openairgraenichen.ch
Pennywise + Bury Tomorrow + Annie Taylor + Brothers Till We Die + Flo LeBeau + Good Riddance + NOFNOG + Path Of Resurgence + Save Your Last Breath + Shadow Of Intent + Svalbard + Terror + The Baboon Show + The High Times
Moortal – Gränichen
Samstag, 5. August 2023
Text: David Spring / Bilder: Berend Stettler
Gut ausgeschlafen und ausgeruht startet man bekanntlich am besten in den Tag, bereit für alle Schandtaten, vor allem aber für eine geballte Ladung Punk und Metal. Leider ist ein Festival überhaupt nicht dienlich für guten Schlaf und so war es eine harte und mühselige Aufgabe, am Samstagmorgen in die Gänge zu kommen und den zweiten Tag des wundervollen Open Air Gränichens in Angriff zu nehmen. Zum Glück versprach der Wetterbericht heute nur Sonnenschein und angenehme Temperaturen, so standen die Zeichen für einen grossartigen, wilden Festival-Tag bestens.
Verhältnismässig gemütlich ging es um 13:30 Uhr auch los, als der talentierte Troubadour Flo LeBeau mit seiner Gitarre bewaffnet die Sounderia-Bühne betrat und den Gränichen-Samstag offiziell eröffnete. Einen passenderen Act hätte sich das OK kaum auswählen können, denn der junge Herr hatte die Leute von Beginn an voll im Griff. Es wurde gejubelt, getanzt und freudig abgegangen. Ähnlich gutgelaunt ging es auf der Mainstage mit The High Times weiter. Diese legten voller Power und Energie los, ihr melodiöser und ansprechender Punkrock genau das richtige für die frühen Nachmittagsstunden. Dies dachten auch vier oder fünf Leute im Publikum, die zum wohl entspanntesten Circle Pit aller Zeiten ansetzten und vergnügt im Kreis joggten. Die Band verbreitete nichts als gute Laune, von den schüchternen, verhaltenen Ansagen bis hin zum knackig rasanten Punkrock, einfach gut.
Danach war dann aber fertig mit Frohlocken, denn Path Of Resurgence luden in der Sounderia zum ultimativen Abriss. Der fantastisch wütende und aggressive Hardcore der Band aus Lausanne war für manche vielleicht etwas zu viel des Guten, zumal der Gesang der Sängerin so unglaublich wutverzerrt und brachial war. Doch gleichzeitig war es eine kathartische Freude, eine offen queere Band mit solch starker Ansage dabei zu haben. Sehr cool, was die jungen Menschen da veranstalteten, und unglaublich wichtig. Ebenfalls lokal, dafür etwas ruhiger gingen danach die Lieblinge der Schweizer Rock-Welt, Annie Taylor, zugange. Mit ihrem formidablen, psychedlisch angehauchten Rock passten auch sie hervorragend auf die sonnige Mainstage. Ihr Sound war an dem sonst ziemlich harten Festival eine willkommene Abwechslung, und es ist zweifellos klar, dass Gini Jungi und ihre Mannen mitunter zum Besten gehören, was die Schweizer Rock-Szene derzeit zu bieten hat.
Wie gesagt war das Line-Up eher heftiger Natur, denn es folgten nun gleich drei brutale Hardcore-Schwergewichte: Save Your Last Breath brachten als erstes die Sounderia mit ihrem blackened Deathcore zum Brodeln. Interessant, abwechslungsreich und voller Energie liessen die Lokalhelden keinen Stein auf dem anderen. Um die Energie so hoch wie möglich zu behalten, stand auf der Mainstage danach eine der Bands in den Startlöchern, auf die sich am diesjährigen Open Air Gränichen wohl am meisten Menschen freuten: Terror. Die Hardcore-Urgesteine legten eine vernichtende Show hin und hatten die Leute voll im Griff. Eine absolut mächtige Band und unbestreitbare Helden des Genres. Den Abschluss der Gränichen-Hardcore-Trilogie machte dann eine der wohl allseits beliebtesten Schweizer-Formationen: NOFNOG. Die vier Jungs aus St. Gallen überzeugten mit unvergleichlicher Energie und Spielfreude. Einfach geil zu wissen, dass unsere kleine Szene solch hochkarätige Bands zum Vorschein bringen kann.
