29. Januar 2020
Dynamo – Zürich
Bands: The Menzingers / Spanish Love Songs / Mannequin Pussy
Ein Abend voller Emotionen war es, voller Melancholie, Traurigkeit, Hoffnung und wunderbaren Melodien. The Menzingers sind weithin für genau diese Art Musik bekannt und geliebt, doch an diesem Abend im Dynamo zeigte sich einmal mehr, dass das Highlight nicht immer der Headliner sein muss. Wenn man solch hochkarätige Supportacts wie Mannequin Pussy und Spanish Love Songs mit auf Tour nimmt, darf man sich nicht wundern, wenn das Rampenlicht auf alle zu scheinen beginnt.
Den Anfang machten die Ladies und Gents von Mannequin Pussy aus Philadelphia. Sängerin und Gitarristin Marisa Dabice, Schlagzeugerin Kaleen Reading, Bassist Bear Regisford und Gitarrist Thanasi Paul überzeugten mich vom ersten Ton an. Der Sound der Band wirkte zu Beginn Old-School-artig und folkig, aber mit vielen Punk-Einflüssen angereichert. Mal melodiös und mäandrierend, mal wieder laut und rockig passten die vier perfekt ins Line-Up. Auch wenn noch so gut wie keine Leute im Publikum waren, kaum mehr als 50, liess sich die Band nicht beirren und gab auf der Bühne alles, das machte sehr viel Spass und Bock auf mehr.
Marisa begrüsste uns ganz verhalten und lakonisch, so dass man sie kaum verstand, sehr im Kontrast zu ihrer sonst rauen und sehr lauten Stimme. Mannequin Pussy erinnerten mich zu Beginn stark an Bands wie Press Club oder gar Metric, doch dann, nach ca. vier oder fünf Songs, änderte sich plötzlich alles. Marisa legte ihre Gitarre beiseite und auf einmal brach die Band in brutale Punk-Kracher aus, die Melodien gegen Aggression, das angenehme Tempo gegen furiose Zwei-Minuten-Songs getauscht. Was war denn das? Von einer Sekunde auf die andere weckten die vier plötzlich Erinnerungen an War On Women, Petrol Girls oder The Distillers. Das war richtig geil und die nächsten vier Songs waren allesamt Punk-Bretter allererster Güte. Die meisten Leute im Dynamo waren davon etwas vor den Kopf gestossen, ich aber feierte Mannequin Pussy total ab. Als es dann noch eine genuschelte Verabschiedung gab und zum Schluss erneut ein poppig fröhliches Folk-Punk Stück kam, bei dem der Gitarrist sogar einen dieser Rhythmus-Shaker einsetzte, war ich vollkommen hin und weg. Was für eine faszinierende, merkwürdige und absolut grossartige Band. Genau darum lohnt es sich, immer auch schon die Vorgruppen zu schauen, man weiss nie, was man da entdecken kann!
Als nächstes kam dann die Band dran, auf die ich mich heute Abend am meisten gefreut habe: Spanish Love Songs aus Los Angeles. Mit ihrem neusten Album „Brave Faces Everyone“, welches Anfang Februar erscheint, noch nicht ganz im Gepäck, legten die Fünf gleichwohl mit der ersten Single „Losers“ los und hatten das nun schon viel besser gefüllte Dynamo sofort im Griff. Was für ein fantastisches Lied, was für eine wunderbare Band. Sänger und Gitarrist Dylan Slocum ist meiner Meinung nach einer der derzeit besten Songwriter, wenn es darum geht, wunderbare Melodien mit unfassbar traurigen und an depressiv grenzenden Texten zu kombinieren. Für diese Verhältnisse fröhlich und gut gelaunt begrüsste der nette, riesige Herr uns mit den goldenen Worten „we have a new album out next week (Jubel vom Publikum), we don’t have it with us tonight (Buh-Rufe), ah boo yourselves for not coming to our earlier shows“, glorreich.
