Lorna Shore + Rivers Of Nihil + Ingested + Distant
Z7 – Pratteln
Samstag, 25. November 2023
Text: David Spring / Bilder: Anna Wirz
An einem Festival überhörte ich einmal, wie jemand die US-Amerikanischen Deathcore-Überflieger von Lorna Shore als «frei von jeglicher Melodie» bezeichnete. Vergangenen Samstag bewiesen die Jungs um Schreihals Will Ramos in einem ausverkauften Z7 in Pratteln, dass sie durchaus zu der eher rabiaten und heavy Sorte von Bands gehören. Aber auch, dass dieses Statement kaum weiter von der Wahrheit entfernt sein könnte. Bevor wir an diesem Abend jedoch in den Genuss der brutalen Songs des Headliners kamen, gab es gleich drei Support-Acts.
Als erstes waren Distant aus den Niederlanden und der Slowakei am Start. Das Spongebob-Intro versprach gute Laune und alsbald bewies Sänger Alan Grnja, dass er mit einer gewaltigen Stimme gut in das heutige Line-Up passte. Von brutalen, gutturalen Growls bis hin zu durchdrehten Screams war da alles dabei. Das Z7 war bereits ziemlich gut gefüllt und die Leute schienen guter Laune zu sein. Leider jedoch zeigten sich im Publikum auch ein paar komplette Vollidioten, die mit ihren Violent Dancing und Crowdkilling-Kapriolen nicht nur unnötig aggressive Stimmung verbreiteten, vor allem aber auch jede Art eines anständigen Moshpits verhinderten. Schade war auch, dass die Band nicht einmal versuchte, dagegen was zu unternehmen, sondern die Atmosphäre mit Ansagen wie «this next song will make you want to punch your best friend in the face» noch weiter anstachelten. Mag sein, dass manche Metal-Fans sowas noch immer cool finden, ich denke aber , dass wir über solch‘ unnützes Macho-Zeugs eigentlich lange hinweg sein sollten…
Was sich ebenfalls leider eher negativ bemerkbar machte, war der ziemlich matschige, unausgeglichene Sound. Dies war auch ein Problem, mit welchem die folgenden Ingested aus Manchester zu kämpfen hatten. Die Gitarren gingen oft etwas unter, während dem vor allem die Drums fast zu viel des Guten waren. Nichtsdestotrotz lieferten die Jungs eine coole Show ab und wussten mit ihrem modernen Death Metal zu überzeugen. Und siehe da, Sänger Jason Evans erinnerte uns irgendwann sogar daran, dass wir alle hier seien, um Spass und eine gute Zeit zu haben. Darum sollen wir auch etwas aufeinander aufpassen. Schön so, und etwas Achtsamkeit machte die Show noch lange nicht weniger brutal, dafür sorgten die rücksichtslosen, fetten Songs mehr als ausreichend. Die Leute in Pratteln feierten die Briten auf jeden Fall ordentlich ab und Stücke wie «Invidious», «Echoes Of Hate» oder das subtile «Skinned And Fucked» kamen bestens an.
Als nächstes waren etwas andere Klänge an der Reihe, denn nun standen Rivers Of Nihil auf der Matte. Die Band hatte sich vor etwas über einem Jahr von ihrem Sänger getrennt und dafür den eigenen Bassisten Adam Biggs an die Vocals verdonnert. Und obwohl der Tieftöner gesanglich nicht ganz an die Qualitäten seines Vorgängers heranreicht, lieferte er trotzdem ordentlich ab. Rivers Of Nihil überzeugten mich persönlich vor allem musikalisch, lieferten sie an diesem Deathcore-lastigen Abend doch einiges an bitter nötiger Abwechslung und Melodie. Dafür war die Stimmung nun einen Ticken weniger ausgelassen. Vielleicht waren Songs wie «The Silent Life», «Hellbirds» oder das kolossale «Where Owls Know My Name» für viele etwas zu verkopft, oder vielleicht lag es auch schlicht am immer noch ziemlich schwachen Sound. Viel wahrscheinlicher war jedoch, dass die Leute allesamt ihre Kräfte für den nun bevorstehenden Headliner schonen wollten.
