greenfieldfestival.ch
The Prodigy + Kvelertak + Dropkick Murphys + Silverstein + Eluveitie + Against The Current + Feine Sahne Fischfilet + Imminence + Guano Apes + Future Palace + Palaye Royale + All To Get Her + The Baboon Show
Flugplatz – Interlaken
Freitag, 14. Juni 2023
Text: David Spring
Bilder: Miriam Ritler + Manuela Haltiner + Olivia Ritler
Am zweiten Tag eines Festivals ist es irgendwie immer am schwierigsten, um in die Gänge zu kommen. Am Abend zuvor wurde wieder zu hart gefeiert, dein Zelt gleicht mehr und mehr einer Müllhalde und du weisst, es steht morgen nochmals dasselbe an, denn einfacher wird es nicht. Aber es hilft alles nichts, denn heute stehen wieder unglaubliche Bands und ein weiterer Tag am Greenfield Festival bevor, und du weisst, es wird ein Fest werden.
Erstmal aber gibts Kaffee, denn für ein Reparierbier sind wir nun doch etwas zu alt. Danach gönnen wir uns eine Dusche und stellen fest, dass sich auf dem Camping-Gelände doch einiges geändert hat. Die Duschen wurden nämlich neuerdings an die Hauptstrasse verlegt, da ein ganzer Teil des Campingplatzes wohl geschlossen oder verschoben wurde. Leider bedeutete dies nicht, dass die Duschen etwas geräumiger geworden wären, gefühlt hat man nun noch weniger Platz und auf irgendwelche Ablageflächen hofft man nach wie vor vergebens. Da bestünde meines Erachtens noch etwas Ausbaubedarf. Was ebenfalls nicht mehr wieder zu finden ist dieses Jahr, ist der Shelter 66, der Mad-Max-Themenbereich. Es bleibt also spannend, was in Zukunft mit dem Gelände noch so alles passieren wird.
Frisch geduscht und voller neugewonnener Energie ging es dann auf der Jungfrau-Stage gleich bombastisch los, denn da standen die wundervollen The Baboon Show als erstes auf der Matte. Kaum eine Band ist wohl besser dafür geeignet, einer bereits mächtig angefeierten Menge von Menschen so richtig Feuer unter dem Hintern zu machen, als sie. Sogar die Sonne zeigte sich an diesem sonst eher feuchten Tag kurzzeitig, und es war ein einziges Fest. Die energiegeladene Sängerin Cecilia Boström stand keinen Moment lang ruhig und hatte uns vorzüglich im Griff; sie ist unbestreitbar eine der faszinierendsten Frontfrauen des Rocks. The Baboon Show liessen sich gelegentlich auch Zeit für ausschweifende Ansagen und eine aberwitzige Bandvorstellung, aber in erster Linie gab es einfach vorzüglichen Punk’n’Roll. Hits wie «Me, Myself And I», «Queen Of The Dagger» oder «Playing With Fire» machten unglaublich Spass und nach diesem grossartigen ersten Auftritt waren wir dann alle auch endlich wach.
Auf der Eiger-Stage standen nun mit All To Get Her die deutschschweizer Gewinner des Greenfield-Bandcontests an. Die gutgelaunte Punkband freute sich sichtlich, hier heute spielen zu können und waren überwältigt von all den Menschen, die sich bereits vor der Bühne einfanden. Doch von Nervosität keine Spur, die Jungs lieferten eine vorzügliche Show ab und machten mächtig gute Laune. Mit munteren Mitsingspielchen bewiesen sie sich als hervorragende Entertainer und warfen immer mal wieder ein ungläubiges «Oh mein Gott, wie geil ist das?!» in die Runde, wenn etliche Leute zu ihren tollen, energiegeladenen Songs durchdrehten. All To Get Her überzeugten voll und ganz und hatten ihren Gewinn redlich verdient.