Dies ist nun auch der richtige Moment, um nochmals der Organisation des Open Airs etwas lobzuhudeln. Dass die ganzen Helfenden, die das OAG jedes Jahr wieder zu einem solchen Erfolg werden lassen, immer wieder solch wunderbare Arbeit leisten, ist keine Selbstverständlichkeit. Man merkt wirklich an jeder Ecke und überall, dass hier Menschen mit unglaublich viel Herzblut und Leidenschaft dabei sind. Von freudig fröhlichen Bier- und Essensverkaufenden, die trotz Stress immer zu einem Scherz aufgelegt sind, über das freundliche und hilfsbereite Security-Personal (ein grosses Kompliment hier auch für das gut verbreitete Awareness-Konzept) bis hin zu all den wackeren Menschen, die im Hintergrund in der Logistik, bei der Besucherkontrolle, beim Auf- und Abbau oder natürlich in der Organisation tätig sind, ihnen allen gehört ein riesgengrosses und dankbares Kränzchen gewunden. Danke, dass ihr alle das jedes Jahr wieder so grossartig macht. Darum auch mehr als verdient, dass die 2023er Ausgabe des Festivals erneut restlos ausverkauft war.
Doch genug Arschkriecherei, denn weiter ging es mit saftigem Punk’n’Roll in Form der grossartigen The Baboon Show. Derzeit führt kein Weg an der munteren Bande aus Schweden vorbei, und dies zurecht. Kaum eine Band liefert dieser Tage solch grandiose, eingängige Songs ab und bietet dabei eine dermassen energiegeladen und sympathische Show ab, wie sie. Ein riesiges Highlight an diesem an Highlights wahrlich nicht armen Festival. Brothers Till We Die fuhren danach wieder härtere Klänge auf, die Hardcore-Gruppe aus Madrid rockte die Sounderia und überzeugte mit brutalen Riffs, ordentlich Groove und einer faszinierenden Sängerin. Da sich in wenigen Stunden bereits das Ende des Tages abzeichnete, waren nun nur noch Höhepunkte zu erwarten und es ging höchstkarätig weiter. Zuerst gab es aber noch eine romantische Überraschung, als jemand aus den Reihen des OKs seiner Angebeteten auf der Mainstage vor versammeltem Festival einen Heiratsantrag machte. Das OAG ist eine wunderschöne Familie und es erfüllt selbst das härteste Herz, wenn solch kleine, persönlichen Überraschungen von allen frenetisch abgefeiert werden. Glückwünsche also auch von unserer Seite.
Bury Tomorrow boten die nächste Superlative. Der druckvolle, melodiöse und heftige Metalcore der Engländer riss die Menschen im Moortal mit, die Nackenmuskeln wurden strapaziert und viele Kehlen wundgeschrien. Die unglaublich fetten Breakdowns, vernichtenden Riffs und die schiere Gewalt der Band liess nichts zu Wünschen übrig. Von einer legendären Band zur nächsten ging es alsbald mit Good Riddance, die mit ihrem Vollgas-Punk der Sounderia alles abverlangten. Obwohl die Herren aus Santa Cruz schon ein paar Jahre auf dem Buckel hatten, wurden keine halben Sachen gemacht, rastlos und ohne Verschnaufpause gaben sie alles. Legendärer Ami-Punk war dann auch auf der Mainstage dran, denn der Samstags-Headliner war niemand geringeres als Pennywise. Obwohl man hier ehrlicherweise sagen muss, dass die Hochzeiten dieser Band schon etwas zurückliegen und man alles irgendwie auch schon oft gehört und gesehen hat, gehen die Vier immer noch hervorragend ab. Mit Punkrock-Klassikern wie „Fuck Authority“, „My Own Country“ und natürlich dem nicht totzukriegenden „Bro Hymn“ rockten sie die Gränichen-Mainstage ordentlich durch.
Für alle, die aber noch nicht genug hatten, gab es fast ganz zum Schluss dann nochmals ein richtiges Highlight auf der Zeltbühne. Da nämlich fanden sich zu später Stunde die fantastischen Svalbard ein, die uns mit ihrem gewaltigen, alles vernichtenden Post-Hardcore meets Black Metal ein letztes Mal alles abverlangten. Wie schon Fjørt am Vorabend war die schiere Macht und Gewalt der Band genau der perfekte Abschluss für diesen wundervollen Tag. Die letzte Band des Festivals waren danach Shadow Of Intent, deren vorzüglicher Deathcore dann leider aber dem Zugfahrplan nach Hause zum Opfer fiel. Doch auch so war es ein herrliches, musikalisches Vergnügen, das uns heute geboten wurde.
Und damit ist das Open Air Gränichen 2023 Geschichte. Es waren zwei hervorragende Tage, das Wetter spielte weitestgehend mit, die Besucher:innen zeigten sich von ihrer besten und wildesten Seite, die Bands überzeugten durchwegs auf allerhöchstem Niveau und das OAG bewies einmal mehr, dass es kein zweites solches Festival gibt in der Schweiz. Alles hat gestimmt. Danke, Gränichen, es war uns eine Freude und eine Ehre, das nächste Mal kann nicht schnell genug kommen.