte Festival-Wochenende. Zu meinem Erstaunen liess Petrus Gnade walten und bescherte mir und allen anderen Festivalbesuchern für Donnerstag, Freitag und Samstag optimales Sommer-Sonnenschein-Wetter. Doch Samstags kurz nach Mitternacht holte Petrus dann zum Rundumschlag aus und ja, dieser hat echt gesessen. Denn ab diesem Zeitpunkt war es für den ganzen Rest des Festivals „Ende Gelände“ mit dem schönen Wetter. Es wurde nass, richtig nass. Der ganze Sonntag war ein reines Schlamm- und Dauerregen-Disaster. Sauber und trocken zu bleiben, blieb eine optimistische Illusion, die ich schon nach wenigen Stunden auf dem Festivalgelände im Schlamm begrub.
KAPITEL 1 – ORT DES GESCHEHENS
Das Schöne war, egal ob heiterer Sonnenschein oder fieser Platzregen, ich sah nur gute Stimmung und zufriedene Gesichter – was sicher auch mit der guten Organisation des Festivals in Zusammenhang gebracht werden kann. Das nervenaufreibende Anstehen blieb komplett aus; sogar am Sonntag nach dem letzten Gig konnte ich schnurstracks in einen Bus steigen und war im Nu am Bahnhof. Das hat mich sehr überzeugt.
Eine weitere grossartige Idee des OASG war das Konzept des „cashless“ Bezahlen. Bereits am Bahnhof konnte man die Festival-Bändel gegen das Ticket tauschen. Die Bändel waren mit einem Chip versehen, der zum „einchecken“ genutzt wurde, jedoch auch als Bargeld-Ersatz diente. Man konnte an der Kasse Geld auf den Chip laden und mit diesem auf dem ganzen Festivalgelände bezahlen. Ich finde das Konzept des bargeldlosen Bezahlens hervorragend, denn so konnte man das Portemonnaie zu Hause lassen, hatte weniger Gepäck, und die Warteschlangen vor den Ständen wurden extrem verkürzt. Es ging keine Zeit für Geld-hin-und-her-Schieberei drauf und so wurden die Nerven der Käufer geschont. Das übrige Geld konnte man sich entweder vor Ort zurückerstatten lassen oder aber auch bequem von zu Hause aus. Natürlich konnte der Chip vor Ort auch wieder nachgeladen werden. Ein wirklich sehr durchdachtes Konzept, welches mich durchs Band überzeugt hat.
Auch kulinarisch hatte das St. Galler Festival einiges auf dem Schirm. Ein wirklich riesiges Angebot. Um da einmal alles auszuprobieren, hätte das Festival wohl gefühlte drei Wochen dauern müssen. Auch die festivalüblichen Stände mit Schmuck, Sonnenbrillen, Hüten etc. waren natürlich reichlich anwesend und luden zu einem gemütlichen Bummel über das hüglige Festivalgelände ein.
KAPITEL 2 – HIER SPIELT DIE MUSIK
Nun ist aber genug mit nebensächlichen Dingen. Kommen wir zu dem wirklich Wichtigen: der Musik. Davon gab es auf dem Sittertobel reichlich viel. Für meinen Geschmack fast ein bisschen zu viel. Ihr fragt euch bestimmt, wie man zu viel Musik an einem Festival haben kann?! Geht ja eigentlich gar nicht… Stimmt! Jedoch war das Timetable überstrapaziert, und die Bands auf der Sitterbühne und der Sternenbühne überschnitten sich. Des Öfteren kam es zu unliebsamen Entscheidungen zwischen Bands, die man eigentlich beide gerne gesehen hätte. Ich persönlich hasse es, ein Konzert früher verlassen zu müssen oder den Anfang eines anderen zu verpassen. Für Musikliebhaber, welche da ähnlich denken wie ich, kam es oft zu „Lose-Lose-Situationen“. Was aber auf keinen Fall zu kurz kam, waren tolle Konzerte, musikalische Neuentdeckungen und eine geballte Ladung an packender Live-Musik, welche mit hervorragender Stimmung vor der Bühne entlöhnt wurde.
KAPITEL 3 – WER DEN TON ANGAB
Yokko – Punkteten mit Sympathie und guter Musik!
