24. Februar 2020
Werk21 – Zürich
Bands: Mister Misery / Port Of Call
Es war mal wieder eines dieser grossartigen Montagabend-Konzerte, bei dem ich keine Ahnung hatte, was mich erwarten würde. Für die Horror-Metal-Truppe Mister Misery aus Schweden habe ich mich wohl einzig und allein entschieden, weil ich schon lange keine Band mit Horror-Make-Up mehr gesehen hatte, und weil die Band-Bio spannend klang. Entsprechend voller Vorfreude ging es somit in mein zweites Zuhause, das heimelige Werk21.
Eröffnet wurde der Abend mit Port Of Call, einer metalligen Hardcore-Formation aus Zürich. Sänger Dmitry wartete in weissem Jumpsuit und mit rot-schwarzer Dobermannmaske auf und entsprechend aggressiv klang die Musik aus den Boxen. Unfassbar brutaler Hardcore, der sich hier über alle ergoss. Zwischen den unendlich harten Riffs, die Port Of Call auf uns losliessen, gab kleinere Elektroelemente und diverse Zitate, die gekonnt eingebunden wurden. Ordentlich professionell das Ganze, da war es etwas schade, dass der Mix für das Werk21 untypisch sehr schlecht war. Von der zweiten Gitarre konnte ich den ganzen Auftritt lang nichts hören, die Backing Vocals vom Leadgitarristen genausowenig. Ausserdem war es so unfassbar laut, dass es nicht mehr angenehm war.
Schade, denn was Port Of Call hier auf der Bühne ablieferten, wäre eigentlich sehr gut gewesen. Der Sound der fünf Jungs war modern und hart, mit vielen Einflüssen aus Metal- und Deathcore. Bands wie Breakdown Of Sanity oder Architects kamen mir in den Sinn. Manche der Elektro-Einspieler waren zwar etwas gimmickmässig, passten im Grossen und Ganzen aber sehr gut. Einzige Kardinalsünde für mich war, dass sie in einem Lied gar die Backing Vocals vom Band kamen, obwohl beide Gitarristen ein Mikrofon hatten. Nichtsdestotrotz machte es Spass und irgendjemand schien dem Mischer zugeflüstert zu haben, dass es zu laut war. In der Hälfte des Sets wurde die Lautstärke auf ein erträgliches Level runtergeschraubt. Und siehe da, plötzlich klang es viel besser. Einige der Breakdowns, die Port Of Call hier ins Publikum bliesen, waren absolut vernichtend. Meiner Meinung nach müsste sich die Band nicht hinter der Hundemaske und den Gimmicks verstecken, das Potential für eine richtig fette Metalcore-Band ist absolut vorhanden. Das war ein cooler Auftritt und ich bin mir sicher, dass wir Port Of Call immer wie mehr auf den Schweizer Metal-Bühnen sehen werden.
Nachdem die Bühne stimmungsvoll mit Laternen, Grabsteinen, Masken und Voodoo-Puppen dekoriert wurde, war es Zeit für die vier Horror-Jungs von Mister Misery aus Stockholm. Nach einem angemessen düsteren Intro ging es mit „The Blood Waltz“ brutal los. Ein fetter Einstieg mit den Doublebass-Pedalen im Dauereinsatz, dazu überraschend melodiösen, sauberem, mehrstimmigem Gesang im Refrain. Ich merkte sofort, dass sich meine Erwartungen erfüllen würden, es machte von Anfang an tierisch Spass. Die Band um Sänger und Gitarrist Harley Vendetta trat in schaurig-schönen Kostümen auf, allesamt mit schwarz-weiss geschminkten Gesichtern, was nicht kitschig wirkte, sondern perfekt zum Auftreten der Band passte. Man merkte sofort, dass sich die Jungs selbst nicht all zu ernst nahmen und eine gute Zeit auf der Bühne haben wollten. Das romantische Horrorauftreten vervollständigte diesen Eindruck, als davon abzulenken.
Die Energie der gut gelaunten Band sprang auf das Publikum im Werk21 über, es wurde ordentlich mitgeschrien, das Haupthaar geschüttelt und die Fäuste gen Kellerdach gereckt. Mister Misery, die auf dieser Tour ihr Debütalbum „Unalive“ präsentierten, bewiesen, dass sie neben dem Auge fürs Äussere, in erster Linie hervorragende Musiker und Liederschreiber sind. Das Set, welches uns die vier Herren darboten, war unglaublich abwechslungsreich. Mal wurden wir aufs Feinste mit harten Riffs und aggressivem Gesang durchgerockt, dann wieder gab es mehrstimmige, epische Chöre und grossartig melodiöse Gitarrensolos. Und all das stets mit einem zwar schwarzen, aber dafür umso hämischer zwinkernden Auge. Mister Misery waren bestens drauf, Harleys Ansagen waren lustig und creepy, und man merkte, dass sich die Jungs freuten, auf der Bühne zu stehen. Erst das zweite Mal in der Schweiz, doch die Atmosphäre war ausgelassen und super. Ich war überrascht, wie viele der Leute im nur etwas über die Hälfte gefüllten Werk21 bei den Liedern mitsangen. Wobei man sagen muss, dass die Lieder von Mister Misery hierzu perfekt geeignet waren. Zwischen all den harten Riffs gab es sehr viele Mitsingparts und Chöre, was die Damen und Herren im Dynamo-Keller sehr zu schätzen wussten.
Wie abwechslungsreich die Songs der Band sind, zeigte das grossartige Polka-Metal-Stück „My Ghost“, welches stellenweise an die abgefahreneren Seiten von Avenged Sevenfold erinnert. Der Beat des Songs liess absolut niemanden mehr stillstehen. Ganz grosses Kino, Mister Misery machten alles richtig und ich wunderte mich mehrfach, warum diese Band nicht auf einer grösseren Bühne spielte. Mit „Hollow“ erreichten wir nach zirka 40 Minuten bereits das Ende dieses wundervollen Auftritts, es wurden aber sogleich lautstark Zugaben gefordert, was die Band sehr zu schätzen wusste. Mit „Tell Me How“ spielten die Jungs das, meiner Meinung nach wohl beste Stück und es wurden nochmals alle Register gezogen. Mehrstimmige Gitarrenparts, ein grandios hartes und eingängiges Riff und ein epischer Refrain.
Mit dem brillanten Album-Closer „Live While You Can“ war endgültig Schluss. Einmal mehr kann ich sagen, dass es sich absolut lohnt, ab und zu eine Band zu live sehen, die man nicht kennt. Trotz ursprünglich oberflächlicher Beweggründe konnten mich Mister Misery am Ende des Tages musikalisch auf ganzer Länge überzeugen. Eine sympathische und talentierte Band mit grossartigen Songs, einer wunderbaren Bühnenpresänz und dazu noch etwas Horror, Goth und Glam. Was will man mehr?
Setlist [Quelle: setlist.fm]
1. The Blood Waltz
2. You And I
3. Legion
4. Dead Valentine
5. Alive
6. My Ghost
7. Redbels Calling
8. Stronger
9. Hollow
Zugaben
11. Tell Me How
12. Live While You Can
Text: David Spring