Datum: 27. – 30. Juni 2013
Ort: Sittertobel – St. Gallen
Webseite: Openair St. Gallen
Am Sonntag ging die 37. Ausgabe des OpenAir St. Gallen zu Ende. Es war ein Festival der Extreme. Extrem schlammig, extreme Wetterkapriolen, extrem bargeldlos, aber vor allem extrem gute Stimmung. Aber alles der Reihe nach.
Die ersten Besucher warteten bereits am Dienstag vor dem Eingang, bis am Donnerstag die Tore geöffnet wurden und sich schon nach wenigen Stunden 20’000 Besucher auf dem Festivalgelände, im wunderschönen Sittertobel in der Nähe von St. Gallen, einfanden. Der befürchtete Stau wegen den neuen Festivalbändeln, der gleichzeitig einen Chip enthält, den man mit Geld aufladen kann und dann auf dem Gelände als Zahlungsmittel dient, blieb aus. Das Gelände war übrigens noch mit Wiesen bedeckt, doch 20’000 Besucher und die Regenfälle der letzten paar Tagen verwandelten es innert kürzester Zeit in ein Schlammdorado.
Musikalisch wurde am Donnerstag zwar noch nicht viel geboten. Auf der Sternenbühne, dass ist die kleinere der beiden Bühnen, spielten Royal Republic, Die Antwoord und Klangkarussell.
Am Freitagnachmittag ging es dann weiter mit Fidlar, die ich leider verpasste, weil genau als ich das Ticket zum Bändel umtauschen wollte das Cashless System „Offline“ ging und ich eine geschlagene Stunde, zum Glück bei strahlendem Sonnenschein, warten durfte, bis das Problem behoben war. Dies war aber dann schon die einzige negative Erfahrung mit diesem neuen System, alles andere ging extrem viel schneller, z.B. Bier holen.
Pünktlich zu Macklemore & Ryan Lewis war ich auf dem Gelände. Obwohl ich nicht so der HipHop Enthusiast bin, gefiel mir die Show, das ist noch Entertainment. Zuerst liess er sich eine männliche Gummipuppe aus dem Publikum geben und zog ihm dann ein Santa Claus T-Shirt, ebenfalls aus dem Publikum zugeworfen, an. Das eher junge Publikum fands lustig. Was weniger lustig war, dass da jemand Pyros und Rauch in der dichten Menge zünden musste.
Nach ihren Hits Thrift Shop usw. ging es mit eher gemütlicheren Klängen von Of Monster and Men aus Island weiter. Die herzlichen Nordländer, die sich gerade irgendwo in einem Second Hand Laden frisch eingekleidet hatten, kühlten die aufgeheizte Stimmung wieder etwas ab. Ihre Show war aber trotzdem kurzweilig und ihr bekanntester Song „Little Talks“, welche sie am Schluss spielten, brachte alle zum Klatschen und Mitsingen.
Um mir die Wartezeit auf den Mainact des Abends zu verkürzen, horchte ich noch zu den Klängen von Philipp Poisel, echt düster was er in seinen Songs verarbeitet, auf alle Fälle nichts für suizidgefährdete Personen.
Endlich, endlich war es soweit, 22:30 Uhr und die Mannen von Biffy Clyro traten, wie immer oben ohne, auf die Sitterbühne. Ihre knapp zwei stündige, powervolle Show und die abwechselnd schnelleren und langsameren Titel begeisterten, die im knöcheltiefen Schlamm stehenden Fans. Die Band freut sich nach über 2 Jahren wieder auf Tour gehen zu können und das merkte man extrem an ihrer Ausstrahlung und an der Art zu musizieren.
Zum Samstag, steht auf meinem Notizzettel, nur ein Wort „Regen“ – echt hässlich, aber ja, da musste ich durch. Spätestens jetzt hatte man ohne Regenschutz und Gummistiefel auf dem Gelände definitiv verloren, vor der Rollstuhltribüne hatte sich ein kleiner See gebildet, auf dem sich ein paar Witzbolde auf ihren Luftmatratzen treiben liessen.
Zu Steffe la Cheffe kann ich leider nur sagen „Ha kei ahnig“ wie ihre Show war, ich verkroch mich im trockenen Medienbereich und hörte nur die wummernden Bässe, welche die Spinttürchen zum Scheppern brachte, wie keine Band zuvor.
Zu Callejon aus Deutschland wagte ich mich wieder in den Regen hinaus. Vor der Bühne tummelten sich nur ein paar ganz hartgesottene Metal Fans, die schon fast nicht mehr als Menschen erkennbar waren, so verschmiert waren sie mit Schlamm. Ein bisschen mehr Zuschauer, hätte Callejon also schon verdient, schliesslich waren sie beinahe die einzige Band am Festival, die ein bisschen härtere Töne anschlug. Die Wenigen die da waren, gaben aber alles um zu Cover Songs wie „Schwule Mädchen“ voll abzupögen.
Danach gaben Rival Sons ihr bestes das Publikum, welches wegen dem etwas nachlassenden Regen sich vor der Bühne versammelte, zu unterhalten. Ihr Blues Rock tat es leider nicht und so freute ich mich umso mehr auf Bonaparte.
Die Schweizer Combo, bot eine gnadenlose Show, es ging ab wie in einem kranken und farbenfrohen Zirkus, es wurde gehüpft, gesprungen und getanzt. Die beiden Frauen zogen sich fast im Minuten Takt um, man kam fast nicht mit wo man auf der Sitterbühne hinschauen sollte. Ihr Sound erinnerte mich sehr stark an Beastie Boys.
