
Komplex 457 – Zürich
Sonntag, 9. November 2025
Text: Madeleine Fuhrer
Bevor Halestorm den Komplex 457 für sich gewannen, eröffnete das indische Folk-Metal-Kollektiv Bloodywood energetisch und mit farbiger Exotik – ein Erlebnis, das den Begriff „Aufwärmen“ deutlich übertraf. Ihr Mix aus massiven Gitarrenriffs, basslastigem Sound und traditionellen Instrumenten wie Flöte und Dhol-Trommel entfaltete eine mitreissende Dynamik. Ein Hybrid, der erfrischend überraschte.
Ihre Präsenz war unmittelbar: kein zurückhaltender Einstieg, nein, Bloodywood legten los wie ein Kurzschluss im Verstärker. Das Publikum reagierte genauso in der Spiegelung und ausgelassenes Headbangen und Circle-Pits vermischten sich mit der ansteigenden Energie im Raum. Der Sound hatte Tiefe, auch wenn einige der eingespielten exotischen Elemente im Gesamtvolumen leicht untergingen. Ungebändigt entfaltete der Klangteppich seine Wirkung. Besonders eindrücklich war die Verbindung von den Klassik-Instrumenten mit knallharten Riffs und Rap-Sequenzen, eine Mischung, die man nicht alle Tage erlebt und die sich durch Originalität und Authentizität auszeichnete.
Die Show wirkte wie ein Statement: „Wir sind hier, wir sind laut – und wir spielen so, wie wir es wollen.“ Diese Haltung übertrug sich auf die Menge. Was zunächst mit neugieriger Zurückhaltung begann, entwickelte sich rasch zu begeistertem Mitgehen.
Für viele war es vermutlich die erste Begegnung mit Bloodywood, die augenblicklich einen bleibenden Eindruck hinterliessen. Eine musikalische Explosion, die Energie freisetzte und den Abend perfekt ankurbelte. Ein klares Signal: Türen auf, Kopf frei, Rockmodus an.
Es gibt Bands, die spielen Konzerte – und es gibt Halestorm, die sie leben. Längst eine feste Grösse im internationalen Hardrock, bewiesen sie im Komplex 457 einmal mehr, weshalb sie zu den verlässlichsten Live-Bands ihrer Generation gehören. Präzise, kraftvoll und ohne übertriebene Gesten inszenierte das Quartett um Frontfrau Lzzy Hale eine Show, die sowohl technisch brillant als auch emotional aufgeladen war.
Mit wuchtigem Gitarrensound und ihrer unverkennbaren, durchdringenden Stimme eröffneten Halestorm das Set mit „Fallen Star“ vom neuen Album „Everest“. Von da an gab es kaum Atempausen. Lzzy Hale blieb das pulsierende Zentrum der Band, wandelbar zwischen kraftvollem Ausdruck und kontrollierter Melodik. Dabei zeigte sie einmal mehr, welche Facetten ihre wunderbare Stimme hergibt.
Drummer Arejay Hale spielte mit unbändiger Energie, inklusive dem obligatorischen Drumsolo samt überdimensionierten Drumsticks zum Finale. Joe Hottinger an der Gitarre und Josh Smith am Bass bildeten das solide, dynamisches Fundament und schufen Raum für spontane musikalische Akzente. Gerade diese Balance zwischen Routine und Spontaneität machte den Reiz des Abends aus. Einige Songs wurden in neuen Arrangements präsentiert, was ihnen eine neue Frische verlieh.
Das Set umfasste sowohl aktuelles Material vom „Everest“-Album – darunter „K-I-L-L-I-N-G“, „Darkness Always Wins“ und der Titeltrack „Everest“ – als auch Klassiker wie „Love Bites (So Do I)“, „Freak Like Me“ und „I Miss The Misery“. Zwischen den Songs nahm sich Lzzy Hale immer wieder Zeit für das Publikum, sprach über Selbstbestimmung, Kreativität und den Mut, eigene Wege zu gehen. All diese kurzen Momente verliehen der Show eine wundervoll persönliche Note, ohne je den Energiefluss zu brechen.
In einem bewährten Stil wurde die Energie hochgehalten, aber auch mal Tempo herausgenommen, damit sich Momente von Melancholie und Intimität entfalten konnten. In diesen Augenblicken gelang es der Band, eine fast greifbare Verbindung mit dem Publikum herzustellen. Lzzy Hale zeigte nicht nur stimmlich, was sie zu bieten hat, sondern auch ihre instrumentale Vielfalt mit dem Wechsel zwischen Gitarre und Piano. Ein bewegender Höhepunkt war das Tribut an den im Sommer verstorbenen Ozzy Osbourne mit einer starken Version von „Perry Mason“. Die Band war sichtlich noch immer begeistert und gerührt von dem Erlebnis im Sommer, als sie bei der „Back To The Beginning“ Show auftreten durften.
Halestorm zeigten an diesem Abend eindrucksvoll, dass sie nichts von ihrer Live-Kraft verloren haben, sondern sie im Gegenteil weiter verfeinert haben. Ein Konzert, das in Erinnerung bleibt, nicht nur als reine Sammlung starker Songs, sondern als Erlebnis, das Kopf, Herz und Körper gleichermassen erfasste.