Die ideale Band für einen sonnigen Sommernachmittag. Der leichte, dennoch rockig angehauchte Sound passte perfekt zum sommerlichen Festivalgefühl. Dass die Schweizer Band beim Publikum punktete, lag aber keineswegs nur an den Rahmenbedingungen. Die Jungs lieferten auch richtig ab. Neben Radiohits wie „Loaded Dice“ oder „Calling all Gods“ wurden noch weitere Songs aus ihrem aktuellen Album „Seven Seas“ gespielt. Yokko, eine Schweizer Band mit Gitarrenmusik, die mehr als nur „nett“ ist.
Foals – Sie eroberten die Bühne im Sturm!
Foals war eine Band, welche mir bis anhin noch nicht so bekannt war. Zwar kannte ich den einen oder anderen Song aus dem Radio, mehr aber auch nicht. Die aus Oxford stammende Band überzeugte mich jedoch sofort. Der satte Sound zog mich so richtig in den Bann und liess mich gar nicht mehr los. Als die Briten dann zum grossen Finale noch ihren Song „Inhaler“ über die Bühne schmetterten, war es um mich geschehen. Foals, definitiv eine Band, welche ich im Auge behalten werde.
Ellie Goulding – Die Stimmungskanone hielt, was sie versprach!
Bereits in diesem Januar konnte ich mich davon überzeugen, dass die junge Britin mehr als eine Chart-Tussi ist. Als ich das Konzert in der ausverkauften Maag Halle in Zürich besuchte, war ich durchaus überrascht, was die quirlige Sängerin alles auf dem Kasten hat. Mit ihrer aussergewöhnlichen Stimme und den melancholischen Texten hat sie bei mir sofort gepunktet. Neben einer begnadeten Sängerin ist die englische Singer-/Songwriterin auch eine echte Stimmungskanone. Das bewies sie in St. Gallen erneut und hatte das Publikum sofort auf ihrer Seite. Das Konzert von Ellie Goulding sollte eines meiner Highlights des Festivals werden und ja, ich wurde nicht enttäuscht.
The Black Keys – Sorgten für Stimmung im Publikum, blieben selbst aber ziemlich ruhig!
Die Headliner von Freitagnacht sind momentan in aller Munde und werden von den Radios auf und ab gespielt. Die Indie-Band sorgte für mächtigen Trubel und lockte mit ihrem tanzbaren, rockigen Sound viele Leute vor die Hauptbühne. Das Duo aus Amerika spielte ein sauberes Konzert und stellte ihr musikalisches Können unter Beweis. Die Hits wurden gespielt, das Publikum war zufrieden und feierte die Band. Ich persönlich hätte mir ein bisschen mehr Action auf der Bühne erhofft, denn den Sound dazu hätten sie auf alle Fälle.
Skindred – Kannten kein Pardon!
Die Jungs von Skindred mischten das St. Galler Sittertobel kräftig auf und begeisterten mit ihrem energiegeladenen Auftritt die Menge. Die Waliser sind bekannt für ihren ganz eigenen Mix aus Metal, Reggae und Punk. Mit dieser bunten Mischung ziehen die Herrschaften ein ziemlich vielseitiges Publikum an. Auch am OASG liessen sie sich nicht lumpen und bretterten ohne Pardon drauf los. Von der Bühne her kam eine gewaltige Energie, welche sich im Nu auf das Publikum übertrug. Frontmann Benji Webbe behielt während des ganzen Gigs trotz hitziger Temperaturen und kräftigem Abrocken seine Jacke an. Also definitiv ein echt harter Kerl.
Chvrches – Mit bittersüsser Melancholie in die Herzen der Zuschauer!
Die schottische Synthpop-Band ist bis heute noch eher ein Geheimtipp. Ich freute mich riesig auf das Konzert des Trios, denn ich habe mich schon im Vorfeld sehr mit ihren melancholischen und zarten Klängen angefreundet. Ich schien nicht die einzige zu sein, denn das Zelt der Sternenbühne war zum Bersten voll. Die zierliche Sängerin schaffte es sofort, sich in die Herzen der Zuschauer zu singen. Der Auftritt von Chvrches war sehr melancholisch und ruhig. Es wurde sich sehr wenig bewegt und auch die Ansagen wurden knapp gehalten. Das ganze Zelt versank in einem Zauber aus süssen Klängen und schwermütigem Synth-Sound. Alles in allem ein eher kühler Auftritt, was mich jedoch keinesfalls störte. Im Gegenteil, es passte alles zusammen. Musik, Stimmung und Auftritt. Dieses grandiose Gesamtpaket machte das Konzert der jungen Band zu einem weiteren persönlichen Highlight.
