openairgraenichen.ch
Bearthooth + Sondaschule + Stick To Your Guns + Akne Kid Joe + Bleed From Within + Carson + Fjørt + Glaascats + Grade 2 + Kassogtha + Landmvrks + Must Be Wrong + Scowl + Smorrms
Moortal – Gränichen
Freitag, 4. August 2023
Text: David Spring / Bilder: Berend Stettler
Es gibt wenige Institutionen, die in der Schweiz mehr Bestand haben, als das legendäre Open Air Gränichen. Das selbsternannte Boutique-Festival im Moortal zieht jedes Jahr wieder eine farbenfroh durchmischte Meute an Metal- und Punk-Fans und wartet mit einem unfassbar fetten Line-Up auf. Und obwohl der Wetterbericht die ganze Woche über nicht sehr vielversprechend aussah, war es auch bei der diesjährigen, nunmehr 27. Ausgabe nicht anders. Gränichen war einmal mehr der ultimative Place To Be.
Die Pforten öffneten sich am Freitag zu angenehmem Nieselregen. Das Festival-Areal erwartete uns mit offenen Armen. Ein reichhaltiges Verpflegungsangebot, das von Burger und Pizza bis hin zu veganen Leckereien reichte, vielfältige und gut gefüllte Bars, erstaunlich saubere sanitäre Anlagen und rundum wundervoller Vibe standen zur Verfügung. Und auch 2023 bewies das Open Air Gränichen schnell, warum es zur unabstreitbaren Speerspitze der Schweizer Festival-Landschaft gehört, man fühlt sich hier einfach umgehend wohl und zu Hause. Doch natürlich sind Pommes und Dixiklos nur Beigemüse, denn es geht ja vor allem um die Musik. Und diese ging es hochkarätig und mit Karracho los.
Um uns allen die Müdigkeit der vergangenen Arbeitswoche gehörig aus den Knochen zu fegen, stand als erstes brutaler, instrumentaler Prog-Metal aus Zürich auf dem Programm. Smorrms weckten uns mit ihren vertrackten Riffs und dem unglaublich fetten Sound in der Sounderia auf. Ein durchaus mutiger Opener, doch die Festivalgänger:innen gingen gleich hervorragend ab. Die Band spielte sich souverrän und voller Elan durch ihr kompliziertes Set und hinterliess die eine oder andere Kinnlade auf dem Boden. Nicht zum letzten Mal sollten sich heute unsere heimischen Band problemlos mit den grossen Namen der Szene messen können. Als nächstes stand eine weitere lokale Gruppe auf dem Plan: Must Be Wrong! Die drei gutgelaunten Punkrocker liessen nichts anbrennen, der schnelle, melodiöse Punkrock der Drei brachte rasch Bewegung auf. Zudem hatten sie mit Felix, einem kleinen, aufblasbaren Einhorn, den wohl wichtigsten Special Guest des Festivals dabei. Das pummelige Fabelwesen wurde von Beginn an munter über die Köpfe der Fans geworfen und war fortan von keinem Konzert mehr wegzudenken. Schon nur darum haben Must Be Wrong sämtliches Lob verdient, für ihre grossartigen Songs, den sympathische Humor und ihren grandiosen Auftritt erst recht.
Auf der Sounderia ging es danach mit Glaascats weiter. Die drei Fribourger:innen überzeugten mit sympathsichem Alternative-Rock und boten etwas weniger harte Klänge, was bestens in diesen schönen ersten Festival-Nachmittag passte. Bedeutend härter ging es auf der Hauptbühne zu und her, als Kassogtha ebenjene betraten. Fetter Melodic Deathmetal mit einer hervorragenden Sängerin, dazu auf einmal plötzlich strahlender Sonnenschein, was könnte schöner sein? Die Band aus Genf faszinierte mit ihrem druckvollen, harten Sound, der irgendwo zwischen Jinjer und Arch Enemy anzusiedeln ist, und lieferten eine geniale Show ab. Das Open Air Gränichen bewies dieses Jahr ein wahrlich goldenes Händchen dafür, uns das Allerbeste aus unserer heimischen Szene zu bieten.
