27. Januar 2018
Gasthof Weyersbühl – Uebeschi bei Thun
Band: Jester’s Quest
Jester liegt am Strand, ein Lagerfeuer brennt gemächlich vor sich hin und die Frau neben ihm spielt Gitarre. Dennoch umgibt Jester eine tiefe Traurigkeit. Er kann sich dem Moment nicht hingeben, sondern will los. Er muss doch aufbrechen, weiterziehen und suchen, immer suchen, nur nach was? Er steht auf und will gehen. Sie lässt ihn nicht ziehen. Denn sie ist überzeugt, dass manchmal, wenn man nicht danach sucht, die Antworten zu einem kommen. Vielleicht ist es die Stille, die den Weg weist. „Embrace The Silence“. Mit diesem Song endet das Unplugged Showcase an diesem Abend im Gasthof Weyersbühl in Uebeschi. Hier wird heute die Halbzeit des Projekts Jester’s Quest rund um den Bassisten Marco Mazotti gefeiert.
Musikalisch ganz dem Rock gewidmet, so wie man ihn erwartet, mal klassisch, mal progressiv. Kräftige Stimmen im Wechselspiel mit den üblichen Tatverdächtigen dieses Genres: der Gitarre, dem Bass, dem Schlagzeug. Okay, unplugged halt, aber anderweitig nichts Weltbewegendes. Gut, die Musik ist vielleicht nicht gewagt und vermutlich ist es gar so gewünscht. Guter Rock lässt sich eben kaum verbiegen. Das wahre Erlebnis liegt im Projekt selbst.
So gibt es zwischen den Liedern die Geschichte um den Protagonisten Jester zu hören. Denn Jester’s Quest, das ist nicht nur Rockmusik. Jester’s Quest ist eine Konzeptgeschichte in zwölf Kapiteln und vielleicht, wer weiss, wahrhaftig der Weg hin zu grossen Antworten, deren Suche noch viel mehr Fragen aufwirft. Wo stehe ich? Wo geht es hin? Wer bin ich überhaupt und was ist meine Bestimmung? All jene Fragen verkörpert in der Geschichte Jester, der genau so gut Peter oder Anna heissen könnte. Der 50-, 20- oder 70-jährig ist. Denn die grossen Fragen sind an kein Alter gebunden. Jester, das bin ich, das bist du, das ist jeder im Saal, der nicht mit verschlossenen Augen und taub durchs Leben geht.
So entdeckt, wer sich auf die Webseite von Jester’s Quest einklickt, nicht nur vorzüglich dargebotene Rockmusik mit liebevoll und viel Aufwand gedrehten Videos, als vielmehr das Spiel des Lebens. Eine Community von Gleichgesinnten auf der ewigen Suche des Seins. Jedes Kapitel lässt sich einzeln erleben, mit der Story und Hintergrundberichten, natürlich immer mit dem passenden Song dazu. Es darf sogar mitgeredet werden auf Jester’s Backstage. Symbolisiert wird alles durch Zeichen, eingebettet in einen mystischen Kreis, der wie ein alter, geheimnisvoller Kalender eines längst vergessenen Volkes wirkt, ohne Anfang, ohne Ende. Sechs Symbole sind schon zu sehen, sechs Plätze noch leer. Zeit zu reüssieren also, für den Initianten Marco Mazotti und seine Crew, und Zeit jene zu treffen, ohne die Musik gar keine Wirkung hätte: die Zuhörer. Oder in diesem Fall viel mehr die wachsende Community hinter Jester’s Quest. Von der 20-jährigen überschminkten Göre über die vermeintlich leidvollen Mittvierzieger, die sich am Stammtisch mit der alten Garde an angereisten Begeisterten unterhalten. Gemeinsam ist ihnen die Freude am Rock und an Geselligkeit. Die Liebe zu guten Geschichten, gesungenen Weisheiten und leckerem Essen.
Ein ganz vorzüglicher Abend mit hervorragender Verköstigung in einem Ambiente wie zu Gotthelfs Zeiten,geht schliesslich zu Ende – mit dem Ausblick auf das nächste Symbol im Kreis und einem kurzen musikalischen Vorgeschmack auf das siebte Kapitel der Geschichte. Bis sich der Kreis schliesst, dauert es noch eine Weile. Vielleicht ist sie dann ja da, die grosse Antwort. Zwei Jahre geben sich die Künstler hierfür Zeit. Vermutlich wird es aber auch am Schluss wieder eine Frage sein, die bleibt. Denn ist nicht die Frage bereits die Antwort und der Weg das eigentliche Ziel? Es wird sich zeigen, was Jester noch alles widerfahren wird, bis sich der Kreis vollendet. Eines wird an diesem Abend jedoch sichtbar: Alle sind wir auf der Suche. Gemeinsam geht’s ja vielleicht einfacher, zumal gute Musik sicher förderlich ist. Die Jesteranier gestalten ihr Fragen, Suchen und Finden auf die rockige Art. Nicht die schlechteste, wie mir scheint. Auf jeden Fall unvergleichlich und einen Besuch wert.
Setlist:
1. The Dream
2. Tiger
3. Don’t Cross The Line
4. The Storm
5. Living The Now
6. Embrace The Silence
Text: Sebastian Leiggener