Nach „Joana, In Five Acts“ vom 2018er Album „Schmaltz“ folgte mit „Kick“ bereits ein weiteres neues Lied, und was für eine Hymne dieses ist. Da kann man sich echt nur darauf freuen, was hier bald von der Dame und den Herren von Spanish Love Songs kommen wird. Und live ist die Band einfach eine Macht, die Melodien so erhaben, die Beats treibend, die Texte ach so traurig. Auch die vielen Leute im Publikum wussten das zu goutieren, war doch schon einiges an Bewegung und Jubel am Start. Die Band war gut drauf, es gab Shoutouts an Mannequin Pussy, die so viel besser seien als man selbst, und natürlich an The Menzingers, die so gut sind, dass es gar keiner weiteren Worte bedarf. Mit einem weiteren neuen Song, „Losers 2“ und dem fantastischen „Beer & Nyquil (Hold It Together)“ war dann leider bald schon das Ende erreicht. Schade, denn Spanish Love Songs hätten für mich noch viel länger spielen können, was für eine grossartige Band.
Und dann war es soweit und The Menzingers betraten zum David Bowie Klassiker „Rebel Rebel“ die Bühne und legten alsbald mit „Anna“ vom neuen Album „Hello Exile“ los. Die Leute im Dynamo drehten von Beginn an komplett durch, die Stimmung war ausgelassen und einfach alle hatten Freude, hier heute Abend dabei sein zu dürfen. Ich, der ich von „Hello Exile“ leider nicht ganz so überzeugt war, freute mich über einige ältere Songs wie „The Obituaries“ und „House On Fire“, die folgten und sehr gut abgingen und Spass machten, aber der Fokus lag natürlich auf dem neuen Album. Einer der beiden singenden Gitarristen, Tom May, begrüsste uns dann frohgemut und erzählte freudig davon, dass er sein „Have Fun and Be Yourself“ T-Shirt von einem Schweizer in Florida erhalten hat, zusammen mit einer Empfehlung, mal die Hafenkneipe in Zürich zu besuchen, was ich sehr amüsant fand.
Es folgten weitere neue Songs wie „Portland“ und „Strangers Forever“, die vom Publikum ordentlich abgefeiert wurden. Ich freute mich tierisch darüber zu sehen, dass mein eigener Eindruck von „Hello Exile“ nicht von vielen geteilt wurde, denn die Stimmung im Dynamo war richtig gut. Auch wenn mich The Menzingers live ebenfalls nicht vollends überzeugen konnten, so bin ich froh darüber, wenn es dem Rest des Publikums mehr Spass bereitet, als mir. Vielleicht lag es einfach nur an den überragenden beiden Vorgruppen, dass mir The Menzingers etwas zu lasch vorkamen. Mit „America (You’re Freaking Me Out)“ folgte dann auch mein Lieblingslied von „Hello Exile“, das ging sehr gut ab. Und mit „I Don’t Want To Be An A**hole Anymore“ wurde nachgedoppelt, was für ein fantastisches Lied. Mittlerweile gab es vereinzelte Crowdsurfer, das Zürcher Publikum war super drauf. Mit einem sehr starken Cover von The Clash’s Überhit „Death Or Glory“ und dem abschliessenden „Lookers“ waren wir am Ende angelangt, aber natürlich waren die Leute hungrig auf mehr.
Nicht lange und schon waren sie wieder da. The Menzingers beglückten uns noch mit „In Remission“ und dem wunderbaren „After The Party“ und es wurden nochmals alle durchgerockt. Danach war Schluss, man bedankte sich nochmals artig bei uns allen und weg waren sie. Im Grossen und Ganzen muss ich sagen, dass mich The Menzingers nicht (mehr) ganz zu überzeugen vermögen. Sie machen immer noch Spass und gehen ordentlich ab, aber irgendetwas fehlt mir. Zum Glück war das den Zuschauerinnen und Zuschauern im Dynamo natürlich reichlich egal, denn gefeiert, gepogt und mitgesungen wurde ordentlich, so wie sich das gehört. Ich für meinen Teil fand Spanish Love Songs weitaus überragend heute Abend, diese Band ist genial. Und mit Mannequin Pussy durfte ich eine neue und richtig coole Band für mich entdecken – ich kann mich nicht beschweren. Ein wundervoller Konzertabend einmal mehr.
Setlist [Quelle: setlist.fm]
1. Anna
2. The Obituaries
3. House On Fire
4. Rodent
5. Portland
6. Good Things
7. Burn After Writing
8. Thick As Thieves
9. High School Friend
10. Tellin‘ Lies
11. Last To Know
12. Strangers Forever
13. Gates
14. America (You’re Freaking Me Out)
15. I Don’t Wanna Be An Asshole Anymore
16. Nice Things
17. Strain Your Memory
18. Death Or Glory (The Clash Cover)
19. Lookers
Zugaben
20. In Remission
21. After The Party
Text: David Spring