Eine kleine Serie gibt euch einen Einblick in Konzertfotografie
Im dritten Teil unserer Serie über Konzertfotografie zeigen wir euch die Lieblingsbilder unserer ARTNOIR-Fotografinnen und Fotografen.
Teil 1: Regeln an Veranstaltungen
Teil 2: Das Fotoequipment
Teil 3 – Best Of von ARTNOIR
Wer häufig an Konzerten fotografiert, hat mit der Zeit eine riesige Bildersammlung. Wenn man alle Vor- und Hauptbands dazuzählt, habe ich in gut zwei Jahren über 250 Auftritte festgehalten. Viele Kolleginnen und Kollegen aus dem Fotograben haben schon über 1000 Konzerte abgelichtet. Da liegen unglaublich viele Bilder gefangen auf Festplatten, nur ein Teil davon landet schlussendlich in einer Bildergalerie.
Bei ARTNOIR entscheiden die jeweiligen Fotografen selbst, welche Bilder sie in die Galerie stellen. Die Anforderung an eine Bildstrecke besteht darin, zirka 10-20 Fotos abzuliefern, welche die unterschiedlichen Aspekte eines Konzertes gut wiedergeben. Wenn man einen Singer-Songwriter an einem Akustikkonzert ablichtet, der die ganze Zeit mit seiner Gitarre hinter dem Mikrofon klebt, dann kann das eine ganz schöne Herausforderung sein. Und wenn nur der Bassist eine Rampensau ist und der Rest der Band wie angewurzelt auf der Bühne steht, dann hat man zwar viele coole Bilder, aber halt immer nur vom Bassisten. Und wenn jedes Bandmitglied, wie von der Tarantel gestochen auf der Bühne rumturnt, dann hat man plötzlich unglaublich viele coole Bilder. Auch eine schwere Entscheidung.
Nicole Imhof hat am Live At Sunset 2010 die Punk-Ikone Nina Hagen abgelichtet. An diesem Konzert hat sie eines ihrer persönlichen Lieblingsbilder geschossen. Es gehört zu ihren Favoriten, weil die Energie dieser Grande Dame darauf so perfekt zur Geltung kommt. Die Mimik, die Haltung, der Wind in den Haaren. Alles passt auf die Millisekunde genau.
Kathrin Hirzel hat 2015 Paul Stanley von Kiss in einer perfekten Pose erwischt. Sie kann sich noch genau an den Moment erinnern an dem es entstanden ist: Während sich Paul Stanley den Fotografen*innen rechts von ihm präsentierte, hat sie geduldig den Moment abgewartet, bis sie das Bild umsetzen konnte, welches sie im Kopf hatte. Tatsächlich wandte sich Paul Stanley ihr zu und sie konnte ihn in dieser coolen Pose ablichten. Da man nie weiss, wie sich die Musiker tatsächlich bewegen, braucht es etwas Glück für das perfekte Bild. Und wenn es nicht gelingt muss man schnell umdenken. Kathrin hat in der Regel das Bild schon im Kopf, bevor sie auf den Auslöser drückt. Planlos abdrücken und auf eine gute Aufnahme hoffen, ist nicht ihr Ding. Bei diesem Foto stimmt einfach alles: Komposition, Schärfe, Farben.
Nicole Schaad hat ihr Lieblingsfoto am Gurtenfestival 2019 geschossen. Sie mag das Bild, weil es den wunderbaren Vibe der Veranstaltung zeigt und ihre unvergessliche Festival-Premiere festhält. Aktuell sind solche Menschenmassen unvorstellbar, „Free Hugs“ erst recht. Das macht das Bild für sie so besonders und auch ein wenig surreal.
Das Lieblingsfoto von Manuela Haltiner stammt von 2017 und zeigt Converge im KIFF. Für Manuela hat der ganze Abend eine besondere Bedeutung: Sie hat selten so ein energie- und emotionsgeladenes Konzert erlebt. Was sie an dem Foto mag ist, dass es die Rohheit und Verletzlichkeit zeigt, die Gefühle von Sänger Jacob Bannon. Sie mag Fotos, die nicht ganz perfekt sind, aber etwas ausstrahlen, in das man sich reinfühlen kann. So, dass man das Gefühl hat, das Konzert mitzuerleben, ohne dabei gewesen zu sein. Und ich denke, das hat sie mit diesem Bild geschafft.
Anna Wirz hat ein Foto ihrer Lieblingsband Depeche Mode ausgewählt, das Konzert fand 2014 im Hallenstadion statt. Es ist ihr Lieblingsfoto, weil in dieser Sekunde alles gestimmt hat: die klassische Dave-Gahan-Pose, das Licht, die Projektion des Frontmannes hinten auf der Leinwand. Und weil das Wochenende damals grundsätzlich fantastisch war – zwei sensationelle Depeche Mode Konzerte hintereinander – was will man mehr?
Christian Wölbitsch hat sein Lieblingsbild 2019 beim Konzert von Tool im Hallenstadion geschossen. Für Christian war es in vielerlei Hinsicht eine Premiere: Es war sein erstes Engagement im Hallenstadion, sein erstes Konzert an dem die drei-Song-Regel auf nur einen Song reduziert wurde und keine Vorband um das Setup zu testen. Zudem gilt James Keenan Maynard als sehr Kamerascheu und platziert sich am liebsten weit hinten auf der Bühne. Als Konzertbesucher bewunderte Christian früher immer die Fotografen im Graben. Nie hätte er gedacht, dass er selber einmal in so einer Arena ganz vorne stehen würde.
Miriam Ritler fotografierte 2015 Die Toten Hosen im Stade de Suisse Bern. Sie kann sich daran erinnern, als wäre es gestern gewesen: Das Publikum ist ausgeflippt und Campino hat, wie immer, alles gegeben. Im Graben hat sie sich voll auf die Bühne fokussiert, als von hinten plötzlich ein Crowd-Surfer ankam und inklusive Security beinahe auf ihr gelandet wäre. Nachdem Miriam ihr Gleichgewicht wieder gefunden hatte und sie die Kamera wieder auf die Bühne gerichtet hatte, machte Campino seinen bekannten Sprung. „Das ich den Sprung so erwischt habe, war mehr Glück als Verstand“, meint Miriam heute dazu. Bis jetzt ist es für sie darum ein Sinnbild der Konzertfotografie. Momente voller Emotionen und Energie einzufangen und dies mit ein „bisschen“ Action.
Zu guter letzt noch eins meiner Lieblingsbilder. Es stammt vom FEVER 333–Konzert 2019 im Plaza Zürich. Die ersten beiden Songs waren vorbei, die Stimmung fantastisch und das Konzert verlief nach dem Geschmack von Jason Butler. Auf jeden Fall lässt sich sein Gesichtsausdruck so deuten. Solche Momente habe ich bis jetzt selten erwischt. Häufig laufen die Lieder wie einstudierte Choreografien ab und danach sieht man die Musiker auf der abgedunkelten Bühne kaum noch. Häufig drehen sich die Künstler in den Pausen zwischen den Stücken vom Publikum ab. Zupfen, stimmen oder wechseln ihre Gitarren, richten den Bass, prüfen die Drumsticks oder trinken etwas. In diesem Fall hatte ich, was man als Konzertfotograf immer wieder beansprucht: Das Glück im richtigen Moment abgedrückt zu haben.
Nächste Folge: Die Bildgestaltung
Text: Berend Stettler