greenfieldfestival.ch
Slipknot + Amon Amarth + In Extremo + Wolfmother + The BossHoss + Halestorm + Anti-Flag + Avatar + Lionheart + Emil Bulls + Destroy Boys + Taylor Acorn + NOFNOG + Moment Of Madness
Flugplatz – Interlaken
Samstag, 10. Juni 2023
Text: David Spring + Cyril Schicker
Bilder: Miriam Ritler + Manuela Haltiner + Olivia Ritler
Frisch und frohgemut, wie man es nur nach drei Nächten an einem Festival und bereits zwei Tagen Metalgebolze und wilden Moshpits sein kann, erwachte das Greenfield Festival am Samstag zu strahlendem Sonnenschein in den letzten Tag. Die Wettervorhersage sah vielversprechend aus, das Energielevel der meisten Besucher:innen vielleicht etwas weniger, doch das Lineup liess keine Wünsche offen. Heute sollte nochmals gnadenlos gerockt werden.
Für ein Festival dieser Grössenordnung überrascht es immer wieder, wie verhältnismässig sauber und ordentlich der Flughafenplatz auch nach mehreren Tagen aussieht. Klar gibt es da den einen oder anderen Zeltplatz, der wirkt, als ob eine Bombe eingeschlagen hätte, doch eigentlich könnte es viel schlimmer sein. Das Greenfield konnte 2023 mit 84’000 Fans und Feierwütigen beinahe wieder an den Besucherrekord von letztem Jahr anschliessen, und laut Aussage der Festival-Leitung war es noch selten so friedlich und gesittet wie dieses Mal. Ebenfalls sehr erfreulich zu erfahren, war die Tatsache, dass die Wildcard-Tickets bereits seit dem Vortag ausverkauft sind und dass bereits fleissig am Zehnjahresplan und erst recht am Lineup 2024, zu welchem natürlich noch alles unter Verschluss ist, gearbeitet wird. Das Datum vom 13. – 15. Juni 2024 steht ebenfalls bereits fest.
Die letzten beiden Tage steckten den Leuten merklich in den Knochen, die Schlangen zu den Toiletten und Essensständen glichen einer Szene aus einem Zombiefilm. Doch Schonfrist gab es nicht lange, denn um Punkt 13:00 ging es auf der Jungfrau-Stage bereits wieder los. Niemand Geringeres als die grossartigen NOFNOG eröffneten heute das Festival. Zwar war es noch nicht ganz voll vor der Bühne, doch die Jungs aus St. Gallen heizten mit ihrem wunderbaren Mix aus Punk und Hardcore ordentlich ein. Einfach immer wieder eine Freude, den Vieren zuzuschauen. Schnell und punkig ging es auch weiter, denn als nächstes waren Anti-Flag an der Reihe. Mit dem hochpolitischen „Die For The Government“ ging es gleich Vollgas zur Sache, die Vier forderten an diesem frühen Nachmittag alles vom Publikum. Anti-Flag gehören nach all den Jahren noch immer zur absoluten Spitzenklasse, was politische Punk-Hymnen anbelangt. Hits wie «Broken Bones», «American Attraction» und natürlich das fulminante «Brandenburg Gate» brachten alle zum Durchdrehen, die reisserischen Ansagen und gute Laune der Band schwappte schnell auf uns über.
Als nächstes durften die frohgemuten und offenbar etwas überhitzten Greenfield-Band-Contest-Gewinner von Moment Of Madness die Eiger-Stage. Obwohl der Sound komischerweise etwas leise war, zogen die Vier eine hervorragende Show ab und überzeugten mit ihrem modernen, heftigen Sound. Ihren Spot am diesjährigen Greenfield haben sie sich redlich verdient. Die Hauptbühne sah als nächstes eine der, wenn nicht die beste Band des Tages, vor allem aber die mit Abstand beste Stimme des Festivals: Halestorm! Sängerin und Gitarristin Lzzy Hale überzeugte mit ihrer unvergleichlichen Rock-Röhre, der Rest der Band vor allem mit ihrer wilden Show und den unglaublich tollen Songs wie «I Miss The Misery», «Freak Like Me» und «Bombshell». Heavy, wild und schlicht fantastisch, was für ein unglaubliches Fest.
Auch auf der Eiger-Stage folgte eine der wenigen FLINTAs des Festivals: Taylor Acorn konnte zwar das Energielevel nicht ganz so hochhalten, dafür ging ihr emotionaler Pop-Punk auch direkt ins Herz. Auf sehr sympathische Art und Weise liess sie uns wissen, dass ihre Stimme wohl etwas in Mitleidenschaft gezogen wurde, doch glücklicherweise war davon so gut wie gar nichts zu bemerken. Die Show überzeugte und machte Spass, vor allem war es schön, endlich ein paar FLINTAs zu sehen. Aller guten Dinge sind drei, denn während dem die Jungfrau-Stage von The Bosshoss, einer der etwas bizarrer anmutenden Slots im Lineup, ordentlich durchgerockt wurde, beehrten uns auf der kleinen Bühne nun die Punks von Destroy Boys. Der furiose, feministische Schrammel-Punk vermochte das etwas müde Publikum zu Beginn scheinbar nicht so zu bewegen, bis der Bann auf einmal gebrochen war und ein wilder Circle Pit ausbrach. Guter Punk bringt halt auch die müdesten Knochen immer wieder in Bewegung.
