greenfieldfestival.ch
Bring Me The Horizon + Karnivool + Machine Head + Escape The Fate + Sum 41 + Bokassa + Babymetal + Fjørt + Saltatio Mortis + The High Times + Life Of Agony + Alphornbläser
Flugplatz – Interlaken
Donnerstag, 13. Juni 2023
Text: David Spring
Bilder: Miriam Ritler + Manuela Haltiner + Olivia Ritler
Endlich ist es wieder soweit, das wundervolle Greenfield Festival steht vor der Tür. Drei Tage voller Rock, guter Laune und (hoffentlich) schönem Wetter. Als am Mittwoch die Pforten zum Camping aufgingen, war der Ansturm wie immer gross und wer am Greenfield das Zelt nicht allzu weit vom Treiben aufstellen will, muss früh genug dran sein.
Einmal drin begrüsst dich auf dem Flughafen Interlaken die alte Kulisse, die jedes Rock-Herz höherschlagen lässt. Der begehrte Mittelaltermarkt, die Partyzone mit dem Rckstr-Block und vielen anderen Feststationen, die fantastische AnsprechBar Festivalseelsorge, die putzige Metal Church und natürlich die imposanten zwei Bühnen – alles ist da, wie du es kennst und schon immer haben wolltest. Was sich im Vergleich zum Vorjahr gewaltig geändert hat, ist der Lidl-Rockmarkt. War dieser letztes Jahr noch eher kümmerlich und relativ kurzfristig auf die Beine gestellt worden, so steht da 2024 ein gewaltiger, vollständig ausgerüsteter Supermarkt. Das Einkaufserlebnis wird durch wundervollen Extreme Metal äusserst entspannt gestaltet und man kriegt von Lidl-Merchandise über Bier und Brot bis hin zu ganzen Camping-Ausstattungen alles. Für das leibliche Wohl ist am Greenfield ohnehin immer gut gesorgt – sofern man das nötige Kleingeld hat, denn billig sind die meisten kulinarischen Angebote nicht gerade. Doch es ist schön zu sehen, dass vor allem die vegane Auswahl immer weiter ausgebaut wird und es für jeden Geschmack etwas gibt.
Aber genug davon, wir sind ja schliesslich der Musik wegen hier. Und davon gab es am Donnerstag nur das Beste! Den Auftakt machten, so sicher wie das Amen in der Kirche, die Alphornbläser:innen. Und trotz der wahrlich heftigen Metal-Headliner, so wage ich zu sagen, dass trotzdem niemand einen grösseren Moshpit anzetteln konnte, als die mit Abstand coolste Alphorn-Gruppe der Schweiz. Es ist immer wieder toll, dass sich Jahr für Jahr das gesamte Greenfield-Festival früh am Nachmittag auf zur Jungfrau-Stage macht, um diesem einmaligen Spektakel beizuwohnen und hart zu feiern. Mit ein paar klassischen Stücken sowie Rock-Hits wie «Nothing Else Matters», «Seven Nation Army» oder «Boulevard Of Broken Dreams», unterstützt von Piano, Bass und natürlich einem Schwyzerörgeli, schöpften sie aus dem Vollen – ein Traum.
Doch dann ging es endlich los mit richtigem Lärm und die Alternative-Metaller:innen von Life Of Agony enterten die Hauptbühne. Der coole, moderne Sound brauchte nach den sanften Alphorn-Klängen zwar eine kurze Minute, um richtig einzuschlagen, doch ging die Band schnell immer wie besser ab. Vor allem fiel die unfassbar starke Schlagzeugerin Veronica Bellino auf, die mit einer Wucht und Präzision in die Trommeln haute. Faszinierend, doch auch die übercoole Sängerin Mina Caputo überzeugte mit ihrer rauchigen Stimme und wilden, sympathischen Art. Dazu gab es heftige Riffs und fesselnde Songs, die mal gerade aus in die Fresse hauten, mal kreativ und vertrackt groovten. Alles in allem machten Life Of Agony verdammt viel Spass und mit so einem starken Opener standen die Sterne für ein wunderbares Festival bestens. Auf der Eiger-Stage ging es danach gleich mit den grossartigen, heimischen Punker:innen von The High Times weiter. Wie man es von dieser Band nicht anders kennt, machten sie augenblicklich Laune und passten perfekt zum sonnigen Nachmittag. Sympathisch war vor allem, dass die Band etwas nervös war, auf einer solch renommierten Bühne stehen zu dürfen. An den grossartigen Songs merkte man dies freilich nicht, doch die sehr witzigen und charmanten Ansagen liessen trotz allem ein paar zittrige Nerven bemerken. Wirklich sehr sympathisch, doch vor allem rockten uns The High Times vorzüglich und legten eine tolle Show hin. Hoffentlich durfte sie das Greenfield nicht zum letzten Mal beherbergen – schön wars!