Für mich folgte dann erstmal eine kleine Verpflegungs- und Organisationspause, bevor es auf der Hauptbühne mit den Guano Apes weiterging. Die unkaputtbaren Crossover-Veteranen um Sängerin Sandra Nasić legten gutgelaunt und voller Energie los und hatten die Leute schnell im Griff. Wie es am Greenfield noch oft passiert, waren auch sie sichtlich angetan von der schönen Kulisse und freuten sich augenscheinlich mächtig, hier zu sein. Es ist schwierig, zu den eingängigen, groovenden Songs stillzustehen und so wurde wild mitgefeiert. Richtig cool war das unerwartete Cover von Eminems «Lose Yourself» in einer heftigen Rock-Version, was hervorragend abging, und natürlich unsterbliche Hits wie «Lords Of The Boards» und «Big In Japan». Immer wieder ein Fest mit den Guano Apes. Schlag auf Schlag ging es dann drüben weiter mit Imminence, die mit ihrem bombastischen Metalcore viele Fans anzogen. Die Band aus Schweden hielt sich sehr bedeckt mit Ansagen und Publikumsinteraktion, wodurch bei mir der Funke nicht ganz rüberspringen wollte, doch die Musik sprach ohnehin voll und ganz für sich. Und natürlich muss auch erwähnt werden, dass es wohl nicht viele Metalcore-Bands gibt, deren Sänger zu den meisten Songs noch Geige spielt. Das sieht man nicht alle Tage. Je länger Imminence ihr Ding durchzogen, umso besser gefiel das auch mir; die absolut bombastischen, harten Klänge waren genau das Richtige für diesen immer noch etwas schwer in den Knochen liegenden Nachmittag.
Als nächstes standen Feine Sahne Fischfilet auf dem Plan, sehr zur Freude der feierwütigen Greenfielder:innen. Die mittlerweilen fast schon legendäre Punk-Band aus Mecklenburg-Vorpommern sorgte standesgemäss für einen gewaltigen Abriss, doch für mich ging es gleich weiter zu Against The Current, die ich nicht verpassen wollte. Die geniale, energiegeladene Sängerin Chrissy Costanz sprang gutgelaunt über die Bühne, während ihre Band einzigartig wunderbaren Pop-Punk abfeuerte. Bands aus den USA scheinen immer besonders angetan zu sein von den Bergen und der schönen Location dieses Festivals. So meinte die Sängerin, sie wolle nichts mehr, als hier in einer kleinen Hütte, umgeben von Schafen, zu leben. Mit fantastischen Songs wie «Silent Stranger», «Gravity» oder «Again&Again» war es ein einziges Fest, dieser talentierten Gruppe zuschauen zu dürfen. Against The Current machten alles richtig, holten die Leute wundervoll ab und machten unglaublich Spass. Pop-Punk, genau wie er sein muss: gefühlvoll, wild und voller Emotionen!
Ein ganz anderes Kaliber stand danach auf der Jungfrau-Bühne an, denn dort spielten nun die gewaltigen Eluveitie. Zuvor gab es noch ein kurzes ARTNOIR-Teamtreffen, denn es gibt halt einfach keinen schöneren Ort, um unser Team zusammenzubringen, als am Greenfield. An dieser Stelle auch ein riesengrosses Danke an das beste Team der Welt! Einen kurzen Schnappschuss später dann aber gab es massig Metal-Riffs und unvergleichliche Drehleier- und Eigenklänge. Diese schweizer Band ist schon etwas ganz Spezielles, die brachialen Gitarren und das harsche Geschrei von Chrigel Glanzmann, die im krassen Kontrast zum engelsgleichen Gesang von Fabienne Erni und den mittelalterlichen Instrumenten stehen. Einfach faszinierend, was die neunköpfige Band hier vom Stapel liess. Dazu gab es reichlich Pyros und ein bestens gelauntes Publikum, dass heftig abging. Mit dem nackenbrechenden Thrash-Metal-Brett «Havoc», dem fulminanten «King» und natürlich dem fantastischen «The Call Of The Mountain», welches heute in schweizerdeutsch vorgetragen wurde, war viel zu bald schon das Ende erreicht. Mit Eluveitie ist es immer wieder ein Fest – schön, dass es sie gibt.
Daraufhin folgte bald schon eine der für mich grössten Entdeckungen des Festivals: Silverstein! Keine Ahnung, wie diese fantastische Screamo-Gruppe aus Kanada bisher nicht auf meinem Radar war, obwohl sie seit 2000 unterwegs sind. Umso grossartiger war die Show. Voller Energie haute uns der Fünfer ihre brachialen, heftigen Songs um die Ohren, dass es nur so eine Freude war. Der Platz vor der Eiger-Stage war selten so voll und ausser Rand und Band, wie hier. Als sie dann zu allem Überfluss hin noch eine unglaublich geniale Cover-Version von «One Step Closer» von Linkin Park anstimmten, war das Highlight perfekt. Wer hätte gedacht, dass wir diesen Song nochmals live erleben könnten? Doch auch die eigenen Songs der Band wie «Ultraviolet», «My Heroine» oder «Bad Habits» überzeugten voll und ganz. Viel zu schnell war der Spass wieder vorbei und damit eines der unerwarteten Highlights des Festivals.
