Dachstock – Bern
Freitag, 6. Oktober 2023
Text: David Spring
Man kann sicher über vieles streiten und diskutieren. Meinungen und Geschmäcker sind nun mal verschieden. Dass es hingegen im beschaulichen Eislingen/Fils drei sympathische, talentierte Herren gibt, die zusammen eine der allerbesten Bands der deutschen Musikwelt bilden, daran besteht kein Zweifel. Ja, die Rede ist von Itchy! Vergangenen Freitag nämlich luden genau sie im Dachstock in Bern zum Tanz. Das erste Konzert ihrer «Dive»-Tour wurde mit zwei hervorragenden, lokalen Vorgruppen, einer bestens gelaunten Hauptband und einer Menge durchgedrehter Fans zu einer fulminanten Show der Extraklasse.
Als erstes waren die westschweizer Punker:innen von Malewicz an der Reihe. Diese legten mit Vollgas los, auch wenn das Publikum erst noch etwas versteinert dastand. Spätestens aber nach der äusserst charmanten Begrüssung der Sängerin Teo taute der bereits gut (an)gefüllte Dachstock auf. Es war denkbar schwierig, beim wilden, schrammligen Punkrock von Malewicz still stehenzubleiben. Fachkenner:innen des französischsprachigen Punks erkannten gewisse Parallelen zu Grössen wie Guerilla Poubelle oder Justin(e), voller Energie und Melodie. Die Sängerin fragte die Lichtleute irgendwann, ob die riesige Discokugel für den nächsten Song eingeschaltet werden könne, «so you all can dance slowly and respectfully». Wie so oft im Leben bewiesen sich Charme und Punkrock als Wundermittel gegen sämtliche Probleme, denn daraufhin drehten alle gehörig durch und wir waren nach dem knapp halbstündigen Set bestens aufgewärmt.
Verschnaufpausen gab es von hier an kaum mehr, denn als nächstes waren die HC-Giganten von NOFNOG an der Reihe. Wie man es von den sympathischen Ostschweizern so kennt, wurden keine halbe Sachen gemacht. Sehr angenehm war am heutigen Abend die Soundqualität. Nicht zu laut, dafür glasklar und verdammt druckvoll. Kein Wunder, dass dem bald schon angezettelten Circle Pit artig Folge geleistet wurde, obwohl Drummer/Sänger Jérôme dazu meinte, dass er ja selbst schon ausgepowert sei. Die Band war bestens aufgelegt, machte munter Sprüche und freute sich augenscheinlich riesig darüber, heute hier spielen zu dürfen. Entsprechend war das Set von NOFNOG einfach ein verdammtes Fest an grossartigen Hits, riesigen Walls of Death, unzähligen Crowdsurfern und ausgelassenen Moshpits – was für eine Freude, was für eine Band!
Doch dann war es endlich so weit und nach einer zackigen Umbaupause und einem überraschend düsteren Intro standen sie da: Itchy! Mit dem gigantischen Anti-Kirchen-Hit «No One’s Listening» legten Max, Panzer und Sibbi gleich heftig los und es gab kein Halten mehr im Dachstock. «Faust» und «Thoughts & Prayers» folgten ohne grosse Umschweife und sorgten dafür, dass allen mal eben alles abverlangt wurde. In der Begrüssung hiess es, dass heute ja das erste Konzert der «Dive»-Tour sei und man folglich schon die Hälfte des Equipments entweder zu Hause vergessen oder vom Transport kaputt vorgefunden habe. Beste Voraussetzungen also, für ein erfolgreiches Konzert. Ebenfalls erfuhren wir, dass neben einer ganzen Reihe neuer Songs von «Dive» auch ein paar Stücke auf dem Programm standen, die es schon sehr lange nicht mehr ins Set geschafft hätten. Zur Freude scheinbar aller war der erste dieser Songs gleich der Überkracher «Another Song The DJs Hate» – was für ein Traum.
Itchy waren heute nicht aufzuhalten, folgte doch mit «Kings & Queens» gleich noch ein sehr selten gespielter Hit, der die Leute zum Jubeln und Durchdrehen brachte. Es folgte ein Set, dass es verdammt heftig in sich hatte. Hits wie «Black», «Ja als ob», «Out There» oder das wundervolle «Dancing In The Sun» wurden frenetisch abgefeiert. Dazu gab es heute gleich zwei Live-Weltpremieren, denn die Menschen im Dachstock waren die allerersten, die sowohl «Dive» wie auch das fantastische «You» zu hören und abfeiern bekamen. Was bei einer Itchy-Show auch nicht fehlen darf, sind die berühmt-berüchtigten Instrumenten-Wechsel. Für das grossartige «Mute Somebody» tauschten Panzer und Sibbi ihre Instrumente. Die Show wurde dann aber von Max gestohlen, als dieser die Antworten im Song ganz seiner Metal-Vergangenheit entsprechend voller Innbrunst ins Mikrofon schrie. Traumhaft!
Für das gemütliche «Go To Sleep» liess Sibbi seinen Mikrofonständer in die Mitte der Halle tragen, um den Song dann von da aus mit einer Ukulele bewaffnet und umringt von sitzenden Fans zum Besten zu geben. Und weil das tolle «Danger!» wohl nicht gut genug war, um als letztes Lied hinzuhalten, gab es als krönenden Abschluss den unsterblichen Elvis-Hit «Can’t Help Falling In Love» – mit Max am Bass, Sibbi am Schlagzeug und Panzer an der Gitarre, um den Evergreen in einer bestimmt wochenlang eingeprobten Punkversion rücksichtsvoll zum Besten zu geben, wie nur Itchy das können.
Es war ein absolutes Fest im Dachstock. Itchy waren wundervoll aufgelegt und quatschten sich mit ihrer unvergleichlichen Art um Kopf und Kragen. Dazu rockten sie verdammt heftig durch ihr Set und liessen das Berner Publikum kaum je zum Durchatmen kommen. Erst der Zugaben-Block war dann etwas ruhiger, als Sibbi und Panzer mit Akustikgitarren die Songs «As Long As I Have Chords» und «Things I Would Love To Have Said» darboten, als Erinnerung an ihre Anfangstage. Das übermächtige «Why Still Bother» und das finale «Down Down Down» brachten den Abend dann fulminant zu Ende. Itchy sind einfach jedes Mal eine Macht. Die grossartige Setlist, die geilen, neuen Songs und eine verdammt gutgelaunte, energiegeladene Band – was will man mehr? Danke Max, Panzer und Sibbi, dass ihr immer wieder zu uns in die Schweiz kommt, danke für die grossartigen Shows und Lieder, danke, dass es euch gibt!
Setlist [Quelle: Setlist.fm]
- No One’s Listening
- Faust
- Thoughts & Prayers
- Another Song The DJ’s Hate
- Kings & Queens
- Mute Somebody
- You
- Ja Als Ob
- Black
- Dive
- Go To Sleep
- Out There
- Prison Light
- The Lottery
- I Gotta Get Away
- Dancing In The Sun
- Danger!
- Can’t Help Falling In Love (Elvis-Cover)
Zugaben
- As Long As I Got Chords
- Things I Would Love To Have Said
- Why Still Bother
- Down Down Down