1. Februar 2019
Komplex 457 – Zürich
Bands: Good Charlotte / Sleeping With Sirens / Boston Manor / The Dose
Noch einmal 13 sein? Klar, das ist möglich! Dafür braucht man allerdings nicht in eine Zeitkapsel zu steigen, nein. Ein Konzertbesuch der Pop-Punker von Good Charlotte tut es auch. Und wie! Mit ihrem neuen Album „Generation Rx“ im Gepäck, beehrten die fünf Amerikaner aus Maryland nach über sieben Jahren erstmals wieder die Schweiz – und liessen dabei vor allem Mädchenherzen höher schlagen.
Den Auftakt des Abends machten The Dose. Das Duo aus Los Angeles lieferte eine gelungenen Mischung aus Rock und Grunge, gespickt mit vereinzelten Blues-Elementen. Allen voran die rauchige und charakteristische Stimme von Fronter Indigo Downey – der übrigens kein anderer ist, als der Sohn von Hollywood-Superstar Robert Downey Jr. – dominierte ihre Musik. Mit Einflüssen von Alice in Chains und Nirvana brachten Drummer Ralph Alexander und Sänger Indigo Downey das Grunge-Flair der 90er-Jahre direkt nach Zürich. Schade, dass nur ein kleiner Teil der Zuschauer in den Genuss dieser Stimmung kam, die meisten von ihnen versuchte offensichtlich noch immer, ihre Winterkleidung an der Garderobe zu entledigen.
Bei Boston Manor sah das schon wesentlich anders aus: „This is our first time here in Switzerland“, sagt Sänger Henry Cox und erntete dafür ein begeistertes Jubeln der mittlerweile gefestigten Menge. Dass die Band mit ihrem knapp sechsjährigen Bestehen noch relativ jung ist – das Gleiche gilt für ihre Mitglieder, die sich mit Ausnahme des Gitarristen Mike Cunniff allesamt in den 20ern befinden – war aus musikalischer Sicht nicht zu spüren. Die Jungs aus dem englischen Blackpool spielten wie die Grossen und brachten den Komplex 457 mit ihren pop-punkigen Songs innert wenigen Minuten zum Kochen. Hits wie „Halo“ oder „Flowers in your Dustbin“ wurden aus vollen Kehlen mitgesungen. Unverkennbar ist vor allem die schier endlose Energie von Fronter Henry Cox, der wie ein Duracell-Hase auf der Bühne umherhüpfte, und wohl noch lange so weiter gemacht hätte, wenn nicht schon die nächste Band namens Sleeping With Sirens in den Startlöchern gestanden hätte.
Kaum betraten Sänger Kellin Quinn & Co. die Bühne, gab es seitens des Publikums kein Halten mehr. Vor allem das ohrenbetäubende Kreischen der weiblichen Fans bestätigte, dass Sleeping With Sirens ohne Weiteres auch als Hauptact des Abends hätten durchgehen können. Mit Songs wie „Kick Me“ und „If You Can‘t Hang“ schleuderten die fünf Männer energiegeladenen Post-Hardcore gemischt mit poppigen Elementen in die Menge und sorgten für ausgelassene Stimmung – Circle Pits und Stage-Diver inklusive. Positiv fiel vor allem auch ihr Umgang mit den Fans auf – Berührungsängste kennen die Jungs offenbar nicht. So half Frontmann Kellin Quinn auch mal dabei, einen durchgeschwitzten Stage-Diver aus der Menge zu ziehen.
Im Fokus der Show stand aber vor allem Kellins extrem hohe Stimme, die im „Tenore di grazia“ liegt und bei so manchen (vorweg männlichen) Zuschauern für Stirnrunzeln sorgte, sich wohl fragend, ob es sich bei dem Sänger um eine Frau oder einen Mann handle. Ja, wer Sleeping With Sirens noch nicht kannte, für den dürfte die spezielle Gesangsstimme durchaus eine Überraschung gewesen sein – ob positiv oder negativ sei dahingestellt. Alles in allem lieferten die Jungs aus Florida eine solide Show ab, die mit stimmiger Setlist und flackernder Lichtshow komplettiert wurde.
Und dann war es soweit – Bühne frei für die Männer des Abends! Nacheinander betraten Drummer Dean Butterworth, Bassist Paul Thomas, die Gitarristen Billy Martin und Benji Madden sowie dessen Zwillingsbruder und Good-Charlotte-Frontmann Joel die Bühne, und wurden sogleich mit tosendem Applaus und ebenso lautem Gekreische ihrer weiblichen Anhängerschaft begrüsst. Den Anfang machte der Song „Self Help“ aus dem Album „Generation Rx“. Obschon sich die Jungs aus Maryland, USA, auf gleichnamiger Europa-Tournee befinden, spielten sie erstaunlich wenige Stücke der neuen Scheibe.
Für hartgesottene Good-Charlotte-Fans kein Problem, denn schon mit dem zweiten Song „The Anthem“ aus dem Jahr 2002, fühlten sich jene Leute zurück in die Zeiten ihrer Kindheit und Jugend versetzt. Dieses Gefühl verstärkte sich, als Sänger Joel Madden das Publikum fragte, wie alt sie waren, als sie das erste Mal Good Charlotte hörten. „Ten, thirteen, nine“, zählte er die heraufgestreckten Finger der Zuschauer. Mit den Worten „Let‘s go back to the year 2004“, stimmte er schliesslich den Hit „Predictable“ aus dem Album „The Chronicles of Life and Death“ an, und heizte die ohnehin schon grandiose Stimmung im Saal weiter an. Natürlich durften auch ein paar Stücke neuerer Alben nicht fehlen und so schallten Songs wie „Life Changes“, „Actual Pain“, „The River“ oder „Prayers“ aus den Boxen und wurden eifrig mitgesungen, wenn auch nicht in gleicher Stärke wie die „Oldies“.
Das schienen auch die Jungs von Good Charlotte zu wissen – und so folgte ein weiterer Block aus Klassikern wie „Waldorf Worldwide“, „Little Things“ oder „Girls & Boys“, untermauert durch dampfende und funkende Pyroelemente. Ein Hit jagte den Nächsten und das schweissgetränkte und feiernde Publikum kam aus dem Singen und Tanzen nicht mehr heraus.
Den krönenden Abschluss der Show machte schliesslich der Kracher „Lifestyles of the Rich & Famous“, bei dem wirklich keiner mehr ruhig stehen blieb. Dies zeigte sich, als Joel Madden die Menge aufforderte, in die Knie zu gehen und diese anschliessend wie wild empor sprang, um die letzten Takte des Songs zufrieden in sich aufzusaugen – fast so, als wären sie ihr persönliches Jugendelixier.
Fazit:
Ein unglaublich toller Abend, der dem Publikum eine musikalische Zeitreise zurück in die Jugend bescherte. Auch viele Jahre nach ihrem grossen Durchbruch bewiesen die Jungs von Good Charlotte, dass der Pop-Punk der 2000er noch lange nicht ausgedient hat.
Setlist
1. Generation Rx
2. Self Help
3. The Anthem
4. The Story of My Old Man
5. Keep Your Hands Off My Girl
6. Girls & Boys
7. Shadowboxer
8. Life Changes
9. Actual Pain
10. Predictable
11. Prayers
12. Hold On
13. Waldorf Worldwide
14. Little Things
15. The Young and the Hopeless
16. The River
17. Dance Floor Anthem
18. I Just Wanna Live
19. Lifestyles of the Rich & Famous
Text: Andrea Germann
Bilder: Anna Wirz