greenfieldfestival.ch
Sabaton + Parkway Drive + Arch Enemy + Hatebreed + Coheed And Cambria + Funeral For A Friend + The Amity Affliction + Zebrahead + Lorna Shore + Touché Amoré + Mantar + Coilguns + Überyou + Windshelter
Flugplatz – Interlaken
Freitag, 9. Juni 2023
Text: David Spring + Cyril Schicker
Bilder: Miriam Ritler + Manuela Haltiner + Olivia Ritler
Die Sonne brennt vom Himmel, von überall her erklingen bizarre Musik und Stimmen, die nichts Erkennbares von sich geben. Alles tut irgendwie ein Bisschen weh und man fragt sich, warum man sich das immer wieder antut. Ja, das Erwachen am Greenfield Festival ist nie einfach, doch ist es immer auch wieder ein Erlebnis, wenn man sich durch die halb vernichteten Zelte schlängelt und sich an den unvergleichlichen Gesichtern der Menschen darin ergötzt. Es gibt doch einfach nichts Schöneres.
Der Freitag am diesjährigen Greenfield versprach heiss und heavy zu werden. Zwar waren beim Opener Überyou merklich weniger Leute vor der Bühne als beim Auftakt gestern noch, diese jedoch gingen zum rabiaten Punk’n’Roll schon ordentlich ab. Es ist immer wieder eine Freude, auch lokale Bands auf den Greenfield-Bühnen zu erleben, die Jungs aus Zürich wurden ihrer Verpflichtung als Festival-Opener mehr als gerecht. Um das Energielevel gleich noch weiter hochzuschrauben, gab es als nächstes eine geballte Ladung Punkrock von Zebrahead. Die gutgelaunten Herren aus Kalifornien zettelten die wohl grösste Wall of Death des Festivals bisher an und verlangten uns alles ab. Die Staubwolke, die während dem ganzen Gig vor der Bühne in der Luft hing, bezeugte, wie krass es da abging.
Bis jetzt waren alle Bands, die uns beehrten, durchgehend stark und überzeugend, doch zu jeder Regel gehört ja bekanntlich eine Ausnahme. Heute war dies Funeral For A Friend, die wahrlich kaum auszuhalten waren. Ich weiss nicht, ob es irgendwie ein Problem gab, aber der absolut garstige und vor allem falsche Gesang war zu viel des Guten, nach zwei Songs ging es schnell so weit weg von der Bühne, wie nur möglich. Zum Glück konnten die durchgeknallten Noise-Rocker von Coilguns, die nun die Eiger-Stage in Schutt und Asche legten, dies locker wieder wettmachen. Mit einem Sänger, der nicht nur singen (und schreien) konnte, sondern der vor allem abging, als ob er von einem ganz besonders abgedrehte Dämonen besessen wurde, unglaublicher Energie und richtig geilen Songs, musterten sich die vier Chaux-de-Fonniers zum ersten Highlight des Tages herauf.
Auf musikalisch höchstem Niveau ging es danach mit Coheed And Cambria weiter. Der erste Teil des Sets war beinahe pop-punkig, doch wurden die Songs fortlaufend progressiver. Die Bandbreite dieser Gruppe war beachtlich und lockerte die Stimmung an diesem ziemlich harten Festival-Tag merklich auf, die Abwechslung tat richtig gut, das abschliessende „Welcome Home“ liess so manches Prog-Herz höher schlagen. Danach war endgültig Schluss mit Lustig, denn als nächstes standen Hatebreed auf dem Programm. Pünktlich dazu öffnete sich auch der Himmel, wovon sich die Hardcore-Meute vor der Jungfrau-Stage natürlich kein Bisschen irritieren liess. Die heftigen Riffs und aggressiven Songs führten zu einem gewaltigen Pit und wahrscheinlich einer ordentlichen Schlammschlacht. Etwas anderes war bei einer solch legendären Band auch nicht zu erwarten.
