Datum: 20. Oktober 2014
Ort: Z7 – Pratteln
Bands: Mr. Big / Lion Minds
Die zwei Baselbieter Michael Trutman (Gitarre, zusätzlicher Gesang) und Patrick Moser (Gesang, zusätzliche Gitarre) starten diesen rockigen und herbstlichen Montagabend in der Konzertfabrik Z7. Für sie ist es also sozusagen ein Heimspiel. Die zwei Herzblut-Musiker rockten unter anderem früher zusammen bei der Band Mind Field und sind nun etwas ruhiger, unter dem Namen Lion Minds, unterwegs.
Mit ihren folkigen, schlichten Songs konnten mich Trutman und Moser leider nicht überzeugen. Sie wirkten leicht verloren auf dieser grossen Bühne und wären in einem kleinen Pub bestimmt besser zur Geltung gekommen. Ob das nur daran lag, dass Patrick Moser keine Gitarre spielen konnte, weil er den rechten Arm in der Schlaufe hatte, das wage ich zu bezweifeln. Nichts desto trotz gaben sie sich Mühe bei ihrem stark eingeschränkten Repertoire. Dadurch, dass „nur“ eine Gitarre zum Einsatz kommen konnte, waren sie gezwungen teilweise auf Covers zurück zu greifen.
Nach dem Auftritt von Lion Minds wurde das Publikum regelrecht wach gerüttelt, als „Fast As A Shark“ von Accept aus den Lautsprechern einem entgegenschlug. Weil die Vorband kürzer als geplant aufgetreten war, ergab sich eine relativ lange Pause, bis Mr. Big ihre dritte Show auf ihrer Tour anfingen.
Aber erst einmal ein paar Worte zur Band Mr. Big:
Die US Amerikaner fanden 1988 in folgender Konstellation zusammen: Basser Billy Sheehan (David Lee Roth, The Winery Dogs), Frontmann Eric Martin (Gastsänger bei Avantasia), Schlagzeuger Pat Torpey und Gitarrist Paul Gilbert (Hammer Of The Gods). In dieser Formation gelang ihnen mit dem zweiten Album „Lean Into It“ im Jahre 1991 der Durchbruch mit dem Titel „To Be With You“. Diese Ballade war ein Muss an allen Parties mit Slow Time Runden, wo heftig dazu geknutscht wurde und eng getanzt. Es gab kaum eine Möglichkeit, diesem Titel zu entkommen.
Doch die Band nur auf diesen romantischen Schmaus zu reduzieren, das wäre ein riesen Fehler! Denn dann verpasst man die vielen Hardrock Nummern mit mächtig Power wie zum Beispiel: „Daddy, Brother, Lover, Little Boy“ oder „Addicted to That Rush“.
Bis im Jahre 1996 produzierten die US Amerikaner 4 Alben, bis es zum Weggang von Paul Gilbert kam, welcher durch Richie Kotzen (Poison, The Winery Dogs) ersetzt wurde. Zwei Alben später begaben sich Mr. Big im 2002 auf Abschiedstournee, da die Spannungen untereinander einfach zu gross wurden. Im 2009 fand dann zur Freude der Fans die Reunion in der ursprünglichen Besetzung statt. Worauf im 2011 das Album „What If“ erschien, womit Mr. Big problemlos an ihren Erfolg der 90er anknüpfen konnten.
Mit der im September 2014 veröffentlichten Scheibe „…The Stories We Could Tell“, welche ich wärmstens empfehlen kann, befinden sich die emotionalen Hardrocker auf Welttournee und machten Halt in Pratteln.
Die Vorfreude über die angekündigte Veröffentlichung des Albums und der darauf folgenden Live Auftritte, wurde von der traurigen Nachricht über den an Parkinson erkrankten Schlagzeuger Pat Tropey überschattet. Es wird ihm durch das Fortschreiten der Krankheit leider nicht möglich sein, im üblichen Rahmen seine Arbeit als Schlagzeuger ausführen zu können. Deshalb wurde kurzerhand Matt Starr (Ace Frehley) als Tour Drummer an Board geholt.