Auf der Jungfrau-Stage spielten derweil die Mittelalter-Metaller von Saltatio Mortis auf und schienen da einen ordentlichen Abriss zu fabrizieren, doch für mich kam auf der kleinen Bühne bereits das unabdingbare Highlight des Festivals: Fjørt! Die drei Aachener Post-Hardcore-Heroen wirkten mit ihrem vernichtend intensiven Sound bei Tageslicht zwar erst etwas merkwürdig, doch bereits der wütende Opener «Schrot» liess alles in Schutt und Asche hinter sich. Was für eine Band, es grenzt jedes Mal wieder ans Unglaubliche, wie brutal und zerstörend der Sound dieses Trios ist. Wie gewohnt hielten sich Bassist David und Gitarrist Chris mit Ansagen zurück, verliehen dafür jedem gesprochenen Wort so umso mehr Nachdruck. Nach dem bombastischen «Südwärts» bedankte sich der wilde Bassist mit den Worten «Danke Greenfield für die Einladung und den grössten Mittelfinger aller Zeiten für alle scheiss Nazis in der Welt», was natürlich wilden Zuspruch und Haufenweise gen Himmel gereckte Stinkefinger aus Seiten des Publikums mit sich brachte. Es folgten unschlagbare Hits wie «Fernost», «Bonheur» und das wunderschöne «Couleur», die einmal mehr klar machten, dass es keine bessere Band als Fjørt gibt. Chris bedankte sich dann noch einmal herzlich und wie nur er es kann, bevor mit «Valhalla» schon viel zu schnell das fulminante Ende erreicht war. Diese Band ist einfach unschlagbar, danke für die Musik.
Einen krasseren Stimmungswechsel als es danach gab, kann man sich kaum vorstellen, doch weiter ging es mit Babymetal. An dieser Band schnitten sich die Geister ganz offenbar, denn während nicht wenige sich nach nur ein paar Tönen eher verwirrt bis genervt wieder abwendeten, feierten andere die drei singenden Tänzerinnen und ihre rabiate Band aus Japan bedingungslos. Und zugegebenermassen hat die Band einfach ein paar unverschämt geile Songs, allen voran das ekelhaft eingängige Brett «Chocolate» und natürlich «Ratata», die feurige Kollaboration mit Electric Callboy, die heute allerdings nur auf der Leinwand zugegen waren. Auf jeden Fall machte die einzig- und eigenartige Band ordentlich Laune und brachte Bewegung auf. Babymetal muss man nicht unbedingt lieben, aber es gibt wohl derzeit kaum etwas Vergleichbares. Danach stand mal eben eine kurze Verpflegungspause an, in der die Eiger-Stage heftig von Bokassa durchgerockt wurde, bevor dann die legendären kanadischen Punks vom Sum 41 an der Reihe waren.
Mit «Motivation» ging es lautstark los, doch waren es vor allem die darauffolgenden Hits «The Hell Song» und «Over My Head (Better Off Dead)», die das Greenfield kopfüberstellten. Die wundervollen Nostalgie-Gefühle die dabei aufkamen, waren unbeschreiblich und es folgte ein fantastischer Auftritt dieser nach wie vor grossartigen Band. Die Setlist erstreckte sich über das ganze Schaffenswerk, von alten Smashern wie «Makes No Difference», bis hin zu ganz neuen Tracks wie «Landmines» und «Dopamine». Die Band, allen voran Frontmann Deryck Whibley, war bestens gelaunt und voller Energie, entsprechend ausgelassen war auch die Party vor der Bühne. Zwar musste ich mich mal wieder fürchterlich über die nord-amerikanische Unart, das Publikum unerlässlich als «Motherfuckers» zu bezeichnen, aufregen, doch zum Glück ging der davon abgesehen sehr sympathische Sänger irgendwann zu rührenden Liebesbekundungen über. Viel lieber so, danke! Als dann zum Schluss die unsterblichen Überhits «In To Deep», «Still Waiting» und natürlich «Fat Lip» angestimmt wurden, gab es kein Halten mehr. Was für eine wundervolle Band mit einer unverschämten Hit-Dichte! Sum 41, das war richtig schön.
