19. Januar 2020
Ziegel Oh Lac – Zürich
Bands: Mother’s Cake / The Universe By Ear / The Attycs
So wie wolkenloser Himmel gutes Wetter voraussagt, verheissen wilde Girls an vorderster Front im Publikum einen gelungenen Abend. Auch die Leopardenleggins des Schlagzeugers von The Attycs und deren philosophische Titelwahl schürten höchste Erwartungen. Schon mit dem ersten Song „I Want to Fuck“ zündeten die Berner ihre Garage-Spassrakete und warfen sich kopfvoran in krachenden 60ies-Surfrock. Die Girls liessen sich nicht lange bitten und schwangen ungezähmt ihre Mähnen. Um ihren Haar-Radius zu vergrössern, stützten sie sich geschmeidig auf die Monitorboxe. Spätestens bei „Dickpic“ waren auch die übrigen Anwesenden aufgetaut und konnten kaum mehr stillstehen. Gitarrist Tim Hensel brachte seine Gitarre zur Weissglut, nickte dazu leicht spastisch in der Manier des jungen Paul McCartney, und Bassist Colin Steenbergen hatte schon bald zu heiss unter seiner Mütze. Schlagzeuger Sandro Gugger machte seiner Beinbekleidung Ehre und gab den energievollen Takt an. Sie seien grosse Fans von Mother’s Cake und hätten sich riesig gefreut, auf der gleichen Bühne zu stehen, sagte er später.
Die aufgeheizten Gehörgänge halfen, um mit The Universe by Ear aus Basel gleichauf mitzufliegen. Sie nahmen die wachsende Crowd mit in unbekannte, glitzernde Gefilde, bauten epische, zartschimmernde Klanggebilde auf, um sie eine Sekunde später mit harten Gitarrenriffs wieder zu zerschlagen. Songs von beiden Alben hielten sich etwa die Waage. Doch die Reise durch ferne Galaxien war nicht ohne Gesundheitsrisiken: Die exotischen Rhythmen und komplexen Songarrangements konnten leicht zu einem verstauchten Fuss oder einer Wirbelsäulen-Skoliose führen. „Wir haben nebst normalen Vierviertel-, auch Fünf-, Sieben, Elf- und Dreizehnviertel-Takte“, lachte Schlagzeuger Beni Bürgin nach dem Konzert. Es sei aber gar nicht so schwierig, man müsse nicht mehr zählen, wenn der Song einmal fertiggeschrieben sei, behauptete Bassist Pascal Grünenfelder – ich glaubte kein Wort. Und bekam beide Platten zum Preis von einer, damit ich als Gegenleistung nichts über angebliche Ränzchen von Bandmitgliedern schreibe. Nichts einfacher als das, wenn unter der Tankwart-Arbeitskluft des Gitarristen Stef Strittmatter ein Superman-Sixpack zu erahnen ist.
Und dann kamen sie, die grossartigen, geliebten Mother’s Cake. Als sie beim kurzen Soundcheck auf die Bühne traten, wunderte ich mich einmal mehr, wie frisch und gesund die Österreicher wirken, trotz ihres aufreibenden Bandlebens. Entsprechend schwungvoll eröffneten sie ihr Set – und überraschten mich gleich noch einmal: Welch eine unglaubliche Funk-Explosion! Die letzten drei Konzerte waren auch nicht deckungsgleich, begeisterten aber durchgehend mit bisweilen knochentrockenem, hartem Sound. Er war zwar auch mit viel Funk und psychedelischem Charme getränkt. Dieses Set fühlte sich anders an – aber nicht minder phantastisch. Etwas abgerundeter, weniger messerscharf. Unglaublich, wie facettenreich diese Band ist. Auch den schönen Damen der ersten Reihe gefiel es – waren es vielleicht die gleichen, die sich beim Konzert in Bern auf der Bühne gewälzt haben? „Ihr seid die Besten“, sagte Sänger und Gitarrist Yves Krismer. Das war leider nicht ganz ernst gemeint. Umgekehrt aber schon.
Text: Nicole Müller