Als dann endlich das Licht wieder ausging und das Intro erklang, ging die Stimmung im Z7 durch die Decke. Mit «Welcome Back, O’ Sleeping Dreamer» legten Lorna Shore brachial los und schnell – und es gab kein Halten mehr in den altehrwürdigen Hallen. Nicht nur fuhr die Band aus New Jersey mit CO2-Fontänen und massig Pyros ein ganz anderes Kaliber an Show auf, auch war nun auf einmal der Sound richtig gut. Klar und druckvoll jagten die heftigen Riffs aus den Boxen, dass es eine Freude war. Natürlich ist der Fokus der meisten Anwesenden auf dem faszinierenden Schreihals Will Ramos, dessen Stimme nicht von dieser Welt ist. Unfassbar, wie er sämtliche Geräusche eines grossflächigen Schlachthofes locker vom Hocker auch live wiedergeben kann und dabei mit einer Bühnenpräsenz und Intensität, die ihresgleichen suchen, die Leute komplett im Griff hat.
Doch auch musikalisch überzeugten Lorna Shore auf ganzer Linie. Die rasiermesserscharfen Blastbeats und faszinierenden Gitarren-Leads bliesen uns alle weg. Wahrlich faszinierend, auf welchem Level diese Band agiert. Und ja, die Songs bieten durchaus einiges an Melodie, Dramaturgie und vor allem Abwechslung – egal, was irgendwelche Festivalgänger mal behaupteten. Dazu kommt noch, dass die Jungs trotz dem vernichtenden Lärm überaus sympathisch und auf dem Boden geblieben wirkten. Ramos zum Beispiel bedankte sich von Herzen bei uns, dass sie auf dieser Tour die grösste Produktion ihrer Karriere auffahren konnten. Diese Bühnenshow passte hervorragend zur Musik von Lorna Shore, die anhaltenden Pyros heizten die Halle ordentlich auf – als ob die brachialen Songs wie «Sun/Eater» oder das übermächtige «Immortal» die Leute nicht auch so zum Durchdrehen brachten. Überraschend bald jedoch stand mit dem legendären «To The Hellfire» nach einer Stunde bereits der letzte Song auf dem Programm, und natürlich wurde hier sowohl auf wie auch vor der Bühne nochmal alles gegeben.
Wer nun wie ich dachte, dass der Spass etwas schnell vorbei war, durfte sich auf die formidable Zugabe freuen, denn es stand uns nun noch das dreiteilige und somit fast zwanzigminütige «Pain Remains» bevor. Was für eine absolute Tour de Force, das epische, unendlich brutale Werk machte uns restlos fertig. Selten lieferte eine Band eine solch‘ intensive und leidenschaftliche Show ab, die sämtliche Versprechen und Hoffnungen hielt. Lorna Shore gehören zweifellos zu den Meistern ihres Fachs und spielten alle anderen Bands des heutigen Abends um ein Leichtes an die Wand. Schade, dass bei den Vorgruppen zum einen der Sound ziemlich schwach, zum andern auch stellenweise die Stimmung etwas merkwürdig waren. Doch mit dem glorreichen Headliner wurde das zum Glück alles wieder wettgemacht.
Lorna Shore bewiesen eindrucksvoll, dass sie zur absoluten Speerspitze der Deathcore-Welt gehören – gerne wieder!
Setlist [Quelle: Setlist.fm]
- Welcome Back, O’ Sleeping Dreamer
- Of The Abyss
- …And I Return To Nothingness
- Sun//Eater
- Cursed To Die
- Immortal
- Into The Earth
- To The Hellfire
Zugaben
- Pain Remains I: Dancing Like Flames
- Pain Remains II: After All I’ve Done, I’ll Disappear
- Pain Remains III: In A Sea Of Fire