Mit dem Track „Daddy, Brother, Lover, Little Boy“ wurde das Publikum vom Warten erlöst und es ging gleich voll Gas zur Sache. Es war eine wahre Freude, wie der sympathische Frontmann Eric Martin mit seiner unverwechselbaren Stimme auf der Bühne agierte. Er sang mit jeder Faser seines Körpers und tänzelte zwischendurch gekonnt über die Bühne.
Seine Aufgabe verstand er aber nicht nur im Gesanglichen, er versuchte auch unermüdlich das in die Montagsstarre verfallene Publikum aus der Reserve zu locken. Dies glückte ihm immer wieder, aber es war leider ein harter Job.
Billy Sheehan bewies einmal mehr seine Finger Akrobatik am Bass und beeindruckte mit seinem wummernden Bass, welcher stets den Titeln den nötigen Drive verlieh. Natürlich durfte das übliche bearbeiten der Bassgitarre und bei Paul Gilbert auf der Sechssaiter, mit der Bohrmaschine nicht fehlen. Shredder Paul nahm ab und an auch mal die Zähne um an den Saiten zu zupfen.
Matt Starr nahm seine Drums mächtig in die Mangel und schien sich wohl zu fühlen unter den ursprünglichen Bandmitgliedern von Mr. Big. Doch wer gedacht hatte, dass das alles ohne Pat Tropey über die Bühne ging, der hat weit gefehlt. Der von der Krankheit gezeichnete Schlagzeuger liess es sich nicht nehmen und unterstütze die Band mit Backing Vocals oder verstärkte unter anderem mit dem Tambourine das HiHat.
Bei den Tracks „Just Take My Heart“ und „Fragile“ setzte er sich sogar hinter das Schlagzeug. Sein Auftritt hatte mich irgendwie peinlich berührt. Er meldete sich immer wieder zu Wort wie zum Beispiel: „Thank you it’s good to be here“ oder witzelte herum, dass er schon noch arbeiten könne. Auf der einen Seite fand ich es total schön, dass er mit von Partie war, alles gab um mithalten zu können und auf der anderen Seite hat mich das auch traurig gestimmt, Pat so erlebt zu haben. Er war schon von Parkinson gezeichnet. Sein rechter Arm schien sich im 90 Grad Winkel versteift zu haben.
Vielleicht war es ja auch das, was das Publikum etwas „erstarren“ liess. Vielleicht war es ja nicht nur die Montagslaune?
Bei der zweitletzten Nummer an diesem Abend, dem Cover von Judas Priest „Living After Midnight“, durfte noch einmal richtig abgefeiert werden. Schlagzeuger Matt spielte Gitarre, Pat bewies Talent am Mik, Eric agierte am Bass, Gitarrist Paul bearbeitete die Drums und Billy die Gitarre. Der letzte Song „Mr. Big“ des Abends wurde dann wieder in der ursprünglichen Konstellation, ohne den Tour Drummer Matt Starr, dargeboten.
Ja, Mr. Big bewiesen einmal mehr, dass sie es verstehen live zu spielen und die Titelauswahl aus ihrem Repertoire war gut gewählt. Sie spielten vor allem ab den Alben „… The Stories We Could Tell“, „Lean Into It“ und „What If…“.
Als der Titel „The Show Must Go On“ von Queen (wie passend zur Situation von Pat Tropey!) aus den Lautsprechern rieselte, verliess ich glücklich und etwas nachdenklich die Konzertfabrik.
Setlist:
01 Daddy, Brother, Lover, Little Boy (The Electric Drill Song)
02 Gotta Love the Ride
03 American Beauty
04 Undertow
05 Alive and Kickin‘
06 I Forget to Breathe
07 Take Cover
08 Green-Tinted Sixties Mind
09 Out of the Underground
10 Guitar Solo
11 The Monster in Me
12 Rock & Roll Over
13 As Far as I Can See
14 Wild World (Cat Stevens cover)
15 East/West
16 Just Take My Heart
17 Fragile
18 Around the World
19 Bass Solo
20 Addicted to That Rush
Encore
21 To Be With You
22 Colorado Bulldog
23 Living After Midnight (Judas Priest cover)
24 Mr. Big (Free cover)
[Quelle: Setlist Band]
Text + Bilder: Kathrin Hirzel