17. März 2019
Halle 622 – Zürich
Bands: Mike Shinoda / DJ Lenny Lou
Am 20. Juli 2017 erschütterte der tragische Tod von Linkin Park-Frontmann Chester Bennington die Musikwelt. Mike Shinoda, Gründungsmitglied der Band, verarbeitete seine Trauer in dem Solo-Album „Post Traumatic“, mit dem er seit 2018 auf Tour ist. Erstmals kam er damit auch in die Schweiz, und beehrte die Halle 622 in Zürich-Oerlikon.
Als Opener des Abends fungierte DJ Lenny Lou. Der 18-Jährige Schweizer unterhielt die Menge mit Songs von Red Hot Chilli Peppers, Cypress Hill oder Nirvana und verkürzte damit die gähnende Wartezeit ein wenig. Doch so richtig Stimmung machen gelang ihm in diesen knapp eineinhalb Stunden nicht, und ein paar wippende Köpfe im Publikum war alles, was man sah. DJ Lenny Lou machte seine Aufgabe sicher gut, vielleicht wäre es jedoch besser gewesen, noch einen zweiten Act auf die Bühne zu stellen, um ein wenig mehr Abwechslung in die Sache zu bringen.
Und dann hatte das Warten ein Ende! Mike Shinoda betrat die Bühne, begleitet von seinem Tour-Drummer Dan und dem Multi-Instrumentalisten Matt. Das Publikum begrüsste ihn und seine Entourage mit ohrenbetäubenden Applaus, und Shinoda startete sogleich mit dem ersten Song „When They Come For Me“. Im Unterschied zu anderen Bands kein durchgeplanter Akt, denn Shinoda eröffnete bei jedem seiner vergangenen Konzerte mit einem anderen Song. Kaum erklangen die ersten Takte des Linkin-Park-Krachers, wurde auch schon eifrig mitgeklatscht, mitgesungen und mitgerappt. Und schon da war klar: dieser Abend wird gross – und unglaublich emotional.
Über vier Jahre sind vergangen, seit die sechs Mitglieder von Linkin Park zum letzten Mal in Zürich auf der Bühne standen. Niemand konnte damals auch nur ahnen, dass es bei diesem Auftritt bleiben wird, denn knapp drei Jahre später starb Frontmann Chester Bennington. Mit seinem Album „Post Traumatic“ versucht Mike Shinoda, die Trauer über den tragischen Verlust seines Bühnenpartners und Freundes Chester zu verarbeiten. Dass er dabei in Zürich nicht alleine ist, zeigt der zuneigungsvolle Gesang seiner Fans, die ihn bei jedem Lied unterstützen, und die Worte mit viel Kraft zu Shinoda auf die Bühne trugen. „You guys have beautiful voices“, meinte der Amerikaner mit japanischen Wurzeln und fügte an: „You should sing more often.“ Gesagt getan und das Publikum sang noch lauter als zuvor.
Doch nicht nur Songs von Linkin Park fanden sich auf der Setlist von Mike Shinoda. Auch Lieder seiner Hip-Hop-Combo Fort Minor wie „Remember the Name“ und neue Songs von seinem Solo-Album wie „Crossing a Line“ standen auf dem Programm – und erzeugten eine positive Feierstimmung. Etwas, das dem sympathischen Sänger wichtig ist, wie er sagte. „I don’t wanna make this like a tribute show. This is not that type of thing.“ Mit diesen Worten schuf er einen der intimsten und berührenden Momente des ganzen Abends. „I don’t think it needs to be sad. It can be sad, but I don’t think it needs to be“, erklärte er weiter. Immer wieder schlug er dabei eine der Tasten auf seinem Keyboard an, und verlieh dem Saal damit eine traurige und zugleich extrem kraftvolle Stimmung. „I like the idea of celebrating Chester.“ Lauter Jubel erfüllte die Halle. „If you guys want to, you can sing Chester’s part on this next song.“ Und sogleich erklangen die leisen Klaviertöne von Linkin Park’s „In the End“.
Spätestens ab diesem Zeitpunkt wurde das Konzert so emotional, dass die Gänsehaut minutenlang nicht verschwand. So erstaunte es nicht, dass einige Zuschauer dabei ihre Tränen nicht zurückhalten konnten, denn mit diesen Songs kam vor allem ein Gedanke wieder hoch: Chester fehlt. Und zwar sehr. Mit gewaltiger Intensität sang das Publikum den Refrain des Liedes und die Stimmen verschmolzen zu einem Chor, der sich mit den klaren Rap-Parts von Mike Shinoda ergänzte. Der gefühlvollste Teil des Abends fand seinen Abschluss im Linkin Park-Kracher „Numb“, der ebenfalls nur von Klavier, Shinodas Raps und den überwältigend schönen Stimmen des Publikums getragen wurde.
Weiter ging es auf der Achterbahn der Gefühle mit dem Song „About You“ von der neuen Scheibe und einem Medley aus „Over Again“ und dem LP-Klassiker „Papercut“. Mike Shinoda verstand es, die Menge von einem emotionalen, traurigen Level in ein Euphorisches zu heben, und so verwandelte der Amerikaner die Halle 622 in ein Partylokal. Dass die Halle nur zur Hälfte gefüllt war bemerkte man erst, wenn man sich an die Bar in den hinteren Teil der Location begab, um sich mit einem Getränk auszustatten. Die Stimmung in der Location war auf dem Maximum und blieb es auch, als der Musiker und seine Kollegen die Bühne verliessen, nur um kurz darauf vom Publikum durch ohrenbetäubende Jubelrufe und eifrigem Klatschen wieder zurück gerufen zu werden.
Den Abschluss des Abends machte eine erneut gelungene Mischung aus LP-Songs wie „Robot Boy“ oder „Castle of Glass“ und „Post Traumatic“-Lieder wie „Make it Up as I Go“ und „Running From My Shadow“. Obschon Mike Shinoda gut eineinhalb Stunden performte, verging die Show wie im Flug. Schade, denn eigentlich hätte man noch Stunden zuhören können, um dabei in alten und neuen Erinnerungen zu schwelgen.
Fazit: Ein unglaublich emotionaler und energiegeladener Abend, der zugleich ein wichtiger Seelenbalsam für so manchen Konzertbesucher war. Danke Mike Shinoda – und hoffentlich bis bald.
Setlist [Quelle: setlist.fm]
1. When They Come for Me
2. Remember the Name
3. Ghosts
4. High Road
5. Roads Untraveled
6.Kenji
7. Prove You Wrong
8. Nobody Can Save Me
9. Sorry for Now
10. Crossing a Line
11. Hold It Together
12. Waiting for the End / Where’d You Go
13. In the End
14. Heavy
15. Numb
16. About You
17. Over Again / Papercut
18. Robot Boy
19. World’s on Fire
20. Castle of Glass
21. Make It Up as I Go
22. Good Goodbye / Bleed It Out
23. Running From My Shadow
Text: Andrea Germann
Bilder: Berend Stettler