Von nun an wurde es zum Abschluss noch richtig heavy, denn als nächstes Standen Machine Head auf dem Plan. Die gewaltigen Groove/Thrash-Legenden legten gleich mit «Imperium» und einem Munitionslager an Pyros los, dass sowohl optisch wie auch akustisch den einen oder anderen Kiefer im Publikum offen hängen liess. Die Show war ein einziges Fest, der gutgelaunte Frontmann Robb Flynn hatte die Fans am Greenfield feste in seinen Händen und kommandierte uns gekonnt ins gemeinsame, freudige Ausrasten. «Ten Ton Hammer» und das aktuelle «Choke On The Ashes Of Your Hate» schlugen ein wie Bomben und zerstörten unsere Nackenwirbel. Dazu gab es immer wieder massig Pyros und Feuerwerk, glorreich lärmige Solis, vernichtende Double-Bass-Salven und eine wunderbar gutgelaunte Band. «Is There Anybody Out There?» überzeugte mit dem grossartigen, mitsingbaren Refrain und trotz der etwas sehr amerikanischen Lichtshow inklusive US-Flagge, und der mächtige Hit «Locust» walzte alles nieder. Machine Head sind eine wahrhaft faszinierende Band, die live unfassbar viel Spass macht. Das gnadenlose «Davidian» brachte die Leute so richtig in feierwütige Rage, bevor uns dann das finale «Halo» komplett den Garaus machte. Dieser Song ist etwas ganz besonderes, pure Metal-Perfektion. Mit Konfettischlangen, Feuerwerk und dem vielleicht epischsten Refrain des Festivals war das Ende erreicht – was für eine Freude!
Doch damit war noch lange nicht Schluss, denn während auf der Eiger-Stage noch Karnivool einen, allen Aussagen nach, fantastischen Abriss veranstalteten, stand auf der Jungfrau-Bühne nun der Headliner Bring Me The Horizon an. Und ja, die Band aus Sheffield, UK hatte sich ihren Platz zuoberst auf dem Plakat redlich verdient. Nach einem sehr amüsanten, an die Videogame-Serie Portal erinnernden, Intro ging es gleich gnadenlos mit «Darkside» los. Was folgte, war ein perfektes Spektakel aus einer ausgefuchsten Licht-, Video- und Feuershow, unfassbar genialen Songs und einer spielfreudigen, gutgelaunten Band, angeführt vom unvergleichlichen Shouter Oli Sykes. Dieser war bestens drauf, unterhielt das Publikum mit herzerfüllten Ansagen, britischem Humor und einem der nach wie vor besten Gesangsorgane im modernen Metal. Wer dachte, dass Machine Head bereits nicht sparsam mit ihren Feuereffekten umgingen, wurde bei Bring Me The Horizon nochmals aufs Neue überrascht. Das fantastische «Amen!» liess Feuersäulen bis an die Decke der imposanten Bühne steigen, die auch weit hinten beim Mischpult noch spürbar waren.
Viele im Publikum hatten grosse Hoffnungen auf ein kleines Feature mit Babymetal zum grossartigen «Kingslayer». Und obwohl die drei frohgemuten Sängerinnen wohl bereits wieder abgereist waren, war der Song auch so ein absolutes Fest, der zu viel Geschrei und Jubel führte. Für das ultimativ wütende «Antivist» wurde ein Typ aus dem Publikum geholt, der mitsingen durfte. Solche Aktionen lösen meistens etwas Nervosität im Publikum aus, da die Qualität dieser Fans für gewöhnlich nicht ansatzweise an die der Band heranreicht. Doch nicht dieser junge Herr, der im Tank-Top und mit Greenfield-Bag optisch zwar so gar nicht dahin passte, aber dann eine verdammt starke Performance hin bretterte. Unfassbar, das fühlte sich an, als ob der Herr schon immer zur Band gehörte und es war beeindruckend, mit was für Selbstvertrauen er über die Bühne stolzierte und mit Oli harmonierte, als wäre es das Normalste auf der Welt. Hut ab!
Mit dem so schönen wie kitschigen «Can You Feel My Heart?» war dann das fulminante Ende erreicht und Bring Me The Horizon lieferten eine nahezu perfekte Show hin. Natürlich wird der Headliner nicht ohne Zugaben von der Bühne gelassen und so folgten noch «Doomed», «Lost» und «Throne». Dabei stach vor allem das geniale «Lost» hervor, denn die wie ein Fiebertraum wirkende Lichtshow ergänzte sich perfekt mit dem absolut wundervollen Text. Freudenstrahlende Gesichter und gnadenlos durchgerockte Menschen waren das Resultat. Was für eine unfassbar gute Show, was für eine grossartige Band!
Und so war der erste Tag des diesjährigen Greenfield Festivals bereits wieder Geschichte. Es war ein Tag voller Highlights, wie es sie nicht oft gibt. Die Organisation, die vielen tollen Menschen, der Sound und alle Bands waren durchs Band hinweg absolut grandios. Und auch wenn das Wetter die nächsten beiden Tage wohl nicht mehr so mitspielen wird, dieser Tag war schlicht perfekt. Greenfield, du bist einfach immer wieder eine Wonne – man sieht sich morgen!
Greenfield Festival 2024 – Freitag
Greenfield Festival 2024 – Samstag