openairgraenichen.ch
Sylosis + Dool + Breakdown Of Sanity + The Bridge City Sinners + Alkaline Trio + Ankor + Dritte Wahl + The Warning + Future Static + Velvet Two Stripes + A Small District + Vicious Rain + Vodew
Moortal – Gränichen
Samstag, 3. August 2024
Text: David Spring / Bilder: Berend Stettler
Was viele von uns schon wussten, hat sich auch dieses Jahr wieder bewahrheitet: das Openair Gränichen ist wohl das beste Festival des Landes! Vergangenen Freitag und Samstag pilgerten einmal mehr Tausende von Fans der harten Klänge ins beschauliche Moortal, um beim sage und schreibe 30-jährigen Jubiläum des Openairs dabei sein zu dürfen. Es sollte matschig, wild, laut und einfach wundervoll werden.
Der Freitag war gezeichnet vom Regen. Obwohl es eigentlich sonnig startete, öffneten sich bald schon die Himmelspforten und es folgten mehrere kurze, aber umso heftigere Regenschauer, die das ganze Gelände in ein einziges Schlammbad verwandelten. Doch natürlich liess sich die geübte Festival-Crowd davon nicht abschrecken und feierte umso härter. Musikalisch gab es ein dem Openair Gränichen mehr als würdiges Programm. Von lokalen Helden wie The Fox In The Basement, Expellow, Malewicz und Ruined über glorreichen Metal und Hardcore wie Rise Of The Northstar, Hatebreed, Novelists, Konvent, Vale Tudo und Voice Of Ruin bis hin astreinem Punk von March, Acht Eimer Hühnerherzen, Adam Angst und natürlich den grossen Descendents, dem Headliner des ersten Abends, war für jeden Geschmack etwas dabei. Weder Schlamm noch Matsch konnten das Publikum aus der Laune bringen, die wie immer vorzügliche Organisation, die freundlichen Mitarbeitenden und die genialen, motivierten und abwechslungsreichen Bands sorgten für einen unvergleichlichen Tag.
Da sich unser Schreiberling hier allerdings zwischenzeitlich selber auf der Bühne befand, fällt die Berichterstattung etwas knapper aus. Doch falls du es noch nicht gesehen hast, gibt es hier unsere komplette Fotogalerie zum Freitag am OAG24, um nochmals in Erinnerungen schwelgen zu können.
Der Samstag versprach zum Glück einiges trockener zu werden. Obwohl das Gelände noch lange eher sumpfig war und sich durch das verteilte Stroh und die sehr heissen Temperaturen ein ordentlich klebriger Matsch bildete, waren die Konditionen um Welten besser. Um die strapazierten Gelenke der Besuchenden gleich so richtig herauszufordern, ging es mit Vodew volle Pulle los. 90s Skatepunk und Hardcore wie aus dem Bilderbuch, rasant, melodiös und voller Energie. Die Band war sichtlich erfreut darüber, hier spielen zu dürfen, entsprechend war die Stimmung auf der Bühne genauso toll, wie davor. Was für ein grossartiger Auftakt für den heutigen Tag. Unglaublich stark ging es weiter, und zwar mit Vicious Rain. Bei strahlendem Sonnenschein eröffnete die Metalcore-Truppe aus Baden die Mainstage und überzeugte sogleich mit unglaublicher Spielfreude und einer Tonne Energie. Mal vernichtend heavy, mal mit vorzüglichen Gitarrenleads war das der perfekte Soundtrack für den frühen Nachmittag. Das Gränichen-Publikum bewies sich einmal mehr als das beste, denn der Platz vor der Bühne war bereits jetzt schon voll und es wurde gefeiert, was das Zeug hält. Was für eine Band, was für eine Stimmung!
In der Sounderia folgten als nächstes A Small District aus Thun. Die energiegeladene Band zeigte, dass Nu Metal nichts Verkehrtes ist, wenn man es richtig macht. Mit ordentlich Groove und viel Abwechslung vermochten die Vier die Leute vor der Zeltbühne in Bewegung zu bringen. Dazu gelegentliche elektronische Elemente und wundervolles Geschrei, so macht das Spass – Nackenbrechermusik vom Feinsten. Danach wurde es auf der Hauptbühne etwas gezähmter, aber nicht weniger aufregend. Da spielten nun nämlich Velvet Two Stripes und ihr saftiger Rock war genau das Richtige für den heissen Nachmittag. Die drei Musikerinnen und ihr Schlagzeuger lieferten ein Feuerwerk an grossartigen Gitarrensolos, emotionalen Gesängen, polternden Rhythmen und genialen Songs ab. Das Lineup des Openairs Gränichen hielt wirklich alles, was es versprach, mit unglaublich viel Abwechslung und durchgehend wundervollen Bands, wobei es vor allem schön war, dass sich neben den ganzen Stars auch wirklich viele lokale Musiker:innen auf den Bühnen wiederfanden. Was für ein Fest!