Heftig ging es auch auf der Eiger-Stage weiter, als Touché Amoré mit ihrem wütenden Post-Hardcore die Leute zum Durchdrehen brachten. Die schmerzverzerrte Stimme des Frontmanns und die schneidenden Gitarren waren tiefschürfend und emotional, die unfassbar wütende Musik liess niemanden kalt. Das Greenfield-Lineup überzeugte auf jedem Level, war doch wirklich für fast jeden Geschmack der härteren Sorte etwas dabei. Was hingegen starke Mangelware darstellte, waren Bands mit FLINTA-Anteil. Tatsächlich waren 2023 noch weniger Bands auf dem Programm, die nicht nur aus Männern bestanden, als noch im Jahr zuvor – sage und schreibe nur sechs der ungefähr 50 Artists. Zwar mussten The Distillers, die die Quote noch etwas verbessert hätten, absagen, und man ist sich nach Aussage der Veranstalter auch bewusst, dass hier noch Verbesserungspotential besteht, aber der Eindruck blieb selbst nach der Pressekonferenz, dass es nicht der grösste Fokus ist. Eventuell wird es mal einen FLINTA-Only-Newcomer-Wettbewerb geben, die nächsten Jahre werden zeigen, wie das Greenfield Festival sich dahingehend entwickeln wird. Raum nach oben besteht in dieser Hinsicht auf jeden Fall noch viel .
Zum Glück waren es aber nicht ausschliesslich Männer, denn eine der besten und wichtigsten Frauen des Metals stand als nächstes auf der Bühne: Alissa White-Gluz und die legendären Arch Enemy. Mit dem vernichtenden «Deceiver, Deceiver» und einem der besten Melodic Death Metal Songs überhaupt, «Ravenous», legten sie brutal und rasant los, was folgte war einer der besten Gigs des Tages. Arch Enemy sind eine absolute Macht und trotz anhaltendem Regen liefen Schauer die Rücken vieler runter, als beim abschliessenden «Nemesis» 20’000 Kehlen den Refrain mitsangen. Als ob die Show nicht schon genial genug gewesen wäre, folgten Schlag auf Schlag die Australier von Parkway Drive. «Glitch» und «Prey» liessen keinen Zweifel daran, dass die Jungs absolute Riff-Meister sind, ultra-heavy und voller Emotion boten auch sie einen Gig der Extraklasse. Die Bühnenshow liess ebenfalls nichts zu wünschen übrig, massig Pyros, mehrere Levels und gegen Ende noch ein Trio von Violinen- und Cello-Spielerinnen, die vor allem das fantastische «Crushed» zu einem der wohl epischsten Songs des Festivals machten. Unglaublich, Parkway Drive gehören definitiv zu den Highlights des heutigen Tages.
Ja, und dann war da noch Sabaton. Der Platz vor der Jungfrau-Stage war zum Bersten voll und die Energie und Vorfreude waren trotz Regen und durchgehend wilden Moshpits den ganzen Tag spürbar. Ich jedoch konnte mit der Band und dem ganzen Kriegs-Image überhaupt nichts anfangen und hatte mich schon lange nicht mehr so unwohl an einem Konzert gefühlt. Als Sänger Joakim Brodén beim Opener «Sarajevo» dann noch mit einer Bazooka in die Leute «schoss», war für mich Schluss. Der Rest des Greenfields hatte aber sichtlich Spass und darum geht es ja schlussendlich, es kann nicht immer alles allen gefallen.
Damit ging die Achterbahnfahrt des zweiten Tages auch bereits zu Ende. Mit hervorragenden Bands, viel Abwechslung und harten Riffs, aber auch mit mehr als genügend Regen und schlussendlich ein paar Enttäuschungen darf getrost gesagt werden, dass der Freitag des Greenfield Festivals 2023 einmal mehr die goldene Mitte getroffen hatte. Nicht alles ist perfekt, aber die Leute hatten unendlich viel Spass und wurden gehörig gerockt. So gehört es sich, so stand es geschrieben. Mit dem steten Geplätscher der Regentropfen auf dem Zeltdach und den letzten Explosionen der Sabaton-Show aus der Ferne in den Ohren gab es eine frühe Nacht, um den letzten, hoffentlich wieder trockenen Greenfield-Tag in Angriff zu nehmen.
Greenfield Festival 2023 – Donnerstag
Greenfield Festival 2023 – Samstag