25. September 2019
ISC – Bern
Bands: Harvey Rushmore & The Octopus / Mystic Braves
Eben noch im Kino, schon lasse ich mich überreden hin zu einem Lokal weiter. „Hey die Band musst du gesehen haben! Es ist wie Reiten durch die dürre Prärie“, sagt meine gute Freundin. Hmm – so hab ich Musik doch noch nie erlebt. Na dann, her mit Ross und Sattel, zähmen wir das Tier. Schon stehen wir, das Ross gesattelt, die Hände am Zügel, bereit mit der wilden Bestie zu galoppieren.
Ein Tritt mit den Sporen und auf geht’s. Harvey Rushmore And The Octopus lassen keine Sekunde anbrennen. Kaum auf der Bühne schnellen gefühlte tausend Pferdestärken von null auf Hundert in 0,2 Nanosekunden. Psychedelic Rock durchfährt den kleinen dunklen Club. Die Band reiht sich in ihrer ganzen Ausprägung irgendwo in den verschwommenen Gezeiten zwischen den wirren Sechzigern und dem hippsteren Heute ein. Mächtige Kotletten und wilde Haarpracht in Persona, hedonistische Verwirklichung auf angedeuteten Abwegen, permanent auf Messers Schneide im Sound. Das Bühnenbild rast wie im Drogenrausch. Halluzinogen, spiralend und farbig brennt es sich durch die Iris in die Netzhaut und bringt Synapsen zum Knallen. Keine Zeit zum Denken, ich muss reiten, immer weiter reiten. Es ist genau wie versprochen. Ein Abbruch, ein kurzer Verschnaufer? Nicht hier – nicht jetzt. Das kurze Set wird am Stück genossen. Ist ein Song durch, startet gleich schon der nächste und neue Farben schimmern auf dem weissen Hemd des Frontmannes und lassen ein bewegtes Kostüm im Rausch erblicken. In den psychedelic Rock mischt sich Freakbeat und Surf. Nur nicht bremsen auf der heissen Welle, wer bremst verliert. Schweiss tropft und verdampft noch im Fall begriffen. Die Soundsonne brennt. Tausend Grad. Diese Hitze! Oh Gott diese Hitze! Egal immer weiter, weiter muss der Reiter. Die karge Prärie füllt sich mit Gitarrenriffs und fettem Gesang. Es drohen Grenzen zu reissen. Überdosiert flippen die Zuhörer und in diesem Fall ganz klar auch Zuschauer, denn neben dem Sound ist das Gesamtbild die Kunst.
Nach knapp einer Stunde ist die Schlacht verloren. Ross und Reiter liegen in der trockenen Dürre erschöpft am Boden. Der Schlussakt sickert fürchterlich langsam wie der letzte Tropfen aus der Wasserflasche die schmirgelraue Kehle hinunter. Egal was jetzt noch kommt, der Weg war das Ziel.
Erschöpft torkle ich zur Bar, Wasser! Wasser! Es gibt nur Bier – auch gut – vielleicht besser. Doch wie bitte, da kommt noch was? Das eben war nur die Vorband? Nur Support, für Mystic Braves – The Great Unknown? (Innehalten – Sammeln) Blicken wir zurück: Die sogenannte „Vorband“ nagt immer noch an meiner Psyche. Also, sorry Jungs heute werdet ihr die grossen Unbekannten bleiben.
Gleichwohl noch ein Wort zur „Nachband“. Die nicht minder retro auftretenden Herren aus Los Angeles, ebenfalls der psychedelic Szene verschrieben, versuchten alles um den Anschluss zu finden, vermochten es jedoch nicht, zur Schweizer Vorgruppe aufzuschliessen, geschweige denn sie zu übertönen. Guter solider Sound, etwas stärker dem Rock verpflichtet als das waghalsige davor, vermochte der Hauptact an diesem Abend nur als Detoxer im Delirium zu wirken. Ja ich muss es sagen, heute war ich nur für die Vorband hier.
Text: Sebastian Leiggener
Fotos: Alain Schenk (03.10.2018 / Rössli Bern)