Auch abseits der Bühnen stimmte in Gränichen eigentlich alles. Für die Toiletten musste man kaum je gross anstehen, für das leibliche Wohl war mit so vielen und so unterschiedlichen Essensständen wie noch nie bestens gesorgt und wer danach noch immer einen zu schweren Geldbeutel hatte, konnte sich mit allerlei Goodies von Band- und Festival-Merch bis hin zu Socken von Planetspade oder einer guten Tat für den Planeten bei Sea Shepherd eindecken. Auch für das gut beschilderte Awareness-Konzept ist dem Festival ein Kränzchen zu winden, und die Organisation verlief wie immer hervorragend – von Selfie-willigen Securities über das gutgelaunte Barpersonal bis hin zu all den freiwilligen Helfer:innen, die im Hintergrund rund um die Uhr alles für den reibungslosen Ablauf taten, es stimmte alles. Was anderes haben wir vom Gränichen aber auch nicht erwartet.
Mit Future Static ging es in der Sounderia lautstark weiter. Die moderne Metalband aus Melbourne hatte zwar zwischenzeitlich mit ein paar technischen Problemen zu kämpfen, liess sich davon aber nichts anmerken und lieferte eine vorzügliche Show ab. Die Leute feierten ausgelassen und gingen zum druckvollen Sound der Band ab, wobei natürlich vor allem Sängerin Amariah Cook mit ihren von an Evanescence erinnernden bis vernichtend harschen Vocals im Zentrum stand. Starke Sache, das! Geballte Frauenpower gab es erneut auf der Mainstage, wo nun die drei Schwestern von The Warning aus Mexiko an der Reihe waren. Dieses fulminante Trio war dem Rock mit Herz und Seele verschrieben. Unglaublich talentiert und druckvoll legten sie Hit um Hit an den Tag, und obwohl alle drei sich gelegentlich den Lead-Gesang teilten, war es vor allem Gitarristin Daniela, die mit ihrer unglaublichen Stimme überzeugte (ganz zu schweigen von den glorreichen Solos und Gitarrenriffs). Das war ein wahrlich explosives Brett und eine grosse Entdeckung, die uns das Gränichen hier bescherte.
Es hätte nun die Hardcore-Gruppe Escuela Grind aufspielen sollen, jedoch steckten sie am Zoll fest und mussten darum ihren Auftritt kurzfristig absagen. Dies hatte eine kleine, unerwartete Pause im Programm zur Folge, die dem Kräftehaushalt vieler Anwesenden nicht ungelegen kam. Doch lange währte die Ruhe nicht, denn Dritte Wahl entschieden sich kurzerhand, ihr Set etwas zu verlängern und 15 Minuten früher zu beginnen. Da hatte natürlich niemand etwas dagegen einzuwenden und so folgte ein wundervoller, gutgelaunter Auftritt der legendären Punk-Band aus Rostock. Während viele Bands sich heute mit Ansagen eher zurückhielten, so wussten Dritte Wahl vorzüglich zu unterhalten. Spätestens, als sie sich als «Balladen-Weltmeister des Punks» vorstellten, war das Gelächter gross. Die Band ist immer wieder ein Garant für gute Laune und beste Unterhaltung, das Set schien heute, den heissen Temperaturen entsprechend, etwas entspannter zu sein, doch der muntere Pogo-Pit vor der Bühne liess sich nicht aufhalten. Immerhin wurde irgendwann sogar ein grosser Sonnenschirm mitten in den Leuten gesichtet, der im Verlauf des Konzerts immer mehr in Mitleidenschaft gezogen wurde. Das OAG-Publikum, wie es leibt und lebt.