Seeed – Der Open Air Klassiker schlechthin!
Die Band rund um Alleskönner Peter Fox ist ein äusserst gerne gesehener Gast auf Festivals, denn Seeed gelten als gnadenlose Stimmungsmacher. Wie erwartet schlug die Band ein wie eine Bombe. Der Platz vor der Bühne war masslos überfüllt und es wurde getanzt, was das Zeug hält. Das Konzert von Seeed war das letzte, welches vom sintflutartigen Regen verschont wurde. Glück gehabt! Dennoch – egal wo, egal wie, egal wann und egal welches Wetter, Seeed machen Spass und wissen die Menge zu unterhalten.
Bastille – Musikalisch einwandfrei, dennoch blieb die Euphorie aus!
Bastille hatte die nicht gerade einfache Aufgabe, bei Dauerregen am Sonntagnachmittag die Leute bei Laune zu halten und sie den unerwünschten Regen vergessen zu lassen. Der Chart-Stürmer aus Grossbritannien wurde trotz strömendem Regen freudig erwartet. Bastille lieferte musikalisch eine solide Leistung ab und brachte auch jeden zu erwartenden Radiohit.
Dennoch war mir persönlich alles zu glatt. Die Band um Sänger Dan Smith schaffte es nicht wirklich, den Draht zum Publikum zu finden. Die Ecken und Kanten, die Spielfreude und die Leidenschaft, die für mich ein Konzert ausmachen, blieben komplett aus. Musikalisch kann man den Engländern definitiv nichts vorwerfen, trotzdem wollte nicht so richtiges Musikfieber aufkommen. Ob es am eher durchzogenen Auftritt oder doch am scheusslichen Regenwetter lag, bleibt offen.
Imagine Dragons – Fulminanter Abschluss, wie er besser nicht hätte sein können!
Die Dragons schafften das Unglaubliche. Nach üblem Dauerregen brachten sie die Sonne zurück. Trotz des hartnäckigen Regens blieben noch viele tapfere Krieger bis zum bitteren Ende des Festivals. Imagine Dragons war der letze Act, welcher die Hauptbühne enterte. Schon vom ersten Song an wussten die verbliebenen Musikfans, dass sich das Ausharren im kühlen Nass definitiv gelohnt hatte. Die Amerikaner machten ihrem Ruf als unglaublich gute Live-Band alle Ehre und eroberten das OASG im Sturm.
Am Anfang des Konzertes schüttete es immer noch wie aus Eimern. Doch selbst dieses Übel ging vergessen. Die Dragons wissen definitiv, was es heisst, auf der Bühne alles zu geben. Es wurde getrommelt, gesprungen und sich die Kehle aus dem Leib geschrien. Man merkte der Band gut an, dass sie eine höllische Freude an ihrem Auftritt hatten. Der grosse Applaus vom Publikum spornte die Jungs nur noch weiter an. Beim Song „On Top Of The World“ wurde die ganze Menschenmenge aufgefordert zu springen. Diese Aufgabe wurde brav ausgeführt und so sprang das ganze Publikum euphorisch drauf los (hallo Schlamm). Während des Hüpf-Schlamm-Hüpf-Schlamm-Aktes brachen plötzlich die Wolken auf und die Sonne kam zum Vorschein. Das ganze Gelände brach in tosenden Applaus aus. Auch Sänger Dan Reynolds war sichtlich geplättet von der Macht des Augenblicks. Die Sonne war dann genauso schnell wieder weg, wie sie gekommen war. Dennoch, für mich haben Imagine Dragons die Sonne zurückgebracht, mit oder ohne realen Sonnenschein.
SCHLUSSWORT
Egal, ob fieser Regen oder heiterer Sonnenschein – ich habe mein Festivalwochenende sehr genossen. Das lag an der guten Organisation des Festivals, am schönen Gelände, und natürlich auch an der tollen Live-Musik, welche dieses Wochenende auf keinen Fall zu kurz kam.
NACHTRAG
Lieber Petrus. Du darfst auch nächstes Jahr wieder deine miesepetrige Laune am OASG auslassen. Aber sei gewarnt, dieses Festival ist mit allen Wassern gewaschen und lässt sich die Laune so schnell nicht verderben. Sorry Petrus, aber dein regnerisches Getue verdirbt auf dem Sittertobel niemandem die Freude an diesem tollen Festival. Somit kannst du den Regen für nächstes Jahr gleich weglassen.
Herzlich,
Miriam
Text + Bilder: Miriam Ritler