7. April 2016
Mini Z7 – Pratteln
Bands: Leprous / Voyager / Earthside
Da hat sich mal jemand richtig was überlegt. Dass dieses Line-Up dem Zufall überlassen wurde, kann und will ich mir nicht vorstellen. Mit drei sehr eigenständigen und doch musikalisch in sich schlüssigen Bands buchte man hier eine Tour der besonderen Klasse. Da blieb noch nicht mal viel Zeit für die Bar oder das WC, denn man hätte ja was verpassen können. Quer über den Erdball hinweg, pickte man hier Heavy-Prog-Rosinen heraus und bot dem Publikum ein intelligentes und höchst anspruchsvolles knapp 4 ½ stündiges Musikerlebnis.
Earthside die mit ihrem Debut „A Dream Of Static“ in allen relevanten Magazinen für Aufregung sorgten, starteten zu meinem Bedauern früher als vom lokalen Veranstalter angegeben, was dazu führte, dass ich knapp 20 Minuten vom Auftritt verpasst habe. Die restlichen Songs die mir noch blieben, hatten jedoch genau das bestätigt, was ich mir vom Auftritt der Amerikaner erhoffte. Bei den überwiegend instrumentalen Songs kam keine Sekunde Langeweile auf und schnell wurde klar, das Material kommt live noch viel besser zur Geltung als auf CD. Dass fast alle Bandmitglieder einen Hochschulabschluss in Sachen Musik absolviert haben, macht sich im intelligenten Songwriting bemerkbar.
Das Moskauer Symphonieorchester welches beim Album mitwirkte, sowie diverse Gastsänger (z.B. Lajon Witherspoon von Sevendust) wurden geschickt per Video über eine Leinwand eingespielt und somit in die Show integriert. Durch die kleine Bühne und die Platzierung der Leinwand an der Seite, wirkte diese wie ein zusätzliches Bandmitglied, welche Earthside immer wieder spielerisch mit einbezogen. Vor allem Keyboarder Frank Sacramone hatte an diesem Abend allen Tasten-Kollegen, die sich sonst wie angewachsen hinter ihrem Instrument verstecken, das Fürchten gelehrt. Wie vom Blitz getroffen zappelte und gestikulierte sich der heimliche Frontmann in einen Spielrausch. Toller Opener!
Wer sich schläfrig und vom Arbeitstag gebeutelt ins Mini Z7 schleifte und kritisch hinterfragte, ob ein Konzertabend mitten in der Woche wohl das Richtige sei, wurde spätestens beim zweiten Act so durchgenudelt, dass er (oder sie) nicht mehr so recht wusste wo vorne oder hinten war. Die Australier Voyager verliehen dem Wort „Spielfreude“ neue Dimensionen an diesem Abend und ich kann ohne mit der Wimper zu zucken klar sagen: Für mich die Neu-Entdeckung überhaupt! Dabei existiert die Band, um den in Deutschland aufgewachsenen Frontmann Daniel Estrin, bereits seit 1999. Seine Herkunft machte er sich zu Nutzen, in dem er das Publikum immer wieder in astreinem Deutsch anfeuerte, was ihm aussergewöhlich gut gelungen ist. Eine solch mitreissende Live-Formation habe ich schon lange nicht mehr erleben dürfen. Voyager boten ein wahnwitziges Zusammenspiel zwischen Härte, Melodie und Leidenschaft.
Headliner Leprous stellten sich der überaus starken Vorband selbstbewusst und überzeugten das Publikum mit ihrer eigenen, im Vergleich eher zurückhaltenden, Bühnenpräsenz. Edel in schwarz gekleidet wirkten sie höchst konzentriert, fokussiert und irgendwie ein klein wenig aristokratisch.
Dass Frontmann und Keyboarder Einar Solberg ein grosser Muse Fan zu sein scheint, lässt sich nicht verheimlichen. Leprous klingen stellenweise unverkennbar nach den Vorbildern aus England, einfach ein wenig härter und facettenreicher. Gutturale Laute finden in der Musik genau so einen Platz wie Chorgesang. Mischen manche Bands diese Elemente eher wirr und unkontrolliert durcheinander, setzen die Norweger Leprous mit diesen Kontroversen dezent Akzente, was sie auch live in Perfektion darbieten konnten. Nicht nur musikalisch sprechen wir hier von höchster Güte, auch für das Auge wurde mit passenden Einspielern auf gleich mehrere Leinwände gesorgt.
Perfekter hätte ein Abend im Mini Z7 nicht sein können, denn auch der Sound war bestens abgemischt.
Text: Liane Paasila
Bilder: Kathrin Hirzel