Zu der fortgeschrittenen Stunde war es nun Zeit für die wirklich grossen Namen, und so legten als nächstes die unsterblichen Dropkick Murphys auf der Jungfrau-Bühne los. Die Irish-Punkband aus Boston ist immer wieder ein Garant für gute Laune und das Greenfield-Publikum wusste den rasanten Sound der Band mit wilden Pogo-Pits und freudigem Gejohle zu goutieren. Zugegebenermassen hatte das Set in der Mitte ein paar Längen, da sich viele der etwas gemächlicheren Songs sehr ähnlich sind. Die Dropkick Murphys sind einfach dann am besten, wenn sie volle Pulle drauflos rocken und so richtig abgehen. Songs wie «The State Of Massachusets» oder «Worker’s Song» machten unendlich Spass. Und als dann die ganz grossen Hits wie «Rose Tattoo» und die wundervolle Schunkel-Nummer «Kiss Me, I’m Shitfaced» ausgepackt wurden, gab es kein Halten mehr. Einfach immer wieder geil, diese Truppe, und mit dem abschliessenden «I’m Shipping Up To Boston» zementierten sie ihren Status als die ultimative Gute-Laune-Punkband einmal mehr.
Von Boston ging es als nächstes einmal über den Atlantik, direkt nach Norwegen, denn es war Zeit für Kvelertak. Die durchgeknallte Black’n’Roll-Gruppe aus Stavanger trat übermächtig mit gleich drei Gitarren auf und haute uns mit ihrem unvergleichlichen Sound komplett aus den Socken. Falls sich bei jemandem vielleicht schon etwas Müdigkeit bereitzumachen drohte, wurde diese augenblicklich weggewischt. Unfassbar, was für eine Energie und Spielfreude die Sechs an den Tag legten. Der wilde Frontmann Ivar Nikolaisen hatte die Leute fest im Griff und bedarfte nur weniger Worte, um uns zu begeistern. Sehr witzig war, als er die Ähnlichkeiten zwischen der Schweiz und Norwegen feststellte: «it feels like home here, you have beautiful mountains, everything is super expensive and you are all wasted!» Der Sänger warf sich auch gleich mehrfach mitten in die Leute, liess sich auf Händen tragen und sang auf den Schultern der Fans stehend weiter. Was für eine Show, was für eine unglaubliche Band und eigentlich der perfekte Abschluss für den heutigen Tag.
Doch es stand ja noch der Headliner an: The Prodigy! Gefühlt das ganze Festival fand sich ein letztes Mal für heute vor der Jungfrau-Stage ein und feierte die legendäre Electro-Punk-Gruppe gnadenlos ab. Leider kenne ich wenig mehr als «Firestarter», das in einer etwas merkwürdigen Version, dafür mit schönen Visuals in Gedenken an den verstorbenen Sänger Keith Flint, vorgetragen wurde. Das Spektakel, welches diese Band live vom Stapel lässt, sucht seinesgleichen. Und egal, was man von der Band hält, sie rockten die Massen gewaltig. Die ansteckenden Beats, der unvergleichliche Sound und die spektakuläre Licht- und Laser-Show brachten das Greenfield hart zum Tanzen und Feiern. The Prodigy bewiesen sich einmal mehr nicht nur als würdigen Headliner, sondern auch als vorzügliche Vermittler zwischen den Genres. Egal ob Punk oder Metalhead, irgendwie scheinen sich alle immer wieder auf sie einigen zu können. Sowas schaffen tatsächlich nicht viele.
Und so ging ein weiterer wundervoller Tag am Greenfield Festival zu Ende. Trotz des wechselhaften Wetters war es ein riesiger Spass! So viele frohgemute Menschen auf einem Haufen, die gemeinsam zu den fantastischen, abwechslungsreichen Bands Party machen, was will man mehr? Auch wenn am Ende des Tages alles wehtut, fühlt man sich glücklich und erschöpft und kann es jedes Mal aufs Neue nicht erwarten, am nächsten Tag gleich nochmals so abzugehen. Schön ist das!
Greenfield Festival 2024 – Donnerstag
Greenfield Festival 2024 – Samstag