Datum: 31. Juli 2012
Ort: Schüür – Luzern
Bands: Ministry / Djerv
Al Jourgensen hat es wieder mal spannend gemacht. Drei Tage vor dem Schweiz Auftritt kollabiert der Industrial-Metal-Häuptling während des Konzertes in Paris auf der Bühne und musste anschließend in ein Krankenhaus eingeliefert werden. Starke Dehydration und ein folgender Hitzeschlag waren laut Presseberichten der Auslöser für diesen Vorfall. Die Show auf dem France Rock en Stock Festival tags darauf wurde logischerweise abgesagt, der Gig in Luzern sollte jedoch stattfinden, so es ihm wieder gut gehen würde. Das Konzert fand statt, Al war fit, soviel vorweg.
Djerv aus Norwegen eröffneten pünktlich um 20:00 Uhr in der Schüür Luzern den Konzertabend. Das Quintett um Frontfrau Agnete Kjølsrud spielt recht eingängigen, groovigen, teils rockigen, teils poppigen Heavy Metal von eher mässigem Belang. Dies und der Umstand des Bombenwetters führte natürlich dazu, dass sich im Biergarten der Schüür deutlich mehr Gäste tummelten als vor der Bühne im Dachgeschoss.
Djerv gaben sich äusserst professionell und spielten ihr 40-minütiges Set mit sichtlichem Spass auf der Bühne. Agnete (optisch: Marie Fredriksson trifft Brigitte Nielsen), wie auch der Rest der Band, wirkte äusserst sympathisch und suchte auch immer wieder den Dialog mit dem Publikum.
Für den ersten Song wurde noch Sin Quirin (Ministry) mit auf die Bühne geholt, welcher die dritte Gitarre bearbeitete. Leider war der Sound von Djerv dermassen basslastig, dass man nicht mal eine davon richtig raushören konnte. Das änderte sich auch im weiteren Verlauf des Gig’s nicht wirklich. Langeweile kam trotzdem keine auf, dafür war die Band viel zu aktiv.
30 Minuten Umbaupause und Soundcheck.
Das Licht ging aus und die ersten Töne des getapten Intros von „Ghouldiggers“ erklangen. Dazu wurde der Videoprojektor angeschmissen und Al’s Animation fing in Übergröße an, über die Plattenindustrie zu schimpfen. Sehr lässig! Ministry betraten die Bühne und das beste Stück der aktuellen Scheibe wurde losgetreten. Was für ein Auftakt!
Al, zunächst mit Zylinder, Armyjacke und berühmter Nickelbrille, wirkte gealtert und auch beleibter als früher. Die schweren gesundheitlichen Probleme der letzten Jahre und der abgebrochene Auftritt in Paris haben sichtlich Spuren hinterlassen. Dennoch ließ er vom ersten Moment an keinen Zweifel aufkommen, dass Ministry mitnichten zum alten Eisen zählen, sondern live immer noch eine sichere Bank sind.
Der Hauptset bestand komplett aus Stücken der letzten vier Alben. Klassiker wie „LiesLiesLies“, „Waiting“, „No W“ oder „Señor Peligro“ wechselten sich mit unerwarteten Stücken wie „Watch Yourself“ oder „Worthless“ ab. Verblüffend gut eingespielt waren dazu die Videos, welche neben den typisch amerikanischen TV-Sequenzen, immer wieder einzelne Bandmitglieder beim Spielen zeigten, oder Al überlebensgroß mitgröhlen ließen. Man wusste oft nicht ob man bangen, videoschauen oder den herumhüpfenden Frontmann beobachten sollte. Vor allem Jourgensen war mit seinen zig Piercings und Tattoos der Blickfang schlechthin.
Hie und da unterbrach lediglich eine kurze Ansage das Geballer. Längere Verschnaufpause gab’s aber so gut wie keine, weder fürs Publikum noch für die Band. Leider war der Sound auch bei Ministry nicht gerade berauschend, was aber durch die Hitdichte und der extrem gut gelaunten Akteure mehr als wettgemacht wurde. Mit dem Gassenhauer „The Last Sucker“ und dem spacigem „Khyber Pass“ verabschiedeten sich Ministry. Vorerst.
Der Zugabenblock war nicht nur für mich der Höhepunkt des Abends. Mit einer süffisanten „Does anybody here like the old stuff?“ Frage, ging‘s zurück ins Jahr 1992. „Psalm 69“, der Titeltrack des legendären Meilensteins, wurde dermaßen fett vom Leder gezogen, dass einem fast die Tränen kamen. Sämtliche eingespielten Samples sowie die Animationen saßen punktgenau und davor ein Al Jourgensen, der sich in einem Moment betend auf dem Boden wirft und im nächsten mit in die Luft gestreckten, zuckenden Armen „Praise Jesus, Praise Jesus!“ schreit. Ein Anblick für die Ewigkeit!
Mit „N.W.O.“ und „Just One Fix“ gab‘s gleich noch zwei Hämmer dieses Albums dazu, was natürlich das eh schon euphorisierte Publikum vollends ausflippen ließ. Und weil‘s immer noch nicht reichte, hat das anschließende „Thiefs“, mit seinen Highspeed-Sequenzen und Strobogewitter, dann noch vollends den Vogel abgeschossen. Das etwas ruhigere „So What“ beendete dann diesen unglaublichen Block und entließ nach fast zwei Stunden ein zutiefst zufriedenes und stoisch grinsendes Publikum.
Fazit:
Djerv äußerst bemüht und sympathisch, aber eigentlich fehl am Platz.
Ministry der Wahnsinn. Hätte nicht gedacht, dass hier nochmal so aufgetrumpft wird. Trotz angeschlagenem Al und Soundbrei, wurde eine der besten Shows des Jahres geboten. Jourgensen strahlte eine wahnsinnig nette, kumpelhafte Art aus, mit der er das Publikum vom ersten Moment an auf seiner Seite hatte und die Songauswahl sowie die Spieldauer ließen keinerlei Wünsche offen.
Ministry befinden sich im Moment höchstwahrscheinlich auf Abschiedstour, weshalb ich es etwas verwunderlich fand, dass die Schüür nicht ausverkauft war. An dieser Stelle auch noch ein Lob an diesen klasse Laden. Urgemütlich und wo sonst werden die durchgeschwitzten Fans der ersten Reihe von der Security mit Wasser versorgt. Top!
Setlist:
1. Ghouldiggers
2. No W
3. Rio Grande Blood
4. Señor Peligro
5. LiesLiesLies
6. 99 Percenters
7. Watch Yourself
8. Life Is Good
9. Waiting
10. Worthless
11. Relapse
12. The Last Sucker
13. Khyber Pass
14. Psalm 69
15. N.W.O.
16. Just One Fix
17. Thieves
18. So What
Text + Bilder: Thomas Lang