Band of Horses stand als nächstes auf dem Programm. Leider gingen sie eher in die Richtung der Rival Sons, nicht so mein Ding. Bis zu diesem Zeitpunkt, hatte mich das Samstagsprogramm nicht vom Hocker gerissen, darum mussten Kings of Leon diesen Eindruck retten.
Petrus drehte leider den Wasserhahn gerade rechtzeitig zu den ersten Klängen wieder voll auf. Die Stimmung im Publikum war aber trotzdem gut. Leider musste man sich aber ziemlich lange gedulden, bis dann die ganz grossen Hits, wie „Use somebody“ und „Sex on Fire“ am Ende des Konzerts und in der Zugabe gespielt wurden. Caleb Followill entschuldigte sich noch mehrmals für das schlechte Wetter und es freue sie ausserordentlich, dass soviele Leute trotz des Dauerregens gekommen seien.
Am Sonntagmorgen, war irgendetwas anders, ah ja, das Plätschern, des Regens, hat der Sonne Platz gemacht. Rechtzeitig zum ersten Highlight des Sonntags, war ich wieder auf dem Platz, Patent Ochsner heizten dem Publikum ein und dieses sang bei fast allen Songs, wie „Fischer“, „Ludmilla“, „WNuss vo Bümpliz“ und zum Schluss „Scharlachrot“, lautstark mit. Die Band hatte daran sichtlich Freude und viele unterem anderen ich stellten fest, dass hier Vollblut Musiker auf der Bühne standen, jeder beherrschte mehr als nur ein Instrument in Perfektion, einfach grandios.
Darauf folgten The Lumineers aus den USA, die schon, wie ich glaubte, bei ihrem vierten Lied all ihr Pulver mit „Hey ho“, verschoss. Die folgenden Lieder die sie vortrugen, waren aber auch nicht schlecht und dem Publikum gefielen diese ebenso. Eine unterhaltsame Show mit einer Cellistin, die alle männlichen Anwesenden, mit ihrer Ausstrahlung vom Hocker haute. Obwohl ein Hocker im nun, dank der Sonne, ziemlich zäh gewordenen Schlamm ziemlich sicher steckengeblieben wäre.
Das österreichische Kombo The Parov Stelar Band war dann so quasi die Vorband zu den Ärzten, was stilistisch nicht gerade passte, aber ihr Elektro Swing war wirklich toll und animierte, bei nun phänomenal, warmem Festivalwetter, zum Tanzen. Dies tat auch der Hinterletzte, sofern er sich im zähen Schlamm bewegen konnte. Das Aussehen, der Frontsängerin erinnerte mich sehr stark an Skin von Skunk Anansie, aber nur das Aussehen.
Die Ärzte, die beste Band der Welt, wie sie sich selber bezeichnen, betrat pünktlich um 17:45 Uhr die Bühne der Sitterbühne. Und bretterten gleich los und waren in äusserst guter Stimmung und rissen Spruch um Spruch. Ich frage mich ehrlich, ob die eine Setlist im vornherein überhaupt festlegen, irgendwie ist das wie eine Jam Session. Das Publikum war, wie schon den ganzen Tag, in sehr guter Stimmung, da rufte wohl der eine oder andere seine letzten Reserven ab.
Auf alle Fälle wurde wieder lautstark mitgesungen. Den Spruch, das wohl Kings of Leon zu einem anderen Gott gebetet hatten, als sie, fanden nicht alle so wahnsinnig lustig, aber es musste stimmen, den sie brachten schliesslich das gute Wetter mit. Bei „Unrockbar“ baten sie noch alle sich hinzusetzen und erst beim Wort „Unrockbar“, sich wieder zu erheben, dem folgten erstaunlich viele.
Natürlich reichten zwei Stunden Spielzeit und drei Zugaben, für Die Ärzte nicht, um all ihre Hits zu spielen, vermisst wurden aber ihre ganz grossen Kracher wie „Männer sind Schweine“, „Manchmal haben Frauen …“ oder „Elke“. Da bei diversen Anwesenden, dann schon vor der Zugabe doch die Energie ausging, hatte man plötzlich sehr viel Platz.
Trotzdem ein würdiger Abschluss für dieses Festival der Extreme, welches Top organisiert war, jede Band stand überpünktlich auf der Bühne, der Einlass der Menschenmenge, ging flott über die Bühne und auch beim Verlassen des Geländes war alles sehr speditiv und durchdacht. Bye bye Schlamm und bis zum nächsten Jahr Ende Juni im Sittertobel.
Setlist die ärzte:
Wie es geht
2000 Mädchen
Bettmagnet
Hurra
Tamagotchi
Lasse redn
Ist das noch Punkrock?
Revolution ’94 / Kopfüber in die Hölle
Meine Freunde
Perfekt
Waldspaziergang mit Folgen
Lied vom Scheitern
Wir sind die Besten
Angekumpelt
1/2 Lovesong
(„Das finde ich gut“ angespielt)
ZeiDverschwÄndung
Fiasko
Ignorama
Schrei nach Liebe
Unrockbar
Encore:
Der Graf
Rebell
Deine Schuld
Junge
Encore 2:
Himmelblau
Westerland
TCR
(„Bitte Bitte“ angespielt)
Zu spät
Dauerwelle vs. Minipli
Encore 3:
Geschwisterliebe
(Punkversion)
Ist das alles?
[Quelle: setlist.fm]
Text + Bilder: Marcel Schlatter