Datum: 11.–13. Juni 2015
Ort: Interlaken
Webseite: Greenfield Festival
Bilder vom:
DONNERSTAG 11. Juni 2015
FREITAG 12. Juni 2015
SAMSTAG 13. Juni 2015
Das diesjährige Greenfield Festival zeigte sich auch mit der 11 auf dem Rücken vital und durchaus mutig. Keine Anzeichen von Antiquiertheit waren zu sehen, auch musste keiner der Bands aus Omas verstaubter Klamottenkiste gehievt werden. Klar, Motörhead könnten Spinnweben an ihren Instrumenten haben, ihr Auftritt als Headliner am zweiten Tag war aber souverän. Nicht mehr, nicht weniger. Souverän eben. Die Festivalbesucher liessen es sich auch nicht nehmen und feierten die Engländer, als wäre es das letzte Mal. Und wer weiss, vielleicht ist es auch deren letztes Mal. Goldkehlchen Lemmy Kilmister zeigte sich zwar robust, bis vor kurzem war dies bekanntlich noch anders.
Anders, nämlich weitaus mehr als nur souverän waren Slipknot. Die US-Maskenmannequins donnerten am ersten Tag über die Bretter, die für alle an diesem Abend fürwahr die Welt bedeuteten. Das fulminante Set war eine Mischung aus alten, bekannten wie auch neusten Songs. Erstere kamen speziell gut an, doch die rund eineinhalbstündige Phantasmagorie war im Allgemeinen eine Berserker-Performance sondergleichen. Und gleichzeitig der 2015-Höhepunkt auf dem Militärflughafen in Interlaken.
Aufs Rad flechten
Unverständlicherweise wurden während des Festivals oft Stimmen laut, die nach einem «richtigen» Headliner riefen. Was die brachialen Notenschlüssel-Akrobaten aus Iowa hier allerdings zeigten, zeigte in der Vergangenheit wohl keine andere Band. Egal, König Subjektivität hat schon manchen Geschmack aufs Rad geflochten. Das Rad gefehlt hat dafür Eagles Of Death Metal. Die Jungs um Sänger/Gitarrist Jesse «The Devil» Hughes machten eine Tourbus-Panne geltend und strandeten irgendwo zwischen luftleerer Ausrede und Opfer der Technik.
Doch waren sie sicher schnell vergessen, zumal auch der dritte Headliner, In Flames, das Publikum zu begeistern verstanden. Zwar hat die Schweden-Combo härtere Pfade längst verlassen und eher melodiöse bis gar seichte Platten veröffentlicht. An diesem Abend allerdings orientierten sie sich wieder in Richtung Anfänge und trumpften kompromisslos auf. Das Feuerwerk zum Konzertende erinnerte irgendwie an ein Seenachtsfest, doch irgendwie passte es ganz gut zum einwandfreien, durchkonzipierten Auftritt. Und erhellte sicherlich etliche Zuschauerherzen. Irgendwie.
Vom Gefängnis auf die Bühne
Erhellend waren sicherlich auch die vielen Überraschungen, so etwa die – auf eine Art vergessen geglaubten – Life Of Agony (Sänger, Sängerin Mina Caputo ging sogar mit den Zuschauern auf Tuchfühlung), Backyard Babies, Lagwagon und Millencolin.
Godsmack gehört ebenfalls in diese Kategorie, doch nicht alle konnten die Amerikaner mit ihrem Rock überzeugen. Ganz anders einer der weiteren (heimlichen?) Headlinern, Lamb Of God. Die Metal-Krösusse aus Richmond, USA, waren früher schon hart, sind es heute noch und werden es hoffentlich auch in Zukunft sein. Das Gefängnis-Inferno und die nicht standgehaltene Anklage wegen Todschlags hat Sänger Randy Blythe glücklicherweise nicht in die Knie gezwungen, die Band selbst auch nicht. Im Gegenteil, Lamb Of God entzückten wie nur wenige entzücken können und legten ihren hübsch ausgestatteten, musikalisch-bleiernen Vorhang gekonnt über die frenetische Meute.
Das Greenfield Festival hat einmal sein schönes Gesicht präsentiert. Ein Gesicht, das hoffentlich auch im nächsten Jahr noch schön ist. Auf dass sich der Dreitagesschmaus weiterhin angenehm als schwarz umrandeter Farbtupfer auf der doch sehr weissen und mitunter fahlen Festival-Landschaftskarte hervorhebt. Ob mit oder ohne Drumherum, wie zum Beispiel der Mittelaltermarkt oder der Kirmesbetrieb. Dahingegen darf, nein, soll die Greenfield Foundation weiter gedeihen und als Impetus aufstrebenden Rockbands die Türen öffnen!
Text: Cyril Schicker
Bilder: Nicole Imhof + Kathrin Hirzel