Von Gemütlichkeit war dann auf der Sounderia-Bühne kaum etwas zu merken, denn da spielten nun Ankor und damit meine Entdeckung des Festivals. Die hübschen Blumen auf der Bühne liessen vielleicht anderes erwarten, doch die Band aus Katalonien liess nichts anbrennen und brachte das Zelt zum Kochen. Der moderne Alternative Metal/Metalcore der Band überzeugte durch das immense Können der Musiker:innen sowie die frische, abwechslungsreiche Soundpalette. Die volle Bandbreite bewiesen Ankor, als auf ein relativ poppiges Stück eine ultimativ heftige Metalcore-Walze auf uns losgelassen wurde. Sängerin Jessie Williams schrie sich dabei die Seele aus dem Leib, doch der heimliche Star der Band war Drummerin Eleni Nota. Sie nämlich spielte so genial, dass nicht einmal ihr Schlagzeugsolo negativ auffiel – und das, obwohl es eigentlich kaum etwas Schlimmeres als Schlagzeugsolos gibt. Einfach perfekt, was die Band hier ablieferte und eine wahre Freude, eine solch talentierte, gutgelaunte Band entdecken zu dürfen.
Mit dem legendären Alkaline Trio stand danach bereits einer der Co-Headliner des heutigen Tages auf dem Plan. Und die gestandenen Punkrocker aus Chicago hinterliessen nichts als verbrannte Erde. Mit dem vielleicht besten Gitarren- und Bass-Sound des Festivals, sympathischem Humor und unsterblichen Hits veranstalteten die drei einen wahrhaft einzigartigen Abriss. Ein Highlight war insbesondere der Song «Armageddon», vor welchem sich Sänger/Gitarrist Matt Skiba für das schöne Festival bedankte und die Schweizer Landschaft lobte, was durchaus witzig war, findet das Openair ja eigentlich in einem Steinbruch, also nicht dem aller-ehrfurchterregendsten Flecken des Landes, statt. Umso cooler war dann auch, dass Skiba kurzerhand den Text zu «there we were arm in arm in Switzerland» änderte. Alkaline Trio lieferten eine perfekte Show ab, die Leute drehten entsprechend durch und die Band war zweifellos eines der absoluten Highlights an diesem an Highlights wahrlich nicht armen Festival.
Mit The Bridge City Sinners ging es dann wieder etwas ruhiger, aber nicht weniger wild zu und her. Die einzigartige Band aus Portland spielte mit Banjo, Violine und Kontrabass auf, und vermochte vor allem dank der unvergleichlichen Präsenz von Sängerin Libby Lux sogleich zu überzeugen. Es war ein Leichtes, beim grossartigen Folk-Punk der Band freudig abzugehen und das Lächeln ging vielen nicht mehr von den Lippen. Amüsant war, als das Publikum wie wild jubelte, als Lux einen Schluck Wasser trank und diese dann meinte, wir sollen ihr doch bitte immer überall hin folgen und jedes Mal jubeln, wenn sie etwas trinkt. Was für eine einzigartige Band. Und damit war es dann auch schon Zeit für den heutigen Headliner, die unvergleichlichen Breakdown Of Sanity. Zum ersten Mal seit sieben Jahren spielten die Metalcore-Helden wieder einmal in der Heimat und entsprechend war dann wirklich das ganze Festival auf den Beinen, um diesem Spektakel beizuwohnen. Die gewaltigen Brekadowns, brutalen Riffs und die schiere Spielfreude führten zu einem Abriss sondergleichen. Wer sich zuvor vielleicht gefragt hatte, ob es die Band immer noch bringt, wurde schnell eines Besseren belehrt: was für ein fulminantes, episches Heimspiel einer der wichtigsten heavy Bands unseres Landes. Breakdown Of Sanity waren verdientermassen der Headliner, die Leute hatten unglaublich Spass und auch die Band freute sich unglaublich, hier heute da sein zu dürfen. Wahnsinn, was für ein Fest!
Obwohl danach noch die fantastischen Dool und als krönender Abschluss Sylosis folgten, war damit für mich Schicht im Schacht. Wie eingangs erwähnt, bewies sich das Openair Gränichen einmal mehr als das schönste, beste und sympathischste Festival unseres Landes und es war uns eine Freude und Ehre, beim 30jährigen Jubiläum dabei sein zu dürfen. Ein riesiges Danke geht an jede einzelne Band, an alle helfenden Menschen und an das gesamte Team des Festivals – wir freuen uns schon auf nächstes Jahr! Schön, dass es das OAG gibt!
Open Air Gränichen 2024 – Freitag