Weiter ging es in der Sounderia mit Carson. Deren heftiger Stoner Rock stellte eher eine Genre-Rarität dar und überzeugte so erst recht. Mit cooler Attitüde und fetten Fuzz-Riffs brachten die Drei das aufgeheizte Zelt ordentlich in Wallung und verlangten vielen Nackenmuskaln alles ab. Einer der angenehmsten Aspekte des Open Airs ist ja, dass es zwischen den beiden Bühnen keine zeittechnischen Überschneidungen gibt und man immer problemlos von einer Band zur nächsten spazieren kann, ohne je etwas zu verpassen. Wahrscheinlich ist genau deswegen auch die Atmosphäre und der Vibe des Festivals ohnegleichen, es ist immer entspannt und wundervoll relaxed in Gränichen, egal wie heavy die Musik ist. Und heavy ging es weiter, als mit Bleed From Within die erste Band von ausserhalb der Schweiz auf dem Plan stand. Die Schotten überzeugten mit wüstem, groovendem Deathcore, erst recht aber mit ihrem unglaublich charmanten Akzent.
Wie abwechslungsreich das heutige Line-Up war, zeigte sich erneut, als auf der Zeltbühne die grossarigen Akne Kid Joe an der Reihe waren. Ihr schrammeliger Deutschpunk machte Spass und brachte Bewegung in die Leute. Natürlich war auch Felix wieder am Start, und wie es sich für die “Popband auf’m Metalfestival” gehört, durften auch garstige Casio-Keyboardklänge nicht fehlen. Traumhaft. Landmvrks rissen danach die Mainstage mit ihrem kreativen Metalcore ab. Mit geschicktem Einsatz von Rap- und gar Electro-Parts zeigten die Franzosen, dass Genre-Grenzen ein Ding der Vergangenheit sind. Richtig heavy wurde es dann bei Scowl, deren wilde Sängerin so dermassen von Energie und Agression sprühte, dass im bis zu hinterst gefüllten Sounderia-Zelt kein Stein auf dem anderen blieb.
Etwas Auflockerung gab es in der Form des Ska-Punks von Sondaschule, dem ersten Co-Headliners des Tages. Dass gut gemachter, aufrichtiger Punkrock mit deutschen Texten und ultra-tanzbarem Bläser-Einsatz noch jede Meute zum Durchdrehen bringen konnte, wurde auch an diesem schönen Freitag-Abend einmal mehr eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Vor allem zeigte die muntere Truppe aus Oberhausen erneut, wie unglaublich abwechslungsreich das Gränichen-Lineup war. Die Booker:innen haben hier wirklich ganze Arbeit geleistet, ein grosses Kompliment an dieser Stelle.
Grade 2 waren als nächstes dran und überzeugten mit geilem, geradlinigen Punkrock der amerikanischen Schule. Die Band stellte fest, dass sie es in zehn Jahren Karriere noch nie geschafft haben, einen langsamen Song zu schreiben. Darum entschieden sie sich zu ihrem Jubiläum kurzerhand, einfach noch schneller zu spielen. Richtig so. Nach diesem rasanten Ritt war es endlich Zeit für den Headliner: Beartooth! Die Band um Mastermind Caleb Shomo legte mit einer Wucht und Macht los, die ihresgleichen suchte. Obwohl der Sound zu Beginn etwas schlecht gemischt schien, riss die Band mit ihren epischen und erhabenen Songs sofort alle mit. Es folgten fünf Viertelstunden musikalischer Hochgenuss. Mit Hits wie “Disease”, “Hated”, “Riptide” oder dem wohl besten Song des Festivals, “Might Love Myself” boten Beartooth eine Show der Extraklasse. Selten hat sich eine Band ihren Headliner-Status so verdient gemacht, wie sie.
Doch fertig war damit noch nicht, denn die Sounderia wurde nach diesem fulminanten Gig von niemand geringerem als Stick To Your Guns heimgesucht. Hier ging es nochmals Vollgas zur Sache, der brutale, melodiöse Hardcore riss die Leute augenblicklich mit und es wurde uns alles abverlangt. Alle guten Dinge müssen irgendwann zu Ende kommen und nach den letzten beiden Gigs hätte man gut denken können, dass es besser nicht werden kann. Doch weit gefehlt, denn mit Fjørt spielte eine Band, die alles bisherige in den Schatten stellen sollte. Der schmerzverzerrte und unfassbar intensive Post-Hardcore der Drei war das ultimative Ende dieses fantastischen Tages. Was für eine Macht, was für eine Band, was für ein Tag.
Das Open Air Gränichen ist nicht ohne Grund eines der besten Festivals der Schweiz. Der heutige Tag zeigte eindrucksvoll, dass dieser Status mehr als verdient ist, denn es stimmte einfach alles. Von der tollen Location, dem reichhaligen Speiss- und Trank-Angebot, dem wundervoll angenehmen Vibe, den wundervoll durchmischten Fans von jung bis alt und dem absolut grossartigen Lineup, es war ein perfekter Tag. Danke Gränichen, see you tomorrow.