Nach den Ellenbogen und Füssen waren bald schon wieder die Nackenmuskeln gefordert, denn mit Wolfmother folgten tonnenschwere, fuzzige Stoner-Riffs allererster Güte. Die Australier verzichteten komplett auf irgendwelche Showelemente, nicht mal ein Backdrop mit ihrem Namen drauf brachten sie mit, die epischen Riffs und stellenweise durchgeknallten Stoner-Songs reichten völlig aus. Spätestens beim gewaltigen «Colssal» und erst recht dem legendären «The Joker And The Thief» gab es absolut kein Halten mehr. Was für eine vorzügliche, legendäre Band.
Um dem sich abzeichnenden Ende des Festivals mit ausreichend Energie entgegenzutreten, gab es nochmals eine grössere Verpflegungspause, während welcher die Emil Bulls die Eiger- und In Extremo die Jungfrau-Stage rockten. Während erstere mit ihrem modernen Metal überzeugten, spielten sich die Mittelalter-Rocker mit Laute, Drehleier und Schalmei in die Herzen der Fans. Nach dem wie am Greenfield so üblich sehr raschen und effizienten Umbau ging es von Mittelalter in die Welt der Wikinger, denn die mächtigen Amon Amarth waren an der Reihe. Mit zwei riesigen Statuen und Hörnern in passender Grösse boten die Schweden die wohl spektakulärste Bühne des Festivals. Der Sound stimmte perfekt, laut und druckvoll schmetterten die Riffs über den Platz, und so war es eine einzige Freude, dieser grossartigen Band beizuwohnen. Mit den Statuen nicht genug gab es Schwert-Kämpfe, ein episches Battle zwischen dem mit Mjölnir bewaffneten Frontmann Johan Hegg und einem ihm hilflos ausgelieferten Meeres-Ungeheuer, und natürlich so viele Pyros. Die Spielfreude der Band, der Humor und die fantastischen Songs wie «Guardians Of Asgaard», «The Great Heathen Army», «Deceiver Of The Gods» und das abschliessende «Twilight Of The Thundergod» boten eine Heidenfreude. Amon Amarth sind immer wieder eine Macht, mehr gen Himmel gerichtete Metalfäuste als bei ihnen gab es wohl das ganze Festival über nicht.
Ja, und dann war es Zeit für den finalen Headliner des Greenfield Festivals 2023: Slipknot! Wie nicht anders zu erwarten, boten die maskierten Metal-Legenden einen ihrem Status und diesem wundervollen Festival ebenbürtigen Auftritt. Mit einem relativ kurzfristig angekündeten neuen Keyboarder und ohne Gründungsmitglied Shawn «Clown» Crahan war etwas Unsicherheit in der Luft, was wir von den Jungs aus Iowa erwarten dürften. Doch bestand kein Grund zur Sorge, denn schon der Opener «The Blister Exists» haute so brutal rein, dass kein Stein auf dem anderen blieb. Es folgte ein explosives Set, das uns vom selbstbetitelten Debüt bis hin zum aktuellen «The End, So Far»-Album führte. Frontmann Corey Taylor überzeugte mit seiner gnadenlosen Stimme und unablässigen Bühnenpräsenz, während der Rest der Band rockte, was das Zeug hält. Dass das beim Publikum alles hervorragend ankam, versteht sich von selbst. Es wurde mitgesungen, getanzt, gemoshed und von der ersten bis zur letzten Sekunde gnadenlos abgegangen. Viel zu bald war schon das Ende in Sicht, doch nicht bevor «Duality» und «Spit It Out» uns ein letztes Mal wirklich alles abverlangten. Wundervoll, Slipknot bewiesen eindrucksvoll, dass sie ihren Status als Headliner mehr als verdient haben.
Die letzten Töne läuteten dann allerdings auch das unweigerliche Ende des 17. Greenfield Festivals ein, doch natürlich nicht bevor die traditionelle, riesige Holzhand feierliche in Brand gesteckt wurde und damit das offizielle Ende des Festivals einläutete. Jedes Jahr wieder gehört diese schöne Tradition zum Greenfield, wie das Amen in die Kirche. Es war wundervoll, das Greenfield 2023 machte unendlich viel Spass, kostete sehr viel Energie und bot einmal mehr einige der besten Bands im Business. Raum für Verbesserung gibt es immer, aber wir dürfen uns stolz fühlen, ein solch fantastisches Festival in unseren Breitengraden zu haben. Und damit heisst es auch heute wieder: nach dem Greenfield ist vor dem Greenfield! Wir freuen uns aufs nächste Mal!
Greenfield Festival 2023 – Donnerstag
Greenfield Festival 2023 – Freitag