Gaskessel – Bern
Donnerstag, 27. Januar 2022
Text: David Spring
Freudige Erwartung, dieses Knistern in der kalten Luft draussen, Menschen jedweder Couleur stehen Schlange und warten auf den Einlass. Band-Shirts, Kutten mit Badges, Bierdosen und das freudig aufgeregte Geplapper von Leuten – Atmosphäre, wie sie nur vor einem Konzert herrscht. Perfekte Ausgangslage, um die unerhört lange Zeit ohne Livemusik gebührend zu Ende zu tragen.
Die Kuppel des Berner Gaskessels war von Beginn an gut gefüllt und die Atmosphäre ausgelassen. Den Start machte die Garage-Rock-Truppe The Attycs aus Luzern und Bern. Wie hungrig die Meute für guten, handgemachten Rock war, zeigte sich sofort, augenblicklich waren alle auf den Beinen. Die Band war bestens gelaunt und bewies, dass sie keine halben Sachen machen. „Heute ist alles erlaubt“, sagte Sänger und Bassist Colin lachend zur Begrüssung. „Moshpits, Crowd-Killing, egal. Wenn jemand ins Spital muss, haben wir alles richtig gemacht!“ Entsprechend bald fanden sich Teile des Publikums auf der Bühne und Gitarrist Tim vor ebenjener.
Der Sound von The Attycs ist laut, wild und ungestüm, manchmal an Led Zeppelin und Wolfmother erinnernd, angereichert mit fuzzigen Gitarren, chaotischem Gesang und erstaunlich vielen Pop-Melodien. Das perfekte Rezept für eine geile Rock’n’Roll-Party, die zu schnell vorbei war. Die drei Jungs überzeugten auf ganzer Länge.
Nach kurzer Pause betraten dann die Herren von Mother’s Cake aus Österreich entspannt die Bühne. Mit einem erstaunlich harten und stark an Queens Of The Stone Age erinnernden Song ging es los. Sänger und Gitarrist Yves Krismer verkörperte den leicht abgehobenen, aber trotzdem charmanten Frontmann, seine Stimme ungewohnt hoch und sirenenartig. Der Rest der Band agierte auf höchstem Niveau und überzeugte mit grossartigen Riffs und Solos.
Ich war überrascht, wie heavy die Songs waren. Mit dem knatternden Bass und sehr rhythmischen Gesang erinnerten viele Passagen an Rage Against The Machine, die funkigen und psychedelischen Noten fehlten nie. Die Leute im Gaskessel goutierten dieses Zusammenspiel von Musikalität und Energie und gingen ab. Mother’s Cake spielten einen wahnwitzigen Mix an Genres, Einflüsse aus Reggae, Funk, Metal, Pop und erzeugten einen coolen Sound.
Die Band gab alles und bot eine grossartige Show. Auf einmal setzte bei mir jedoch etwas ein, was ich bis anhin gar nicht kannte: ich hatte genug. Die Pandemie hat Spuren an mir hinterlassen, denn trotz grossartiger Musik sehnte ich plötzlich mein Bett herbei. Die ersten 50 Minuten waren pure Freude, Spass und musikalische Höhepunkte, dann war bei mir die Luft raus. Ich verzichtete auf die Zugaben und begab mich auf den Nachhauseweg, mit der grossen Hoffnung, die Energie für regelmässige Konzerte bald zurückkehrt.
Zwei grossartige Bands, ein tolles Publikum, fantastischer Sound und hochkarätige Musiker und doch gemischte Gefühle. Danke an The Attycs und Mother’s Cake für die Auftritte, für die unbändige Freude und Lust am Musizieren und für den Konzertabend. Spass an der Musik, mit Freude am Durchdrehen und voller Euphorie – so wollen wir uns oft fühlen. Kommt bald wieder, das nächste Mal bin ich ready für euch!