28. Februar 2018
Volkshaus – Zürich
Bands: Kraftklub / Blond
Das Wetter gestern Abend in Zürich: Je nachdem, welchem Wetterbericht man glauben will, zwischen -7° und -11°. Also viel zu kalt, um lange draussen Schlange zu stehen. Das haben sich wohl die meisten Konzertbesucher gedacht, und sind dementsprechend erst kurz vor acht, dem angekündigten Konzertbeginn, vor dem Zürcher Volkshaus eingetrudelt – wo sich die Schlange dann prompt bis fast zur Haltestelle Stauffacher hingezogen hat. Im Vorbeigehen fragt eine Fussgängerin ihren Begleiter: „Kraftklub, kännsch du die?“ – „Ja, das isch sone Rocker-Band.“ Äh ja. Oder so ähnlich.
Nach über einer halben Stunde anstehen in der Kälte gelangten wir gerade noch zu den letzten Klängen der Vorband Blond ins Warme, wo das Anstehen vor den Garderoben munter weitergeht. Aber Jacke anbehalten ist keine Option – wer Headliner Kraftklub auch nur ein bisschen kennt, weiss, dass die Temperaturen im Konzertsaal wohl bald schon an die Tropen erinnern werden.
Erstmal im Konzertsaal eingetroffen, hat das Warten jedoch bald schon ein Ende: AC/DC’s „TNT“ künden den baldigen Auftritt der Chemnitzer an. Gestartet wird mit „Hallo Nacht“, gefolgt von „Fenster“. Beide Songs stammen von der letzten Juni erschienen Scheibe „Keine Nacht für Niemand“ – neun Monate scheinen den Fans zu reichen, um alle Texte auswendig zu lernen. Die Stimmung ist ausgelassen und das Publikum erinnert an ein Rudel junger Wölfe: ein bisschen übermütig, ein bisschen draufgängerisch, tollpatschig und ungestüm, aber man muss sie irgendwie gern haben. Bei Lied Nummer vier, „Sklave“, steht Sänger Felix Brummer plötzlich in engem Lederkostüm auf der Bühne, in der Hand eine Peitsche, die abwechselnd jeder seiner Bandkameraden zu spüren bekommt. Kaum ist der Song zu Ende, trägt er jedoch schon wieder sein normales Bühnenoutfit und nach dem nächsten Song, „Alles Wegen Dir“ aus „In Schwarz“, erlebt Andi, „Der Nackte da – ach, der trägt ja noch Hosen!“, wohl den aufregendsten Moment seines Abends: Auf der Bühne darf er das Glücksrad, welches darüber entscheidet, welcher Song nun als nächste gespielt wird, anstossen. Wie immer hält es bei „Scheissindiedisko“, Andi springt zurück ins Publikum, welches bereits zu den vertrauten Klängen zu tanzen beginnt.
Mehrheitlich werden Songs des neuen Albums gespielt, was der Stimmung zwar in keinerlei Weise schadet, denn natürlich landete auch Album Nummer 3 auf Platz eins der Chart und hat somit bewiesen, dass es durchaus auf Interesse bei den Hörern stösst, jedoch kommen dadurch die beiden anderen Alben „Mit K“ und „In Schwarz“ etwas zu kurz. Vor „Wie Ich“ lässt sich Till Brummer nicht nehmen zu erwähnen, dass „bei diesem Song irgendwie immer etwas passiert, das nur in der Schweiz passiert“. Gemeint ist das lautstarke Mitsingen der eingängigen Melodie, wofür man nur zwischen den Vokalen „O“ und „E“ zu unterscheiden braucht. Ob das der Wahrheit entspricht, sei mal dahingestellt, Komplimente kriegt schliesslich jeder gern.
Nach 12 Songs geballter Power – dazwischen war Felix Brummer kurzzeitig als Papst auf der Bühne zu sehen – erhalten die Gäste den Auftrag, die Taschenlampenfunktion der Handys einzuschalten – „Habt ihr denn noch Mobiltelefone, Zürich? Wir wissen ja, das ist ziemlich out, Mobiltelefone zu haben.“ Und, weiterhin in bestem Sarkasmus: „Ist ja auch mal schön, wenn man die für was anderes als Filmen gebrauchen kann bei einem Konzert.“ Dabei ist anzumerken, dass tatsächlich nur wenige Smartphones zum Filmen gezückt werden, was jedoch auch durchaus klug ist, da so sehr geschubst und getanzt wird, dass das Risiko, das Handy irgendwo im Getümmel zu verlieren, wohl kaum tragbar wäre. Angestimmt wird die langsame Melodie, mit der „Kein Liebeslied“ beginnt – doch noch ehe der Song zu Ende ist, fliesst er in „Liebe“ über, gefolgt von „Dein Lied“, „Für Immer“ und „Melancholie“. Ein Medley, das einem den Schnelldurchlauf einer Liebesbeziehung vor Augen führt.
Wer Blond im Vorprogramm verpasst hat, bekommt nun noch eine kleine Kostprobe mit auf den Weg: Das Chemnitzer Trio gibt gemeinsam mit dem Chemnitzer Quintett „Rock & Roll Queen“ von „The Subways“ zum Besten. Gemeinsam mit der Vorband verlassen danach auch Kraftklub die Bühne – mit Ausnahme von den Gebrüdern Brummer. Was jetzt folgt, ist eigentlich schon klar: Der nicht ganz ernst gemeinte Trap-Song 500K. Natürlich wird sogar hier der Text lauthals mitgesungen. Also, sofern man das Singen nennen kann.
Nach „Am Ende“, was natürlich nicht wirklich am Ende ist, erscheint die Band rauchend und mit Thermoskanne ausgerüstet nach einer kurzen Verschnaufpause zurück auf der Bühne. Was irgendwie klar war, denn ein paar Klassiker fehlten noch auf der Setlist: Nach „Chemie Chemie Ya“ und „Schüsse in die Luft“ folgt der Publikumsliebling „Randale“, bei welchem noch einmal alle Reserven ausgeschöpft werden. Und bei welchem dann kurzzeitig auch immer tonnenweise Plastikbecher, leere Zigarettenschachteln und Oropaxverpackungen durch die Luft schwirren. Abgeschlossen wird mit Songs für Liam, wobei noch Zeit ist für eine ausführliche „Hey Jude“-Version – so wie man das halt von Kraftklub kennt.
Setlist [Quelle: Setlist.fm]
1. Hallo Nacht
2. Fenster
3. Eure Mädchen
4. Sklave
5. Alles wegen Dir
6. Scheissindiediko
7. Fan von dir
8. Unsere Fans
9. Wie ich
10. Band mit K
11. Ich will nicht nach Berlin
12. Karl-Marx-Stadt
13. Kein Liebeslied / Liebe / Dein Lied / Für Immer / Melancholie
14. Rock & Roll Queen (The Subways)
15. 500 K
16. Am Ende
Zugabe
17. Chemie Chemie Ya
18. Schüsse in die Luft
19. Randale
20. Songs für Liam
Text: Sarah Rutschmann
Bilder: Berend Stettler