Datum: 24. Oktober 2015
Ort: Baloise Session – Basel
Bands: Iggy Pop / Katzenjammer
Kann das gut gehen? Der Godfather des Punks, Iggy Pop an der Baloise Session? Rechnet man da nicht automatisch damit, dass der Ur-Punk dem vornehmen Publikum den Stinkefinger zeigt?
Seit 30 Jahren lässt die Baloise Session Musik-Grössen aus der ganzen Welt in dezenter Clubtisch-Atmosphäre auftreten. Der Boutique Stil ist gepflegt und sorgfältig in Szene gesetzt und mit maximal 1’500 Besuchern pro Abend, bleibt der Saal überschaubar. Mit ihrem Konzept haben die Baloise Erfolg, auch wenn dieses spezielle Ambiente dem normalen Konzertgänger_in eher fremd erscheint. Hier wird ein grosser Teil des Publikums von den Medienpartnern und Sponsoren eingeladen. Deshalb verwundert es nicht, dass ein paar wenige Zuschauer nach Iggys erstem Song leicht konsterniert den Saal verlassen.
Der Opener «No Fun» traf bei den Besuchern zu, die weder Herrn Iggy Pop noch The Stooges kannten. Schade drum. Denn Iggy war guter Laune und das störende Stück Kleidung, aka Jacke, riss er sich nach den ersten Minuten vom Leib. Mit seinem Markenzeichen, dem nackten Oberkörper und den strähnigen Haaren, fegte er von einer Seite der Bühne auf die andere. «Passenger» und «Lust For Life» folgten Schlag auf Schlag und das Publikum konnte sich nicht mehr auf den Stühlen halten. Alle Cüplis waren vergessen.
Wenn jemand mit so viel Ausstrahlung auf der Bühne steht, dann mutieren auch die besten Musiker zu Statisten. Auf den zwei grossen Leinwänden links und rechts wurde fast ausschliesslich der rüstige Punkrocker gezeigt. Man kann nicht anders, als ihm zuzusehen. Blitzschnell spurtet er umher um dann wieder in bekannten Posen zu verharren. Sein Oberkörper ist mit Narben übersäht doch weder das noch, dass man ihm sein Alter ansieht, scheint ihn zu stören.
In den ersten Reihen geht es mittlerweile zu und her, wie an jedem anderen Konzert. Ein Herr zieht das Hemd aus und schwenkt es euphorisch über seinem Kopf. Einige Frauen und Männer stürmen die Bühne und versuchen Iggy zu umarmen. Der sowieso bereits viel beschäftigte Stagehand muss nun als Security eingreifen und die ekstatischen Fans von der Bühne bugsieren. An jedem anderen Punk- oder Rockkonzert wäre dies keine Erwähnung wert. In diesem speziellen Ambiente zeugt es von der Leistung Iggys und seinem unglaublichen Charisma.
Kein Stinkefinger, dafür ein paar klar platzierte f***’s zu Beginn und gut ist. «That’s a f***ing charming audience» lächelt er irgendwann sympathisch. Iggy ist gemässigter geworden. Bei den ruhigeren Stücken setzt er sich gerne kurz hin oder flirtet mit dem Publikum. Er ist nicht mehr so laut und wild. Wobei das im Verhältnis zu so manch anderer, jungen Band noch immer Vollgas ist. Ein Mikroständer fliegt durch die Gegend. Zweimal kommt er runter von der Bühne und lässt sich über die Köpfe tragen. Von einem wilden Sprung in die überschaubare Menge lässt er zum Glück ab.
Nach dem ersten Hauptteil versuchten die beiden Moderatoren die Event-Halle kurz zur Ruhe zu bringen. Es sollte Baloise Stilgerecht ein «lifetime achievment award» übergeben werden. Die Stimmung war allerdings so berauscht, dass niemand den beiden zuhörte und sogar Buhrufe aus dem Publikum kamen. Iggy erbarmte sich der beiden und kam nochmals auf die Bühne. Charmant lächelnd, mit offenem Gürtel, übernahm er souverän diese Auszeichnung. Um dann im nächsten Moment wieder das Mikrofon zu packen und «f***ing award, it makes me f***ing bored» zu schreien. Doch das mit einem Augenzwinkern, denn der nächste Song hiess passenderweise «I’m Bored».
Was Iggy Pop von der ersten Sekunde an gelang, dafür benötigen die vier Damen von Katzenjammer etwas länger. Die Norwegerinnen brachten das Publikum im dritten Lied, unter Aufforderung, ebenfalls zum Aufstehen und Tanzen. Ihre eigenwillige Mischung aus Folk, Pop, Country und etwas Rock’n’Roll ist unterhaltsam. Und nicht nur, weil sie optisch ihre Reize in Szene zu setzen wissen.
Sie wechseln sich an den zahlreichen Instrumenten ab und bieten beste Unterhaltung zum Einstieg des Abends. Kameras des SRF zoomen näher heran und eine Atmosphäre einer Fernsehshow aus den 70ties kommt auf. Musikalisch auf hohem Niveau, aber dennoch können sie die Stimmung nicht über die volle Länge halten. Aus den verführerischen Katzen bleibt am Ende noch das Gejammer. Da nützt auch der fulminant inszenierte letzte Song nichts.
«One Of A Kind» war das Motto des Abends. Und für Mister Iggy Pop trifft das ohne Wenn und Aber zu. Wer sonst schafft es, an einer Cüpli-Party die Besucher so aus der Reserve zu locken. «Punks Still Not Dead».
Text: Nicole Imhof
Bilder: Daniel Strub