30. September 2018
Kofmehl – Solothurn
Bands: Graveyard / Bombus
Graveyard, dem Namen halbwegs gerecht: Immer mal wieder totgeglaubt und dann doch von den Toten auferstanden. Gibt es sie wieder? Gibt es sie noch? Leben sie noch? Lebendig sind sie, und wie!
Im Kofmehl in Solothurn sollte es sein, wo man sich persönlich davon überzeugen konnte, dass sie noch leben. Da musste man einfach hin, um sich persönlich zu vergewissern. Ganz so klar war es nämlich nicht, denn wem galt der kleine Grab-Blumenstrauss auf dem Bassverstärker?
Obwohl die meisten erahnen konnten, was sie erwarten würde, überraschten Graveyard mit ihrem Auftritt. Ja, sie sehen aus, als wären sie in der falschen Zeit geboren und aufgewachsen — Bärte, Schnäuzer, lange Haare, aber das ist keineswegs negativ gemeint. Im Gegenteil, vom ersten Augenblick an zeigten sie, wie Bluesrock geht, wie man ihn zelebrieren kann ohne Glam, ohne Egospiele, ohne Schnickschnack. Es ging geradeaus, Rock’n’Roll vom Feinsten. Der Sound immer klar und durchsichtig. Im Opener „Walk On“ suchte ich die ganze Zeit denjenigen der Herren, der die zweite Stimme sang, ohne ihn zu finden. Auch bei Gesangseffekten war Fehlanzeige. Nein, es war eine Gitarre, welche die zweite Stimme übernahm. Was für ein Lichtblick, solch ein Arrangement, was für eine Offenbarung.
Überhaupt: Die Lead-Gitarre von Jonathan Ramm, ein Sound der schöner nicht sein könnte. Es war weder die Gitarre noch der gute alte Hiwatt (Gear-Check one, two …), nein, das Spiel, der Sound, die Schönheit kam aus seinen Fingern, wurde direkt auf das Griffbrett übertragen und in einen unvergleichlichen Klang verwandelt. Überhaupt: Der Gesang von Joakim Nilsson, grosses Kino. Ist seine Stimme perfekt, ist sie schön? Keine Ahnung, aber sie passt zum rauen, filigranen und ins Detail geplanten Sound von Graveyard, als gäbe es keine andere Möglichkeit. Gerade die vielen eher langsamen Songs wurden mit und dank seiner Stimme geradezu perfekt. Und wer im Publikum bekam keine Gänsehaut, als Graveyard zu „The Siren“ ansetzten? Aber auch Bassist Truls Mörck machte als Sänger im zweiten Teil des Sets eine gute Falle und gönnte Joakim Nilsson eine verdiente Pause am Mikrofon.
Überhaupt: Die Songs von Graveyard sind nicht grundsätzlich hart, sie sind geradeaus, bis in den hintersten Winkel wohl überlegt und arrangiert. Es gibt immer wieder ruhigere Passagen genauso wie Songs, bei denen es von Anfang bis zum Schluss kein Halten gibt, bei denen die Haare des Publikums weder trockener noch weniger geschüttelt bleiben als diejenigen der vier Jungs auf der Bühne.
Das Vorprogramm wurde von Bombus gerockt. Irgendwo mit dem Heavy Metal liebäugelnd, zumindest live ein wenig an Motörhead erinnernd. Dass die Band mit zwei Leadgesängen und drei Gitarren daherkommt, lässt durchaus Freiraum für mehr Solis und Gestaltung, ohne die Gitarrenwand untergehen zu lassen. Aber vielleicht hätte ich mir bei einer solch grossen Band genau davon etwas mehr gewünscht. Nichtsdestotrotz, die fünf Mannen aus Göteborg versprühten mit ihrem Sound eine richtig gute Portion Testosteron und Selbstvertrauen, die Stimmung wurde mit brachialen, aber dennoch warmen (Gear-Check one, two … ist das mit diesen Metal-Verstärkern möglich?) Gitarrenwänden so richtig auf Betriebstemperatur gebracht. So wie es sich für einen solchen Abend gehört.
Bombus zeigten den Metal, Graveyard zelebrierten den düsteren und schweren Bluesrock der 60er und 70er. Schön zu wissen, zu erleben und zu fühlen, dass diese Musik noch lebt, dass Graveyard noch lebt. Ich hab’s gehört und gesehen. Und es war gross.
Setlist
1. Walk On
2. Please Don’t
3. The Fox
4. Hisingen Blues
5. Uncomfortably Numb
6. Cold Love
7. Buying Truth
8. Slowmotion Countdown
9. Industry Of Murder
10. It Ain’t Over Yet
11. Bird Of Paradise
12. Goliath
13. Magnetic Shunk
Zugabe
14. Low
15. Ain’t Fit To Live Here
16. The Siren
Text: Mischa Castiglioni